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Kai Wegner: Bei einer Enteignung entsteht keine neue Wohnung

Rede in der aktuellen Stunde zur Wohnraummiete in Deutschland

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Wohnen bewegt die Menschen, und zwar buchstäblich: Am letzten Wochenende waren Zehntausende Bürger auf den Straßen Berlins und anderer Städte unterwegs. Berichte über Wohnungsmangel, steigende Mieten und Modernisierungsverdrängung haben zur Verunsicherung vieler Mieterhaushalte beigetragen. Ja, ich habe Verständnis für die Sorgen und Nöte und nehme diese auch sehr ernst. Es ist Aufgabe der Politik, es ist unsere Aufgabe, diesen Menschen wieder das Vertrauen zu geben, dass sie in ihrer Mietwohnung geschützt sind, dass Wohnen bezahlbar bleibt und dass jeder eine faire Chance hat, eine passende Wohnung zu finden.

Aber, meine Damen und Herren: Populismus und Radikalforderungen tragen dazu gerade nicht bei. Wir brauchen in Deutschland keinen Mietenwahnsinn, und was wir mit Sicherheit nicht brauchen, ist ein Enteignungswahnsinn.

(Beifall bei der CDU/CSU – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber für Banken haben Sie enteignet!)

Dass in Berlin am Samstag die Bausenatorin gegen die eigene gescheiterte Politik auf die Straße gegangen ist,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht gegen ihre eigene Politik!)

hat schon eine ganz besondere Qualität, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber für die Banken wollten Sie enteignen!)

Die Umsetzung des Berliner Volksbegehrens, welches durch Die Linke unterstützt wird,

(Beifall bei der LINKEN – Simone Barrientos [DIE LINKE]: Jawohl!)

zeigt einmal mehr, dass Ihre Bausenatorin gescheitert ist.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)

Von der Umsetzung dieses Volksbegehrens wären rund 15 Prozent aller Berliner Mieterinnen und Mieter betroffen – 15 Prozent!

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über den Mietspiegel alle!)

Kosten: 37 Milliarden Euro. Das ist keine Zahl, die ich aufgeschrieben habe, sondern eine Vorlage des rot-rot-grünen Senats. Eine astronomische Summe!

Ich stelle mir mal vor, was man mit 37 Milliarden Euro alles machen könnte. Einen Bruchteil davon bräuchten wir, um in Berlin neue Sozialwohnungen zu bauen. Sie könnten Belegungsrechte für preiswertes Wohnen kaufen. Sie könnten ein Berliner Wohngeld schaffen, um wirklich bedürftigen Menschen zu helfen. All das tun Sie aber nicht, sondern Sie streuen mit Enteignungsdebatten den Menschen Sand in die Augen und geben ihnen das Gefühl, dass sie irgendwie in Sicherheit leben, was aber nicht dazu führen wird, dass sie es auch tun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-­Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Volksbegehren!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lösen Sie die Probleme in Berlin, und streuen Sie den Leuten keinen Sand in die Augen!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Rede müssen Sie im Abgeordnetenhaus halten und nicht im Bundestag!)

Und noch mal – Herr Bartsch, weil Sie es erwähnt haben –: Bei einer Enteignung entsteht keine neue Wohnung. Genau so ist es; es entsteht keine neue Wohnung.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat auch keiner behauptet!)

Eines ist doch klar: Wenn wir weiter in der Mangelwirtschaft leben, werden wir das Problem nicht lösen.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja, richtig!)

Wir müssen endlich die Mangelwirtschaft abstellen, und wir müssen die Herausforderungen am Wohnungsmarkt gestalten, gerade in den Ballungsräumen, gerade in den überhitzten Wohnungsmärkten. Von daher müssen wir hier alle Chancen nutzen, und der Bund tut das auch.

Meine Damen und Herren, bedenklich finde ich in der Tat – ich will nur mit einem Satz darauf eingehen –, was der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, nun gesagt hat. Die Grünen sind – so sagen sie es selbst – eine bürgerliche Partei – das wollen sie zumindest sein –, und das Erste, was sie machen, ist, auf den Enteignungszug mitaufzuspringen. So viel zur bürgerlichen Partei Bündnis 90/Die Grünen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Zuruf der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Enteignungen schaffen keinen einzigen Quadratmeter zusätzlichen Wohnraum. Sie kosten Unsummen von Geld und verschrecken obendrein Investoren.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur solche, die mehr als 3 000 Wohnungen bauen wollen!)

Ja, wir brauchen private Investoren. Es ist nötig, dass der Staat im Rahmen der Förderung sozialen Wohnraums mitbaut. Aber um die Herausforderungen zu bewältigen, brauchen wir auch die Privaten und die Genossenschaften.

Wir haben als Bundesregierung beim Wohnraumgipfel ein Maßnahmenpaket vorgelegt.

(Zuruf der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Staatssekretär Wanderwitz hat das deutlich gemacht: Ja, wir müssen bauen, bauen und nochmals bauen. In Deutschland, gerade auch in Berlin, sollen sich die Baukräne drehen

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht für Luxuswohnungen wie bisher, sondern für bezahlbares Wohnen!)

und nicht im Sumpf von Enteignung und sozialistischen Ideen untergehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, das ist so. Da können Sie jammern;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir jammern nicht!)

aber es hat seinen Grund, warum wir in diesem Jahr nicht 70 Jahre DDR feiern, sondern 30 Jahre Mauerfall; auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir vertrauen auf die soziale Marktwirtschaft. Dazu gehören starke soziale Leitplanken. Deshalb haben wir die Mietpreisbremse nachgeschärft. Wir geben Milliarden Euro in die soziale Wohnraumförderung. Wir werden dafür sorgen, dass der Mietspiegel transparenter, fairer und rechtssicher wird, und wir werden das Wohngeld deutlich stärken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sorgen und Ängste ernst zu nehmen, bedeutet, die Menschen nicht mit populistischen Scheinlösungen in die Irre zu führen. Wir sagen Nein zu Enteignungen; denn wir wollen Wohnungen bauen und keine Luftschlösser. So sichern wir gutes, angemessenes und preiswertes Wohnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Also an Frau Grütters’ Stelle hätte ich kandidiert!)