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Alexander Dobrindt: Neue Chancen für Deutschland

Rede in der Generaldebatte Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt zum Einzelplan 04

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Debatte wird eines sehr klar: Es gibt sehr unterschiedliche Ideen und Vorstellungen darüber, wie man sich aus einer Krise herausarbeiten kann. Manche reden darüber, dass man noch mehr Schulden und höhere Steuern braucht und dass man vielleicht sogar Betriebe verstaatlichen muss. Lassen Sie sich aber eines sagen: Schulden sind kein Selbstzweck. Wir wollen die Schulden nicht um der Schulden willen, sondern wir wollen Schulden und Kredite, weil wir Chancen für dieses Land schaffen, neue Jobs sichern, Innovationen vorantreiben wollen. Deswegen lautet die Überschrift über diesem Haushalt: Neue Chancen für Deutschland. – Das ist der Grund, warum wir diese Kredite aufnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt Hinweise darauf, dass vielleicht der eine oder andere da noch einen dritten Weg sieht. Lassen Sie sich an dieser Stelle sagen: Wer meint, er könne in einer solchen Situation Deutschland noch weitere Krisen an den Hals wünschen, wer meint, es sei besser für Deutschland, wenn es diesem Land schlechter geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, der

(Beatrix von Storch [AfD]: Fliegt raus!)

ist keine Alternative für das Land, der ist Abgrund für Deutschland, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit, die hinter solchen Gedanken steht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen hier über Jobs, über Innovationen reden. Wir wollen hier darüber reden, wie wir die Menschen in diesem Land besser aus der Krise herausbringen können, als sie hineingegangen sind. Wir wollen darüber reden, wie wir Chancen für – ja – gute Arbeit und Wachstum schaffen. Dazu gehört, dass wir das Kurzarbeitergeld verlängert und damit Millionen Arbeitsplätze gesichert haben, Unternehmen und Arbeitnehmer durch die schwierige Zeit bringen.

Ja, zur Wahrheit gehört auch dazu, dass es zurzeit nicht nur krisenbedingte Prozesse auf dem Arbeitsmarkt gibt, sondern auch Transformationen. Meine Damen und Herren, eine der Branchen mit den größten Transformationsprozessen ist zurzeit die Automobilindustrie. Die Automobilindustrie ist eine Schlüsselindustrie, und deswegen müssen wir uns in dieser Phase auch um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Industrie besonders kümmern.

Rolf Mützenich hat vorhin gesagt, Sozialdemokraten kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Aber dann, liebe SPD, dann kämpfen wir auch gemeinsam um jeden Arbeitsplatz in der Automobilindustrie. Dann müssen wir uns auch dafür einsetzen, dass diejenigen, die heute im Bereich der Verbrennungstechnologien arbeiten, weiterhin eine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Dann muss es auch möglich sein, wenn 700 000 Fahrzeuge dieses Jahr nicht gebaut werden, darüber zu reden, was wir tun können, um die Arbeitsplätze zu sichern, die in Gefahr sind, wenn die Fahrzeuge nicht gebaut werden. Dann lasst uns doch bitte auch darüber reden, wie wir mit einer Prämie dafür sorgen können, dass mehr Fahrzeuge auf den Markt kommen, dass die Lieferketten funktionieren und die Zulieferer weiterhin Arbeit haben. Dann lasst uns darüber reden, wie wir mit einer Kaufprämie einen starken Impuls setzen können, damit die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie dauerhaft gesichert werden, liebe Freunde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Christian Lindner [FDP] – Zuruf von der AfD: Die wollen den Verbrennungsmotor abschaffen!)

– Vielen Dank, der Zuruf war vorauszusehen.

(Michael Theurer [FDP]: Wie wäre es mit Handeln?)

Es ist ganz interessant, dass einer der meistgenannten, wenn nicht überhaupt der meistgenannte Politiker in dieser Debatte Markus Söder ist, obwohl er gar nicht im Deutschen Bundestag ist. Aber ihn wird es freuen, nehme ich stark an.

(Michael Theurer [FDP]: Er könnte aber kommen! Jederzeit! Die Bank ist leer!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben sehr klar formuliert, dass diese Krise nicht als Ausrede genommen werden darf, um jetzt den Weg, den wir beim Klimaschutz eingeschlagen haben, auf den Prüfstand zu stellen. Die Krise darf nicht als Ausrede genutzt werden, um Klimaziele jetzt infrage zu stellen. Wenn wir unsere Klimaziele, die wir in Paris vereinbart haben, ernst nehmen, dann müssen wir auch darüber reden: Wie gehen wir mit den fossilen Kraftstoffen um? Wer 2050 Klimaneutralität erreichen will, der muss natürlich auch die fossilen Kraftstoffe auf der Strecke ersetzen. Deswegen reden wir über synthetische Kraftstoffe, auch über synthetische Kraftstoffe im Verbrenner.

(Christian Lindner [FDP]: Söder redet darüber nicht!)

Deswegen reden wir darüber, wie wir den Verbrenner besser machen können. Die Vorgabe „2035“ ist der genau der richtige Weg, um dafür zu sorgen, dass wir moderne Verbrenner ohne fossile Kraftstoffe, sondern mit synthetischen Kraftstoffen bekommen. Ich sage Ihnen, lieber Christian Lindner, das ist genau der Unterschied zwischen uns und den Grünen. Die Grünen führen einen ideologischen Kampf gegen das Automobil;

(Lachen des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

wir wollen das Automobil besser machen, mit synthetischen Kraftstoffen und anderen Antrieben, liebe Freunde.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Alice Weidel [AfD]: Das hat Söder nicht gesagt! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt ihr ja selber nicht! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Liebe Freunde“: Wir sind nicht auf dem Parteitag, wir sind im Parlament! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wenn er „Genossinnen und Genossen“ sagt, dann werde ich nachdenklich!)

– Also, Herr Hofreiter, es geht bei uns um Innovationen. Bei euch geht es um Ideologien.

Das darf uns übrigens nicht hindern, darüber zu reden: Wie gehen wir mit dem Wandel der Arbeit um? Manche sagen „Arbeit von morgen“. Es geht um die Arbeit in der Zukunft. Wir haben festgestellt, dass die Familien in unserem Land, dass die Bürgerinnen und Bürger Beruf und Familie deutlich enger miteinander verknüpfen wollen, als das vielleicht früher möglich war. Wenn man das erreichen will, dann braucht man dazu kein Recht auf Homeoffice.

(Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Doch!)

Das ist etwas, was immer noch in der Vertragshoheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern liegt.

(Beifall der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU])

Aber lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass diejenigen, die heute im Homeoffice arbeiten wollen, die mit ihren Arbeitgebern die Vereinbarungen dafür schaffen wollen, steuerlich bessergestellt werden. Lassen Sie uns eine Homeofficepauschale ins Steuerrecht aufnehmen, damit wir die Möglichkeiten besser gestalten können, Homeoffice zu nutzen.

Lassen Sie uns auch darüber reden – auch das ist eine Lehre aus Corona –, dass wir mehr Flexibilität in die Arbeitszeit hineinbekommen. Starre Arbeitszeiten sind nicht für eine moderne Gesellschaft geschaffen, sondern wir brauchen mehr Flexibilität, auch bei der Tagesarbeitszeit. Lasst uns die Wochenhöchstarbeitszeit vereinbaren und Flexibilität in die Tagesarbeitszeit bringen. Das wäre ein moderner Ansatz für eine Arbeit von morgen und eine Arbeit der Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lindner [FDP]: Da hat er mal recht! – Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Nein! Das ist Blödsinn! So ein Quatsch!)

Wenn es um Chancen geht, die aus der Krise herausführen, dann muss man erkennen, dass Krisen meistens auch Verlierer produzieren. Wir wollen nicht, dass diejenigen zu den Verlierern gehören, die zu den Schwächsten in dieser Gesellschaft zählen. Wir wollen nicht, dass die Familien und die Menschen mit kleinen Einkommen automatisch die sind, die nach einer Krise zu den Verlierern gehören. Genau das zeigt sich in diesem Haushaltsentwurf: Wir erhöhen das Kindergeld im nächsten Jahr, und die Familien erhalten 300 Euro Kinderbonus.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Pro Kind!)

Mit dem Grundfreibetrag schaffen wir für die Steuerzahler mehr Netto vom Brutto: mit 1 000 Euro im Jahr.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir brauchen mehr Brutto! Das ist der Punkt!)

Wir werden den Soli abschaffen, ja, für 90 Prozent der Steuerzahler. Wir haben mit dem Baukindergeld Tausenden und Abertausenden von Familien die Chance auf die eigenen vier Wände gegeben.

Wir stellen die Familien und die kleinen Einkommen weiterhin in den Mittelpunkt unserer Politik. Ich bin froh und dankbar, dass es gelungen ist, ein klares Signal an die Alleinerziehenden in unserer Gesellschaft zu senden. Wir haben den Freibetrag für Alleinerziehende auf 4 000 Euro verdoppelt, und ich bin froh und dankbar, dass die SPD nach anfänglichem Zögern bereit war, unserem Vorschlag zu folgen. Aber jetzt muss der zweite Schritt kommen: Nicht befristet auf 2021, wir wollen, dass die Alleinerziehenden dauerhaft bessergestellt werden im Steuerrecht in diesem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Zum Klima

(Zuruf von der FDP: Nichts zum Soli?)

und zu den Anstrengungen im Bereich der Bekämpfung der Klimakrise gehört auch, dass wir uns mit den ethischen Fragen der Wirtschaft auseinandersetzen. Die Globalisierung hat Fehler. Globalisierung hat in der Vergangenheit auch zu der einen oder anderen falschen Entwicklung geführt. Wir wollen das korrigieren. Dazu gehört das klare Bekenntnis zu einem Welthandel. Dazu gehört aber auch das klare Bekenntnis dazu, dass wir den Wettbewerb um den billigsten Preis nie werden gewinnen können. Wer meint, er könne den Wettbewerb um den billigsten Preis gewinnen, der wird ethisch am Schluss versagen. „Made in Germany“ war nie das Versprechen des billigsten Preises, „made in Germany“ war immer ein Versprechen der besten Qualität. Und zur besten Qualität gehört heute auch das Versprechen einer ethischen Produktion. Deswegen wollen wir, dass wir in diesem Bundestag gemeinsam ein Lieferkettengesetz verabschieden und dieses Lieferkettengesetz möglichst schnell umsetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer verhindert das denn bisher, Herr Dobrindt? Nur zu!)

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese mahnenden Worte gefunden haben.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aufruhr auf der Regierungsbank!)

Wir müssen die Gefahren benennen und erkennen. Sie haben gesagt, es kommt auch auf jeden Einzelnen an. Wir sind auf Ihrer Seite. Es kommt auf jeden Einzelnen an, wenn wir aus der Krise gut herauskommen wollen. Und es kommt vor allem auch auf die Politik an, deutlich zu machen, dass wir es bei aller Rhetorik und allen bestimmten Überlegungen bezüglich der krisenhaften Situation mit den Chancen ernst meinen.

Dieses Land braucht jetzt den klaren Hinweis auf die Chancen und den Weg aus der Krise. Die Menschen erwarten von uns, dass wir auch nach einer Krise ein stabiles und gutes und erfolgreiches Land sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)