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Alexander Radwan: Das Ziel ist heutzutage, die Deregulierung zurückzuführen, zu regulieren

Rede zu "Zehn Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers"

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zehn Jahre Finanzkrise sind ein guter Anlass, auf das, was gemacht wurde, zurückzuschauen, einen Ausblick in die Zukunft zu wagen, aber möglicherweise auch die Ursachen, warum es zu dieser Finanzkrise kam, zu analysieren. Ich habe vorhin gehört, es seien sehr stark die öffentlich-rechtlichen Banken gewesen, die gerettet werden mussten. Ich möchte nur daran erinnern: Die Ursache der Finanzkrise liegt in einer Zeit, in der alle von Deregulierung gesprochen haben. Es war der große Hype, die Märkte zu deregulieren, nach dem Motto: Sie werden es schon selber richten. – Es gab damals auch eine Koalition in Deutschland, die der Meinung war, die Deutschland AG aufgeben zu müssen und an den Markt glauben zu können. Von daher hat all das eine Vorgeschichte, und wir sollten nicht nur auf die zehn Jahre zurückschauen.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Sie haben es ja in den 90ern gemacht!)

Das Ziel ist heutzutage, die Deregulierung zurückzuführen, zu regulieren, Eigenverantwortung nach vorne zu bringen und letztendlich den Steuerzahler zukünftig nicht mehr in die Pflicht zu nehmen, wie es bisher der Fall war. Die Staatsschuldenkrise war die Folge aus der Finanzkrise.

(Zuruf der Abg. Cansel Kiziltepe [SPD])

Da möchte ich schon darauf hinweisen: Dass die Bekämpfung der Staatsschuldenkrise in Europa in eine Richtung ging, in der Eigenverantwortung und Solidarität im Gleichklang waren, ist insbesondere Deutschland zu verdanken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch hier im Haus gibt es regelmäßig Vorstöße, mit denen man einer stabilitätsorientierten Politik auf europäischer Ebene letztendlich eher in den Arm fallen würde, als sie zu unterstützen. Damit würde man weiterhin eine entsprechende Instabilität an den Märkten zulassen. Es ist Angela Merkel und Wolfgang Schäuble zu verdanken, dass die Mechanismen zur Schaffung von Stabilität gegriffen haben. Wenn man sich anschaut, welche Staaten heute aus den jeweiligen Programmen entlassen wurden – bis hin zu Griechenland –, sehen wir, dass man hier – gerade durch das Engagement Deutschlands – Stück für Stück mühsam vorangekommen ist.

Dann – Antje Tillmann hat es angesprochen – gab es ein ganzes Maßnahmenpaket von Regulierungen, etwa Eigenkapitalanforderungen im Rahmen von Basel III. Die Bankenunion wurde entsprechend gestärkt, und das nicht gegen den Willen Deutschlands. Wenn Deutschland einmal Kritik übt und schaut, wie man in die richtige Richtung geht,

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen es besser! Ja, klar!)

wenn Deutschland auf die Regionalbanken schaut, dann ist das – Sie wissen es ganz genau – ein Ringen in Europa um den richtigen Weg. Deutschland ist da nicht gegen etwas.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen aus der Finanzkrise lernen und den Ausblick wagen.

Erstens. Wichtig ist, dass wir zukünftig auf europäischer Ebene die Regeln, die wir uns geben, auch durchsetzen. Es hilft überhaupt nichts, immer wieder entsprechende Vereinbarungen auf europäischer Ebene zu treffen und sie dann eben nicht durchzusetzen. Deutschland und die CDU/CSU-Fraktion stehen dafür, dass diese Regeln auch zukünftig in Europa angewendet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland hat doch selber dagegen verstoßen!)

– Ja. Ich war damals im Europäischen Parlament und war einer der Hauptkritiker der Maßnahmen von Schröder unter Rot-Grün, mit denen damals der Stabilitätspakt zum ersten Mal gebrochen wurde. Sie haben es hier mit jemandem zu tun, der das rechtzeitig kritisiert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zweitens. Wir müssen das, was wir bisher gemacht haben, evaluieren: Was haben die Gesetze, die gekommen sind, für Auswirkungen? Wir müssen dem Proportionalitätsgrundsatz, der allen möglichen Gesetzen zugrunde liegt, zur Geltung verhelfen. Es nützt nichts, den Grundsatz nur in europäische Verordnungen und nationale Gesetze hineinzuschreiben, sondern wir müssen Größenunterschiede – Unterschiede im Umgang mit den großen, internationalen Banken und den kleinen Banken – auch tatsächlich zulassen.

Wir müssen uns die Aufsichtspraxis anschauen, die jetzt so langsam in Schwung kommt. Die Europäische Zentralbank ist auf der einen Seite unmittelbar für die großen Banken zuständig; aber wir wissen genau, dass ihre Maßnahmen und Vorgaben auch auf die kleinen Banken Auswirkungen haben. Ich bin hier für eine stärkere Eigenständigkeit der nationalen Aufseher und möchte, dass der Proportionalitätsgrundsatz, was regionale Banken anbelangt, entsprechend berücksichtigt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Drittens. Meine Damen und Herren, wir haben hier sehr viel über legislative Maßnahmen gesprochen, über Gesetzgebung auf nationaler und europäischer Ebene. Alle wissen aber, dass die nächste Finanzkrise möglicherweise aus einer Ecke kommt, die wir heute gar nicht gesetzgeberisch geregelt haben. Die Frage ist dann, wie wir schnell handeln können. Ich möchte in diesem Haus, gerade ausgehend von diesen Anträgen, einmal die Diskussion führen, inwieweit es sinnvoll ist, zukünftig prinzipienorientiert zu handeln, den Aufsehern grundsätzliche Kompetenzen unter demokratischer Kontrolle zu geben, die dann schnell marktgerecht reagieren können, statt jedes einzelne Detail mit der entsprechenden Bürokratie über Gesetze zu regeln.

Viertens. Wir stehen vor der Hausaufgabe und der Herausforderung der Zinswende. Jeder ist der Meinung, die Zinswende müsse kommen. Allerdings ist die Frage: Sind wir auf die Zinswende in Deutschland vorbereitet, sind die Banken darauf vorbereitet, ist die Ökonomie darauf vorbereitet? Das ist eine Herausforderung, die vor uns steht und kommen wird.

Fünftens. Wir müssen die vernetzte Welt ein Stück weit noch transparenter machen. Die Finanzkrise ging von Amerika aus; es waren die Verbriefungen aus den USA, die hierhergekommen sind. Da waren, wie Sie, Herr Schäffler, sicherlich wissen, nicht nur öffentlich-rechtliche Banken dabei; es waren auch private Banken, die daran sehr gut verdient haben. Die Vernetztheit müsste transparent und nachvollziehbar werden, insbesondere weil der internationale Konsens, den wir nach der Finanzkrise, nach der Pleite von Lehman, auch mit den USA hatten, Stück für Stück aufgebrochen wird. Wir spüren heute, dass die Amerikaner wieder in Richtung Deregulierung gehen. Ich halte das für einen falschen Weg, auch wenn er von dem einen oder anderen in Deutschland bereits propagiert wird.

Sechstens. Wir stehen vor der Herausforderung des Brexit: Wie wird sich der Brexit auf die Finanzmärkte auswirken? Das ist ein wichtiges Thema, mit dem wir uns – neben der Digitalisierung – auch im Finanzausschuss auseinandersetzen müssen.

Meine Damen und Herren, es kam die Finanzkrise, es kam die Wirtschaftskrise, die Deutschland gut abgefangen hat, es kam die Staatsschuldenkrise, die wir in den Griff bekommen haben. Ich denke, hier besteht großer Konsens, dass wir alle miteinander daran arbeiten müssen, dass wir alles, was mit diesen Krisen zusammenhängt, so regeln, dass daraus keine Demokratiekrise wird, dass das, was wir alle miteinander wollen – ein stabiles Europa und ein stabiles Deutschland mit einer stabilen Wirtschaft –, existieren kann. Darum müssen wir alle, die an einer stabilen Demokratie und an einem stabilen Europa Interesse haben, gemeinsam daran mitwirken. Alle, denen es um die Demokratie in Deutschland und in Europa geht, sind dazu eingeladen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)