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Jens Koeppen: "Im Baurecht gibt es ein Wirtschaftlichkeitsgebot"

Rede zur Reduzierung von Bauvorschriften

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Vorbemerkung in Richtung AfD kann ich mir nicht verkneifen. Sie beschweren sich regelmäßig, dass Sie in den Kernzeiten der Sitzungswoche mit Initiativen nicht zu Wort kommen; was übrigens nicht stimmt. Jetzt haben Sie die Gelegenheit, eine Stunde lang über ein wichtiges Thema zu reden. Und was machen Sie? Sie stellen zwei völlig substanzlose Anträge, so überflüssig wie ein Sandkasten in der Wüste.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie gehen dieses Thema nicht einmal ernsthaft an. Was machen Sie stattdessen? Sie kommen – darauf ist übrigens Verlass; der Kollege Daldrup hat es angesprochen – wie bei jedem Thema mit einer Beharrlichkeit auf die Flüchtlinge und wenige Absätze später auch auf den Klimaschutz zu sprechen, den Sie leugnen.

(Thomas Seitz [AfD]: Wir leugnen den Klimaschutz, Herr Koeppen?)

Ich möchte einmal zwei Kostproben aus Ihrem Antrag geben, damit die Leute wissen, was ich meine. Der Antrag ist zum Gebäudeenergiegesetz.

Erstens. Sie schreiben doch tatsächlich in Ihrem Antrag: An der Wohnungsknappheit sind die Flüchtlinge schuld. „Bei seit Jahren offenen Grenzen und unkontrollierter Zuwanderung ist nicht absehbar, dass die Wohnungsfrage geklärt werden kann.“

(Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch widerlich, oder?)

– Das ist auch völlig absurd.

Zweitens. „Neuere Erkenntnisse der Wissenschaft gehen zudem davon aus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem CO2-Ausstoß und der Erwärmung des Klimas nicht nachgewiesen werden kann“. Was, bitte schön, hat das denn mit der Gebäudeenergieeffizienz zu tun? Selbst wenn wir uns darauf einlassen würden, dass das alles nichts ausmacht und der Klimawandel nicht stattfindet: Können wir uns wenigstens darauf einigen, dass es wichtig ist, dass wir im Gebäudesektor dafür sorgen, dass die wertvollen Ressourcen sparsam eingesetzt werden?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Sie lehnen jede Vorgabe im Baurecht ab: zum Lärm, zum Brandschutz, zur Energieeinsparung, zur Barrierefreiheit. Sie machen zudem dann auch noch die Regeln zur Gebäudeenergieeffizienz allein verantwortlich für die Baukosten.

(Thomas Seitz [AfD]: Stimmt auch nicht!)

Angesichts dessen müssen wir etwas zur Aufklärung beitragen, warum wir die EnEV, die Energieeinsparverordnung, und das neue GEG, das Gebäudeenergiegesetz, brauchen.

Erstens. Natürlich brauchen wir energetische Vorgaben im Gebäudesektor, die notwendig sind, um die gigantische Energiemenge, die es in diesem Bereich gibt, zu reduzieren, zu minimieren.

Zweitens. Es ist natürlich ein Beitrag zum Ressourcenschutz und – wie wir es nennen – zur CO2-Reduzierung. Aber beides geht doch gemeinsam einher.

Drittens: zu den Baukosten. Selbstverständlich werden die Baukosten durch ein Regelwerk, was notwendig ist, erhöht. Natürlich wird auch die Bürokratie dabei eine Rolle spielen. Aber das sind doch nicht die Kostentreiber schlechthin. Es gibt andere Kostentreiber. Außerdem werden über die gesamte Lebenszeit der Gebäude die Nebenkosten für die Mieter und die Eigentümer am Ende reduziert. Meine Damen und Herren, im Baurecht gibt es zudem ein Wirtschaftlichkeitsgebot. Energetische Vorgaben dürfen nur dann gesetzt werden, wenn sie sich für den Mieter rechnen und

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Deshalb muss man keine Angst haben vor höheren Standards!)

wenn sich die Investitionen am Ende für den Eigentümer amortisieren. Das haben Sie völlig ausgeblendet.

Ich komme zu den Vorschriften zur Barrierefreiheit, zum Brandschutz, zum Katastrophenschutz. Sie haben selbstverständlich Auswirkungen auf die Bürokratie und die Baukosten. Aber, meine Damen und Herren, sie sind doch auch ein Ausdruck von Fürsorge. Sie wollen doch sicherlich auch, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, dass ältere Menschen selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden so lange leben können, wie es nur möglich ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das wäre schön!)

Das wird unter anderem im Baurecht geklärt. Menschen sollen sich in ihren Wohnungen sicher fühlen und vor giftigen oder schädlichen Baustoffen geschützt werden. Wir sorgen auch mit Lärmschutzmaßnahmen dafür, dass Ruhe in den Wohnungen ist, soweit es geht.

Meine Damen und Herren, eines muss ich auch noch sagen: Die nationale Gesetzgebung basiert hauptsächlich bzw. zum großen Teil auf europäischen Vorgaben, die alle Mitgliedstaaten zu erfüllen haben. Es ist nicht ein deutscher Alleingang, sondern ein notwendiger europäischer.

Zum Schluss komme ich zum neuen Gebäudeenergiegesetz. Hier sollen am Ende – von den Vorrednern wurde schon darauf eingegangen – alle Maßnahmen, die wir bis jetzt haben, zusammengefasst werden. Es soll transparenter gemacht werden, übersichtlicher und mit weniger Bürokratie verbunden sein.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das reicht noch nicht für den Klimaschutz!)

Der Kollege Neumann hat gesagt: Das ist gar nicht so einfach. – Das stimmt. Hier können Sie sich mit einbringen: Wie machen wir das neue Gesetz, in dem drei Vorschriften zusammengefasst werden und Transparenz und Übersichtlichkeit eine wichtige Rolle spielen sollen? Wie können wir das am Ende besser machen? – Aber Sie setzen sich damit nicht konstruktiv auseinander: weder in den Ausschüssen noch in anderen Gesprächen. Sie liegen mit Ihrer Initiative politisch wieder völlig quer im Stall und daneben. Sie sollten sich bei den nächsten Anträgen, die in der Kernzeit behandelt werden, ein bisschen mehr Mühe geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])