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Torsten Schweiger: Die Energieeinsparverordnung sollte nicht weiter verschärft werden

Rede zur Entbürokratisierung des Wohnungsbaus

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit dem Antrag „Wohnungsbau entbürokratisieren – Kostenexplosion eindämmen“. Meine Vorredner sind bereits umfassend auf die Aktivitäten von Bund und Ländern eingegangen, um den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln. Die Kostentreiber und auch die Hemmnisse sind benannt worden.

Ich will daher den Blick auf die aktuelle Wohnungsbaupolitik richten und die offensichtlichen Fehlentwicklungen, die wir in der Vergangenheit gehabt haben, aus einer völlig anderen Perspektive darstellen, die sicherlich in dem vorliegenden Antrag – jedenfalls meiner Meinung nach – noch unzureichend zum Ausdruck kommt.

Während meiner 20-jährigen Tätigkeit als Bauamtsleiter in der Stadt Sangerhausen – das ist eine kleine Kreisstadt in Sachsen-Anhalt mit rund 30 000 Einwohnern – habe ich mich sozusagen täglich mit den Problemen des öffentlichen Baurechts auseinandergesetzt. Zum Beispiel sorgte insbesondere im Zusammenhang mit den Baugenehmigungen im Rahmen des § 34 Baugesetzbuch immer wieder die Auslegung für Probleme zwischen den Baugenehmigungsbehörden – das sind die Landkreise –, den Städten, die das planungsrechtliche Einvernehmen erteilen, und natürlich auch den Bauherren.

Die im Gesetzestext vorhandenen Formulierungen wie „Maß der baulichen Nutzung“ oder „Eigenart der näheren Umgebung“ bereiten immer wieder Probleme, die mühsam und zeitaufwendig geklärt werden müssen. Aber auch die Dreimonatsfrist, die für die Genehmigungsbehörde gilt, ist mitunter schwer zu rechtfertigen, zumal sie für ein Bauvorhaben von einigen Tausend Euro genauso gilt wie für ein Millionenprojekt. Auch daraus ergibt sich sicherlich die Notwendigkeit einer Diskussion über eine Überarbeitung des Baugesetzbuches.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gilt nun aber auch, zu schauen, ob sich beispielsweise objektivere Kriterien für die Genehmigung nach § 34 finden lassen.

Ein weiteres Hemmnis für die zügige Umsetzung von Bauprojekten insbesondere dann, wenn es sich nicht nur um ein einzelnes Haus handelt, das Bauvorhaben größerer Art ist oder beispielsweise im Außenbereich liegt, sind die zeitraubenden Bebauungsplanverfahren, die in der Regel mindestens ein Jahr dauern, und das ist schon optimistisch.

Die Beteiligung (an der Bauleitplanung) einer Unmenge von Trägern öffentlicher Belange, der sogenannten TöBs, ist immens zeitaufwendig und problematisch. Dass es zum Beispiel notwendig ist, die Wehrbereichsverwaltung in einer Kleinstadt zu beteiligen, um herauszufinden, ob nicht gerade an diesem Standort der Planung irgendwann zukünftig eine neue militärische Anlage gebaut werden soll, zeigt, dass wir hier unbedingt stärker differenzieren müssen, wenn wir bei den Genehmigungen an Geschwindigkeit gewinnen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch hier greift der Antrag der FDP meiner Meinung nach etwas zu kurz.

Seit aber die Umweltverbände vom Gesetzgeber durch das Verbandsklagerecht privilegiert wurden, nimmt die Zahl der Klagen ständig zu, so auch in den vergangenen Jahren in meinem Verantwortungsbereich als Bauamtsleiter. Klagen sind – das wissen wir alle – über mehrere Instanzen sehr verzögernd, und letztendlich geben viele Investoren auf, weil die Finanzierung zusammenbricht und das Projekt nicht mehr umsetzbar ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meiner Erfahrung nach geraten Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte, aber auch für notwendigen Wohnungsbau oftmals so in eine Schieflage. Das Verbandsklagerecht wird zunehmend als Blockadeinstrument benutzt und somit zweckentfremdet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Investoren wird damit meiner Meinung nach ein oft überdurchschnittliches Maß und Risiko aufgebürdet. Auch hier gilt es, zügig Abhilfe zu schaffen, damit die Wichtung der Interessenlage ausgeglichener erfolgt, um Kosten zu sparen und den Planungshorizont überschaubar zu halten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Einen weiteren zentralen Aspekt möchte ich deutlich hervorheben. Unser Wohnungsmarkt ist schon seit vielen Jahren ein Stück weit aus dem Gleichgewicht geraten. Die Diskrepanz zwischen Nachfrageengpässen in den Ballungsräumen und Angebotsüberhang im ländlichen Raum wird immer größer. Insofern ist das jetzt notwendige Wohnungsbauprogramm unabweisbar, ganz deutlich. Aber für eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land, wie es auch der Koalitionsvertrag vorsieht, ist es eigentlich nicht zuträglich. Ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, dass in meinem Wahlkreis im Süden Sachsen-Anhalts viel Geld in die Hand genommen wurde, um durch Abwanderung leer stehende Gebäude abzureißen. Wir mussten Wohnraum vernichten, um wenigstens die Mieten stabil halten zu können und für Investoren überhaupt eine Refinanzierung zu sichern. In den Wachstumszentren und Ballungsräumen hingegen muss der Wohnungsbau massiv vorangetrieben werden, oft mit Milliardenaufwand.

Wir doktern seit Jahren an den Symptomen eines problematischen Wohnungsmarktes herum.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich bin überzeugt, dass die Ursache der Fehlentwicklung auch in der teilweisen Vernachlässigung der ländlichen Räume besteht. Wir haben bisher einfach zu wenig getan, um gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land sowie in einzelnen ländlichen Räumen zu schaffen. Es gelingt nicht ausreichend, den Menschen, insbesondere den jungen Menschen, eine attraktive soziale und technische Infrastruktur zu bieten, die den Abwanderungsprozessen entgegenwirkt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Daher bin ich ausgesprochen froh darüber, dass der Koalitionsvertrag die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land zum Ziel hat.

(Sören Bartol [SPD]: Sehr gut!)

Lassen Sie mich über einen weiteren Punkt des FDP-Antrags reden, der Unterstützung verdient. Die Energieeinsparverordnung sollte nicht weiter verschärft werden, nicht einmal ansatzweise.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Damit neue und sanierte Wohngebäude besonders energieeffizient sind, hat der Gesetzgeber 2006 die bereits bestehenden Richtlinien verschärft und die Anforderungen an den zulässigen Primärenergiebedarf erhöht. Für Bauherren und Eigentümer bedeutet dies enorme Mehrkosten. Somit unterstütze ich die im Antrag der FDP formulierte Forderung nach einem Verzicht auf weitere Verschärfungen der Energieeinsparverordnung.

Ein weiterer Punkt ist ebenfalls diskussionswürdig: die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung. Ursprünglich sollten Familien von diesem lukrativen Steuermodell profitieren, einem steuerlichen Anreiz, um den Traum vom privaten Eigenheim zu realisieren. Als ersichtlich wurde, dass weniger Familien, sondern mehr Wohnungsbaugesellschaften Nutznießer waren, hat man die degressive steuerliche Abschreibung 2006 wieder abgeschafft, mit der fatalen Folge, dass auf dem deutschen Immobilienmarkt ein drastischer Rückgang zu verzeichnen ist. Die Folgen sind bis heute spürbar. Um den privaten Wohnungsbau wieder anzukurbeln, sollte deshalb die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung zumindest in Erwägung gezogen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich komme zu meinem letzten Punkt, zu der Grunderwerbsteuer und der Grundsteuer. Die Prüfung eines Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, ist ein vernünftiger Ansatz, ganz deutlich. Allerdings wird man die Auswirkungen in den Ländern genau im Blick haben müssen. Dazu erwarte ich eine rege Erörterung in den Ausschüssen. Ein korrespondierender Punkt wird die Diskussion über die Neugestaltung der Grundsteuer sein. Praktikabilität und dadurch schnelle Umsetzung sind hier das Gebot der Stunde bei dieser wichtigen Einnahmequelle unserer Kommunen. Als Bemessungsgrundlage sollten bereits verfügbare Daten wie die Bodenrichtwerte dienen. Jeglicher bürokratischer Aufwand zulasten der Behörden und der Steuerpflichtigen muss vermieden werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Forderung, dass die Reform aufkommensneutral sein soll, ist berechtigt, auch wenn mir hier momentan die Fantasie fehlt, mir vorzustellen, wie das gehen soll.

Wenn wir in Zukunft Wohnungsbaupolitik in Deutschland erfolgreicher und mit größerer gesellschaftlicher Akzeptanz betreiben wollen, müssen wir die Ursachen der Fehlentwicklung im ländlichen Raum beherzt angehen. Der heute vorliegende FDP-Antrag ist dafür eine erste Basis, greift aber nicht weit genug. Ich freue mich daher auf die Beratungen in den Ausschüssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)