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Alexander Radwan: Das Chaos, das sich heute in Großbritannien zeigt, darf sich nicht auf den europäischen Finanzmarkt übertragen

Rede zum Brexit-Steuerbegleitgesetz

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren die Auswirkungen des Brexits. Ich konzen­triere mich auf die Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die den Bereich des Finanzausschusses tangieren. Im Juni 2016 – der Kollege Hauer hat es gesagt – war bereits das Referendum. Es hat dann gedauert, bis die entsprechenden Anträge gestellt wurden. Es sind seitdem über zweieinhalb Jahre vergangen.

Frau Stark-Watzinger, Sie haben die Bundesregierung wegen ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage des Kollegen Graf Lambsdorff gerügt. Ich schätze Sie beide sehr. Allerdings kann ich in diesem Fall die Rüge nicht verstehen; denn es war richtig, meine Damen und Herren, dass man in dieser Situation des Ausscherens Großbritanniens nicht den Versuchungen nachgibt, bereits nach eineinhalb Jahren singulär vorzugehen, und jeder Mitgliedstaat dann den einen oder anderen Weg finden muss. Es war richtig, dass die Kommission für alle Mitgliedstaaten verhandelt. Nur so konnten wir unsere Position auch entsprechend einbringen und durchsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Chaos ist nicht auf europäischer oder deutscher Seite entstanden, sondern auf britischer Seite – darin ist sich ja die überwiegende Mehrheit hier im Haus einig –, und zwar durch Versprechungen, die gegeben wurden und letztendlich nicht gehalten wurden.

Meine Damen und Herren, das Chaos, das sich heute in Großbritannien zeigt, darf sich nicht auf den europäischen Finanzmarkt übertragen. Darum hat die EU dort gehandelt, wo sie Zuständigkeiten hat, zum Beispiel beim Clearing. Beim Clearing soll es entsprechende Übergangslösungen geben. Die Äquivalenz soll so lange hergestellt werden, bis Maßnahmen getroffen sind. Wir müssen uns nämlich vor Augen führen: Der größte Finanzplatz verlässt die Europäische Union, der Europäische Pass geht verloren. – Die Kritik, zu lange gewartet zu haben, möchte ich heute an die Marktteilnehmer richten. Das, was jetzt eingetreten ist, kam nicht überraschend. Es musste so nicht kommen. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass viele hochbezahlte Manager in den verschiedensten Industrien sich zurücklehnen und warten, was kommt. Sie sagen: Jetzt müsst ihr es regeln. – Das war ja auch ein Stück weit die Taktik der Briten nach dem Motto „Wir müssen nur genügend Druck aufbauen, dann werden die entsprechenden Nationalstaaten Zugeständnisse machen“.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Meine Damen und Herren, neben den wirtschaftlichen Themen, die wichtig sind, stehen der Fortbestand und die Einheit der Europäischen Union auf dem Spiel. Darum war es richtig, wie wir bisher vorgegangen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dort, wo wir national gehandelt haben oder die Möglichkeiten dazu haben, tun wir das jetzt. Der Kollege Hauer hat auf die Vertragskontinuität hingewiesen. Dort gibt es entsprechende Übergangsfristen. Wir müssen insbesondere auf die Altverträge schauen. Bei den Pfandbriefen müssen wir uns in der Anhörung mit der Frage beschäftigen, ob wir, was die Drittlandproblematik angeht, auch zukünftig bestimmte Möglichkeiten eröffnen. Das werden wir im konkreten Gesetzgebungsverfahren noch nachholen können.

Ich halte auch die Frist bis 2020 für richtig, gerade mit Blick auf das, was ich über die Marktteilnehmer gesagt habe, die sich sonst zurücklehnen. Wenn bestimmte Eventualitäten eintreten, die wir nicht absehen konnten, müssen wir natürlich auch darüber nachdenken, wie die nationalen Aufsichtsbehörden und die Europäische Zentralbank reagieren können.

Lassen Sie mich aber noch ein paar Worte zum zweiten Redebeitrag sagen. Herr Glaser, genauso wie der Fraktionsvorsitzende der AfD geben Sie ja gerne die Geschichtsonkel und erklären uns hier immer die Daten. Wir haben bereits im Geschichtsunterricht gelernt: Es geht nicht nur darum, Daten auswendig zu lernen, sondern auch darum, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Ausgerechnet am heutigen Tag, wo wir eine Gedenkstunde zu den Opfern des Nationalsozialismus hatten, der Nationalstaatlichkeit in Europa nach wie vor das Wort zu reden und sie zum Ziel zu haben, zeigt eindeutig: Sie haben aus der Geschichte nichts gelernt. Daher werden wir diese Politik mit allen Maßnahmen bekämpfen.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)