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Paul Lehrieder: Deutschlandtourismus wird nicht immer als Pauschaltourismus gebucht

Redebeitrag zur Reisewirtschaft

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir diskutieren heute den Antrag der AfD „Mit Deutschlandurlaub aus der Krise“. Ich habe vor wenigen Tagen hier am Rednerpult gestanden und habe aus einem Presseartikel zitiert: Buchungszahlen nehmen wieder zu. – Ich habe dann ziemlich heftig und ziemlich deutlich aus der Branche vernommen, dass nicht in jedem Reisebüro die Buchungszahlen zunehmen, sondern allenfalls quasi der Deutschlandtourismus zunimmt, der aber nicht bei jedem Reisebüro zu steigendem Umsatz führt.

Ich bin sehr dankbar, dass mich sehr viele Reisebüros daraufhin kontaktiert haben und den Lehrieder aufgeklärt und gesagt haben: Jawohl, lieber Lehrieder, bei uns nimmt noch gar nichts zu; bei uns ist die Situation desaströs, nach wie vor grottenschlecht. – Ich war auch bei vielen Reisebüros in den letzten Tagen und habe mich da noch weiter informiert. Deshalb auch ein Dankeschön. Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität. Ich habe sehr viel dazugelernt, und ich weiß auch, dass der Deutschlandtourismus nicht immer als Pauschaltourismus gebucht wird, sondern dass viele mit dem eigenen Auto zur Destination fahren und dort nur das Hotel buchen. Dann geht das, wie schon gesagt, komplett am Reisebüro vorbei. Das heißt: Für die Reisebranche bringt der Antrag, so gut er gemeint ist, nicht viel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Abg. Sebastian Münzenmaier [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Der Herr Münzenmaier möchte eine Frage stellen, Herr Präsident.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Münzenmaier, wenn es Sie drängt und der Herr Lehrieder das zulässt, –

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Ja, selbstverständlich.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

– dann müssen Sie eine Frage stellen.

 

Sebastian Münzenmaier (AfD):

Herr Lehrieder, ich bedanke mich ganz herzlich für diese kollegiale Art, die Frage zuzulassen. Vielen Dank, auch an Sie, Herr Präsident. – Sie haben es eben wunderbar richtig angesprochen, und ich gebe Ihnen absolut recht: Wir wollen ja nicht, dass alle Menschen sagen: Okay, ich kann nur noch in Deutschland Urlaub machen. – Denn wir haben ja zwei Anträge gestellt. Beim zweiten Antrag geht es um genau das, was die Reisebüros Ihnen berichtet haben.

Sie haben gesagt, Sie sind lernfähig; das finde ich super. Vielleicht trägt diese Bundestagsdebatte auch noch dazu bei. Denn wir haben ja eben gehört, die Reisebüros wollen Reisen ins Ausland verkaufen, zum Beispiel nach Ägypten, was ich eben angeführt habe. Jetzt wäre es doch eine gute Idee, wenn Sie dann unserem zweiten Antrag zustimmen und sagen: Jawohl, dann heben wir zumindest die pauschale Reisewarnung auf und ersetzen sie durch differenzierte Reisehinweise. – Denn dann können die von Ihnen genannten Reisebüros endlich wieder uns allen auch Reisen beispielsweise nach Ägypten verkaufen. Was halten Sie davon, Herr Lehrieder?

Danke schön.

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Danke für die Frage, Herr Kollege. – Ich nehme jetzt mal Ihren zweiten Antrag, wenn Sie schon sagen, dass ich von Ihnen lernen muss. Ich will ja versuchen, von Ihnen etwas zu lernen, aber es fällt mir Gott verdammt schwer. Da schreiben Sie in Ihrem zweiten Antrag in der Begründung – das ist der dritte Satz –: „China, zum Beginn der Krise das am stärksten betroffene Land, ist heute weitestgehend beruhigt.“ Ich weiß nicht, wann Sie diesen Antrag geschrieben haben. Er muss ziemlich aktuell sein, aber Sie haben die zweite Welle in Peking noch gar nicht mitbekommen.

Darüber hinaus schreiben Sie: „Länder wie Süd-Korea und Taiwan haben durch geschickte frühzeitige Maßnahmen …“, „Neuseeland hingegen konnte sich bereits coronafrei melden“. Wir wissen sehr wohl: Bei uns entscheiden mündige Bürger, wo sie hinreisen. Sehr viele Menschen gehen ins Reisebüro und sagen: Ich traue mich momentan nicht, nach Südamerika oder nach Neuseeland oder sogar nach Ägypten oder Tunesien zu reisen, weil ich nicht weiß, wie die Situation dort vor Ort ist. Ist die Hygienesituation vergleichbar mit der in Deutschland? Sind die Abstandsregeln dieselben wie in Deutschland? Was passiert, wenn ich in ein bestimmtes Land reise? Die Reisebüros sind hier sehr wichtig, weil sie die Kunden über die Situation in den Destinationen aufklären.

Aber die pauschale Forderung, alle Reisewarnungen aufzuheben, teile ich nicht. Ich bin sehr dankbar, dass der Außenminister differenzierte Reisehinweise anstelle von pauschalen Reisewarnungen angekündigt hat.

Wir werden die Menschen nur dann mit gutem Gewissen in die verschiedenen Regionen der Welt reisen sehen, wenn wir Vertrauen in die Destinationen und in die Fluggesellschaften haben. Das gilt auch für die Frage: Wie komme ich zurück? Wir werden die Menschen aufklären müssen. Wir müssen ihnen sagen: Du bist bei einer Pauschalreise abgesichert; du wirst zurückgeholt, wenn was passiert.

Und noch etwas: Es ist bereits heute niemandem verwehrt, in jeden Winkel der Welt zu reisen.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

So.

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Nein, ich bin noch nicht fertig, Herr Präsident.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Es geht aber um die Frage, ob die Krankenversicherung die Kosten übernimmt, wenn man in einem Land krank wird, für das eine Reisewarnung gilt.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Also, jetzt ist es wirklich gut. Jetzt ist die Frage beantwortet. Jeder hat jetzt verstanden, dass Sie auf die Frage „Was halten Sie davon?“ sagen: Nix!

(Heiterkeit)

Das ist jetzt ausdrücklich klar geworden. Wirklich, das geht so nicht. – Bitte schön.

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Aber, Herr Präsident, vielleicht hat er etwas von mir gelernt, wenn ich schon nichts von ihm lernen kann.

Meine Damen und Herren, was braucht die Branche? Wir haben in den letzten Wochen sehr viel über das Thema Provisionen diskutiert. Im Eckpunktepapier des Wirtschaftsministeriums vom 12. Juni stand etwas von der Erstattung bereits gezahlter Provisionen. Die Branche braucht aber auch Hilfe bei Provisionen, die erst jetzt im Sommer fällig werden; Frau Kollegin Hiller-Ohm hat bereits darauf hingewiesen. Derzeit arbeitet das Wirtschaftsministerium mit den Bundesländern massiv an der digitalen Umstellung des Antragsverfahrens, wonach Hilfen nicht nur bei bereits gezahlten Provisionen, sondern auch für jetzt im Sommer anfallende Provisionen gewährt werden. In dem Papier steht zum Beispiel:

Das Ausbleiben einer Provision für das Reisebüro wegen einer Corona-bedingten Stornierung einer Pauschalreise aufgrund der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bzw. innerdeutschen Reiseverboten wird einer Rückzahlung der Provision … gleichgestellt.

Das ist ein Wunsch der Branche, und wir überlegen uns: Was können wir für die Branche tun?

Darüber hinaus – auch darauf hat die Kollegin Hiller-Ohm hingewiesen – ist in den momentan geltenden Vereinbarungen enthalten, dass bei Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten die Erstattung 3 000 Euro beträgt. Aber es gibt auch eine Härtefallregelung. Die maximalen Erstattungsbeträge können in begründeten Ausnahmefällen überschritten werden: bis zu 50 000 Euro für das Reisebüro, für den Reiseveranstalter. Die Reiseveranstalter selber sagen: Ich bekomme keine Provision, weil ich meine Reisen zum Teil direkt vermarkte. – Für diesen Fall haben wir folgende Formulierung vorgesehen:

... diesen Provisionen vergleichbare Margen kleinerer, ihre Dienstleistungen direkt und nicht über Reisebüros anbietender Reiseveranstalter mit bis zu 249 Beschäftigten, die Corona-bedingt nicht realisiert werden konnten, sind Fixkosten nach Nr. 1 bis 12 gleichgestellt.

Das heißt, wir helfen den Reisebüros, den Reiseveranstaltern mit nicht zurückzuzahlenden Direktzuschüssen. So verbessern wir ein Stück weit die Situation der Branche. Das ist besser, als den Menschen vorzuschreiben, sie müssen in Deutschland Urlaub machen.

Wir machen gerne in Deutschland Urlaub. Ich komme aus der schönsten Gegend Deutschlands, aus der bayerischen Toskana, aus Unterfranken.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na ja, die einen sagen so, die anderen sagen so! Im Rheinland ist es am schönsten!)

Ich lade Sie fast alle herzlich ein, nach Würzburg zu kommen und dort gemütlich einen Schoppen zu trinken.

Gleichwohl verkennen wir nicht, dass sehr viele Menschen sich auf ihre Reise nach Sri Lanka, Neuseeland, Ägypten, Tunesien oder sonst irgendwohin freuen und dass wir auch das ermöglichen müssen. Daran arbeiten wir in dieser Großen Koalition.

Herr Staatssekretär Wanderwitz, ich bitte, das ins Ministerium mitzunehmen. Das Programm sollte bereits heute, am 1. Juli, in Kraft treten, durch die Digitalisierung wird es aber noch ein paar Tage dauern. Ich rechne damit, dass es bis zum 8. Juli freigeschaltet ist, sodass man die Zuschüsse digital beantragen kann. Das wollen die Menschen draußen hören.

(Marianne Schieder [SPD]: Der redet so schnell! Ich komme nicht mit!)

Und eine Bitte: Vielleicht können Sie über die Kommunikationsabteilung des Wirtschaftsministeriums rechtzeitig eine Presseerklärung herausgeben, damit die Reisebüros, die Reiseveranstalter über die Aktivitäten und über die Problemlösungskompetenz des Wirtschaftsministeriums

allzeit informiert sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)