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Philipp Amthor: Bei dem Gesetzentwurf fragt man sich ja: Braucht man das?

Rede zur Stärkung des Klimaschutzes (Änd. GG, Artikel 20a, 74, 143h)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Ihrer Rede, Herr Hofreiter, wende ich mich jetzt erst einmal dem Inhalt Ihres Gesetzentwurfes zu; dazu haben Sie nämlich nicht so viel gesagt. Sie haben hier heute eine große Predigt für den Klimaschutz gehalten. Das ist ja schön und gut. Aber Sie haben einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes eingebracht. Damit möchte ich mich etwas näher auseinandersetzen. Denn ich finde: So emotional die Debatte sicherlich noch wird, sollten wir uns mit Blick auf Ihren Gesetzentwurf fragen: Worüber sollten wir hier eigentlich streiten und worüber nicht?

Für uns ist völlig klar: Wir brauchen nicht darüber zu streiten, dass Klimaschutz eine wichtige staatliche Aufgabe ist, und wir brauchen auch nicht darüber zu streiten, dass er eine wichtige Bedeutung für die Gesellschaft hat. Aber wir sollten über den Inhalt Ihres Gesetzentwurfes streiten; das ist nämlich eine verfassungspolitische Fragestellung.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Immer wenn man das Grundgesetz ändern will, sollte man sich vielleicht die Frage stellen: Braucht man das, und was bringt das? Ich greife gleich vorweg – Sie haben zum Inhalt Ihres Gesetzentwurfes ja nichts gesagt –: Damit wir über die Änderungen des Grundgesetzes reden können, möchte ich für die Kollegen noch einmal zusammentragen, was genau Sie wollen.

Sie wollen vier Dinge: Sie wollen erstens die Staatszielbestimmung in Artikel 20a des Grundgesetzes konkretisieren – mit Klimaschutz – und wollen völkerrechtlichen Verträgen eine neue Verbindlichkeit geben.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Idee!)

Sie wollen zweitens die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich Klimaschutz ausweiten.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Sie wollen drittens den Verbrauchsteuerbegriff in Artikel 106 Grundgesetz verändern, weil Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer irgendwie nicht so richtig akzeptiert haben. Und Sie wollen sich viertens dann noch ein schönes Denkmal setzen, indem Sie ins Grundgesetz schreiben: Ja, die Erzeugung von Kernenergie ist verboten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Das ist schön. Ich finde es gut, dass ich noch dazu beitragen konnte, dass Sie wissen, was in Ihrem Gesetzentwurf steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei dem Gesetzentwurf fragt man sich ja: Braucht man das? Was bringen Ihre Vorschläge? Ich sage Ihnen eines: Ihre Vorschläge bringen nichts. Ihre Vorschläge bringen in der Umsetzung null Verbrauch von CO 2 weniger. Das, was Sie uns hier vorlegen, ist eigentlich nur ein von reiner Ideologie geprägter Schaufensterantrag. Ich sage Ihnen, für Ihre Ideologie ist uns unser Grundgesetz zu schade, liebe Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Herr Amthor! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Beifall von rechts außen!)

Dass das reine Symbolpolitik ist, kann man ziemlich klar erklären, wenn man sich mal rechtsdogmatisch damit auseinandersetzt.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Amthor – –

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ja?

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ja, gerne.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verlängert aber seine Redezeit!)

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Kollege Amthor, ist Ihnen bekannt, dass der bayerische Ministerpräsident, an dessen Seite Sie ja sicher im Wahlkampf stehen, heute verkündet hat, dass er den Klimaschutz in die bayerische Verfassung aufnehmen will? Unterstützen Sie sein Anliegen?

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ja.

Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Unterstützen Sie heute unseren Gesetzentwurf? Das wäre ja die Linie Ihres Ministerpräsidenten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ich finde es sehr gut, dass Sie Markus Söder ansprechen; er ist in der Tat ein sehr kluger Kollege.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Klüger als Sie!)

Er hat sich im Gegensatz zu Ihnen mit der bayerischen Landesverfassung auseinandergesetzt. Die bayerische Landesverfassung ist etwas anderes als das Grundgesetz. Die Aufnahme der Staatszielbestimmung Klima und Umwelt in die Landesverfassung ist nicht so umfangreich wie die ins Grundgesetz. Deswegen ist es eine kluge Sache, dass Markus Söder das vorschlägt. Aber Markus Söder ist Jurist, er kennt das Grundgesetz und die bayerische Landesverfassung – Sie scheinbar nichts von beidem.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hochmut kommt vor dem Fall! – Zuruf des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])

Deswegen will ich Ihnen das auch noch mal erklären.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das brauchen Sie uns nicht zu erklären!)

Herr Hofreiter, Sie haben gesagt, wir müssen den Klimaschutz ins Grundgesetz aufnehmen. – Der steht da längst drin, und das seit vielen Jahren. Das steht sogar in Ihrem eigenen Gesetzentwurf. Wir haben mit Artikel 20a des Grundgesetzes als Staatszielbestimmung Nachhaltigkeit und Schutz der natürlichen Ressourcen. All das wird jetzt schon durch das Grundgesetz geschützt, steht selbst in Ihrem eigenen Gesetzentwurf.

Die Neuerung ist nicht, den Klimaschutz aufzunehmen – der steht schon drin; das folgt auch aus den Grundrechten; hätte man einfach mal zur Kenntnis nehmen können –, der entscheidende Punkt, den Sie jetzt wollen, ist, das Pariser Klimaabkommen oder völkerrechtliche Verträge zum Klimaschutz auf eine verfassungsrechtliche Ebene zu heben.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)

Das klingt ja sehr schlau.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist richtig!)

Aber wissen Sie, was das Gute ist? Die gelten auch heute schon. Denn natürlich haben wir durch das Ratifikationsgesetz zum Pariser Klimaabkommen schon heute eine vollständige Übernahme in unser Rechtssystem, und wir haben gleichzeitig, weil die Europäische Union dem Klimaabkommen beigetreten ist, sozusagen eine doppelte Bindung über das Europarecht.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Dann müssen sich die Bayern doch auch daran halten, oder nicht?)

Ich kann Ihnen sagen, das bringt von der Sache her gar nichts, das ist eine völlig überflüssige Klarstellung. Sie wollen sich hier nur im Grundgesetz verewigen. Das bringt in der Sache niemanden voran, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts! Dann verstehen Sie es auch, Herr Kollege!)

Ich sage Ihnen noch eines: Das Völkerrecht ist die richtige Ebene, um das Thema Klimawandel anzugehen. Sie sind doch selbst immer so weltoffen. Dann sehen Sie vielleicht, dass man ein Phänomen wie den Klimawandel nicht isoliert auf nationaler Ebene lösen kann, sondern die richtige Ebene dafür sind völkerrechtliche Konventionen. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Sie dort machen wollen, passt überhaupt nicht in das System des Völkerrechts und des Grundgesetzes. Denn warum sollen Klimaabkommen einen verfassungsrechtlichen Rang haben und alle anderen Abkommen wie beispielsweise die Genfer Flüchtlingskonvention, die Ihnen sonst so wichtig ist, dann normhierarchisch darunter stehen?

(Kersten Steinke [DIE LINKE]: Ist Ihnen die nicht wichtig, oder was?)

Das macht überhaupt keinen Sinn. Sie hätten sich damit vorher mal beschäftigen können. Das ist reine Symbolpolitik. Sie wollen diese Debatte heute führen, damit Sie ein kleines Schmankerl für Ihre grüne Parteibasis haben. Das sei Ihnen gegönnt. Schlau ist die Debatte nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will das, vielleicht jenseits des Staatsziels, noch mal an anderen Stellen deutlich machen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tierschutz! Tierwohl!)

Sie wollen ein Verbot der Kernenergie in der Verfassung regeln.

(Beifall der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Noch mal: Die Verfassung ist keine Pinnwand für Ihre ideologischen Ideen!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir brauchen das nicht. Wir haben es auch so geschafft, den Ausstieg aus der Kernenergie zu beschließen. Hier mit einer Übergangsregelung in den Verfassungstext einzugreifen, da kann ich Ihnen nur sagen: Haben Sie ein bisschen mehr Respekt vor der Verfassung! Das würde Ihnen guttun! Die Verfassung taugt nicht für Symboldebatten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das geht im Prinzip immer so weiter. Bei der Verbrauchsteuer ist das ja genauso ein Thema. Wenn Sie sich mal näher damit beschäftigt haben,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir! Seien Sie versichert!)

wie es mit der Besteuerung von CO 2 aussieht, dann hätten Sie vielleicht auch zur Kenntnis genommen, dass Sie dafür keine Grundgesetzänderung brauchen. Ich habe den Eindruck, Sie schlagen das einfach noch mal vor, um solche tollen Thesen aufzustellen wie etwa, dass man den Verbrauch von Luft besteuern muss. Das ist nämlich Ihre Lebensrealität. Wir sind für Klimaschutz, aber mit den Menschen; das ist der Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kersten Steinke [DIE LINKE]: Das ist albern!)

Ich will Ihnen zum Abschluss noch mal sagen: Ihre Änderungsvorschläge greifen in die Verfassung ein, ohne dass sie für den Klimaschutz einen konkreten Mehrwert bringen. Sie führen nicht zu einer Reduzierung der CO 2 -Emissionen. Und Sie wecken Erwartungen bei der Bevölkerung, die Sie gar nicht einhalten können. „Wir schreiben Klimaschutz in die Verfassung und dann wird alles gut“, das können Sie nicht einlösen. Das ist nur Schaufensterpolitik.

(Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie hätten etwas Konkretes beitragen können, wenn Sie kreative Vorschläge gemacht hätten, wenn Sie Vorschläge auf einfachgesetzlicher Basis machen und sagen würden: So wollen wir Verfassungsschutz konkret.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir alles gemacht!)

Das Grundgesetz ist jedenfalls nicht das Parteiprogramm von Bündnis 90/Die Grünen. Das soll auch so bleiben. Wir wollen Fakten, wir wollen Haltung in der Verfassung, aber nicht Ihre grüne Ideologie. Wir können Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])