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Michael Donth: Ein uneingeschränkt kostenloser ÖPNV is nicht finanzierbar

Rede in der aktuellen Stunde zum kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Luksic, als ich Sie gerade gehört habe, habe ich mich gefragt, warum Sie eine Aktuelle Stunde zum kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr beantragt haben, wenn Sie doch eigentlich über das Vertragsverletzungsverfahren sprechen wollen. Warum haben Sie dann keine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt?

(Oliver Luksic [FDP]: Im Zusammenhang!)

Das ist der erste Punkt, der mir auffiel. Ich will mich auf den öffentlichen Nahverkehr konzentrieren, den Sie in Bausch und Bogen weggewischt haben. Das sehe ich im Grunde genommen, wenn man es pauschal betrachtet, genauso. Dann wundert es mich aber – das ist mein zweiter Punkt –, dass gerade die FDP in Berlin die Einzigen sind, die sich hier in der Stadt dafür einsetzen. Auch in Osnabrück ist es, glaube ich, die FDP, die so etwas fordert. Aber das ist Ihr Problem.

Lassen Sie uns zum Thema kommen, so wie es beantragt wurde. Ein Freifahrtschein für alle und immer, das klingt durchaus nach Schlaraffenland. Deshalb sollte es auch keinen verwundern, dass es nichts anderes ist als eine Utopie. In der Realität kann ein uneingeschränkt kostenloser ÖPNV nicht finanziert werden und ist auch nicht beabsichtigt. Der Verband kommunaler Unternehmen rechnet hoch: 13 Milliarden Euro Minimum müssten wir jedes Jahr dafür einsetzen.

Ich glaube, wichtig ist, dass wir, nachdem sich die Wogen geglättet haben und sich der Nebel gelegt hat, die Diskussion über verschiedene Möglichkeiten, wie wir die Schadstoffbelastung in unseren Städten reduzieren können, nun besonnen führen können.

In ihrem Brief an die EU-Kommission hat die Bundesregierung am 11. Februar dieses Jahres in den Katalog der Möglichkeiten, die zusammen mit den Ländern und Kommunen diskutiert oder auch schon umgesetzt werden, zusätzliche Werkzeuge für den Instrumentenkasten eingebracht. Dazu gehört auch die Frage, wie man möglichst viele Autofahrer dazu animieren kann, auf den ÖPNV umzusteigen, um die Abgasbelastung aus dem Individualverkehr zu reduzieren.

Dass ein generell kostenloser ÖPNV nicht finanzierbar ist und womöglich sogar zu unerwünschten Effekten führt, haben Versuche gezeigt, die schon in einigen Städten durchgeführt wurden. Im brandenburgischen Templin zum Beispiel konnte man das Projekt nach fünf Jahren nicht mehr finanzieren und musste es beenden.

(Zurufe von der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In der estnischen Hauptstadt Tallinn hat der kostenlose ÖPNV zum Beispiel dazu geführt, dass plötzlich vermehrt Fußgänger und Radfahrer in die Busse eingestiegen sind und das System an den Rand des Zusammenbruchs brachten. Auch das ist widersinnig; denn wir wollen ja nicht nur das Bus- und Bahnfahren, sondern auch das Radfahren fördern.

(Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])

Ein kostenloser ÖPNV an bestimmten einzelnen Tagen mit hoher Schadstoffbelastung könnte aber eine Variante sein, die vielleicht die eine oder andere Stadt umsetzen möchte. Ich glaube, das ist ein wichtiger Baustein, der zur Schadstoffreduktion führt. Das können wir auch in der Hauptstadt meines Bundeslandes, in Stuttgart, sehen, wo in den letzten Jahren verbilligte Tickets angeboten wurden und die Werte kontinuierlich zurückgehen. Wenn die Maßnahmen aus dem Sofortprogramm Saubere Luft noch hinzukommen, werden die Werte sich sicherlich noch weiter verbessern.

Ich finde es richtig, dass wir den Kommunen mehrere unterschiedliche Maßnahmen zum Testen an die Hand geben, um die Luft in den Innenstädten zu verbessern, ohne dass Fahrverbote ausgesprochen werden müssen. Wir setzen lieber auf eine Politik, die gute Ideen in den Kommunen fördert und an die Vernunft der Bevölkerung appelliert, als die Menschen mit Verboten zu drangsalieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil aber jede Stadt und jede Gemeinde anders ist, ist es richtig, dass die Bundesregierung vorschlägt, zunächst in fünf Modellstädten mit unterschiedlichen Ausgangslagen hinsichtlich Einwohnerzahl, Schadstoffbelastung, Verkehrssituation etc. auszuloten, welche Maßnahme jeweils konkret erfolgversprechend ist. Das mag in Essen anders sein als bei mir in Reutlingen in meinem Wahlkreis in der Lederstraße.

(Arno Klare [SPD]: Mit Sicherheit!)

Deshalb begrüße ich es, dass die Bundesregierung in ihrem Schreiben ein ganzes Bündel an Maßnahmen vorschlägt. Jetzt muss der Umweltkommissar in Brüssel das prüfen und rückmelden, ob der Weg gangbar ist.

Ich bin mir sicher, dass die Modellstädte, wie beispielsweise Reutlingen, zusammen mit Bund und Land ein innovatives Konzept erarbeiten werden. Dazu kann ein kostenloser Nahverkehr an Tagen mit hoher Belastung gehören; muss es aber nicht. Man muss das auf jeden Fall genau prüfen, um den Pkw-Verkehr zu reduzieren, ohne gleichzeitig dem ÖPNV zu schaden – im Gegenteil.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)