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Hans-Georg von der Marwitz: "Der ländliche Raum ist das Rückgrat des Landes"

Rede | Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wir haben heute schon einiges gehört, und eigentlich kämpfen wir alle miteinander an der gleichen Front. Aber es gibt halt ganz unterschiedliche Wahrnehmungen.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

Der ländliche Raum – das wissen wir – ist das Rückgrat des Landes. Ländliche Regionen, von den Friesischen Inseln über die Altmark bis ins Alpenvorland, bilden einen wunderbaren Korridor. Unter dem Schlagwort „Heimat“ diskutieren wir seit Jahren über die Möglichkeit, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken und neu zu beleben. Angesichts der rapiden Veränderungen unserer Zeit rückt der ländliche Raum und damit die Frage nach dessen Zukunft immer wieder in den Mittelpunkt aller Debatten. Oft ist von „abgehängten Regionen“ die Rede; von „prosperierenden Regionen“ haben wir heute gehört. Weltweit erleben wir eine Spaltung zwischen den vermeintlich städtischen Eliten und den Menschen, die der neuen Zeit nicht trauen oder sich missverstanden fühlen.

(Beifall des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])

In Deutschland steht die Berliner Republik über die Parteigrenzen hinweg oft in der Kritik. Realitätsferne und Abgehobenheit gehören dabei noch zu den harmloseren Vorwürfen. Die Union als Volkspartei steht vor der Herausforderung, diesen Konflikt politisch zu lösen. Nach unserem Verständnis geht die neue gesellschaftliche Frage einher mit der Suche nach Halt, nach Rückzugsmöglichkeit, aber auch nach Substanz. Die Frage nach der Zukunft des ländlichen Raums ist damit zentral verknüpft. Deshalb freue ich mich, dass wir heute im Kontext der Grünen Woche das Thema so prominent im Plenum diskutieren. Der Run aufs Land ist ungebrochen, vor allem im Umfeld der Metropolen. Das spüren wir im Berliner Umfeld sehr stark. Dieser Entwicklung gilt es Rechnung zu tragen; sie ist zu gestalten. Mobilität ist dabei das Schlagwort – das haben wir heute schon mehrfach gehört –, sowohl bei der Digitalisierung als auch bei der Infrastruktur.

So weit die Theorie. Aber wie sieht es in der politischen Praxis aus? Welche Möglichkeiten hat Politik abseits von Sonntagsreden? Die „Land-Milliarde“ weist in die richtige Richtung: Zusätzliche 1,5 Milliarden Euro will die Bundesregierung über den Agrarhaushalt konkret in die ländlichen Räume investieren. Allein in dieser Legislaturperiode wollen wir 625 Millionen Euro mehr für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ ausgeben. Darin enthalten sind überwiegend Gelder für den Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“. Da ich seit Jahren im Vorstand der LEADER-Region Oderland arbeite, weiß ich, wie segensreich diese Investitionen sein können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Wiese [SPD])

Allerdings müssen wir dem bürokratischen Überbau, der sich dort in den letzten Jahren mehr und mehr entwickelt hat, wirklich zu Leibe rücken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Den Ansatz, die Agrarförderung zu einer Strukturförderung auszubauen, gilt es weiter zu verfolgen. Aufgrund der dramatischen Transformationsprozesse in der Landwirtschaft müssen wir auch im europäischen Kontext einen Paradigmenwechsel einläuten. Der Grundsatz muss lauten: öffentliches Geld für gesellschaftlichen und strukturellen Mehrwert im ländlichen Raum.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Der Koalitionsantrag führt uns die ganze Komplexität einer Förderpolitik für den ländlichen Raum vor Augen und zeichnet ein ausgewogenes Bild, das konkret auf die Bedürfnisse der Menschen in den Dörfern und Gemeinden abzielt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Umbau der Gesellschaft auf dem Rücken der Landbevölkerung findet mit uns nicht statt. Vielmehr steht die Union für Chancengleichheit zwischen Stadt und Land. Geld für Infrastruktur, Förderung von KMUs sowie Breitbandausbau, all diese Maßnahmen sind zentral, wenn es lebenswerte ländliche Räume geben soll und geben muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, über die Digitalisierung haben wir heute schon sehr viel gehört. Darauf möchte ich nicht näher eingehen. 5G funktioniert nur, wenn die Netzverbindung steht. Vielleicht eine Bemerkung am Rande: Wenn ich nach Berlin fahre, habe ich bei 75 Minuten Fahrzeit 50 Minuten Pause. Das ist mal ganz schön, dann hat man wenigstens Ruhe und kann sich ausruhen; aber arbeiten lässt sich so nicht. – Liebe Kollegen, ihr habt ja recht: Das ist ein riesiges Problem, das wir in den letzten Jahren vor uns hergeschoben haben. Aber man kann das nicht nur auf den Bund herunterbrechen. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe, eine Aufgabe von Bund, Ländern und Kreisen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], auf die Regierungsbank zeigend: Wir schon mal gar nicht! Das Problem ist da!)

Und Sie wissen, wie schwierig die freie Vergabe der Frequenzen ist.

Meine Damen und Herren, wir arbeiten hier alle gemeinsam an einem Konzept, das uns letztlich in die Zukunft führt. Daran möchte ich in erster Linie versuchen weiterzuarbeiten. Also, es bringt nichts, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen. Machen wir es in den Ländern, machen wir es in den Kommunen selbst, wenn es der Bund alleine nicht schafft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Den Frust, der uns in den Dörfern und im Land immer wieder entgegenschlägt, weil wir nicht entsprechend handeln, müssen wir uns auf Kreisebene – ich sitze im Kreistag –, auf Landesebene und auf Bundesebene oft genug anhören. Ja, jetzt gilt es – das sage ich an uns alle in diesem Haus gerichtet –, zu handeln. Wenn wir es nicht schaffen, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, drohen uns gespaltene Lebenswelten. Die gesellschaftlichen und politischen Gefahren, die daraus folgen werden, haben wir alle vor Augen.

Doch die finanzielle Unterfütterung ist nur die eine Seite der Medaille. Auch an dieser Stelle ist der Antrag reichlich konkret. Wir benötigen eine neue Wertschätzung für das Landleben. Im ländlichen Raum und in unserer Kulturlandschaft engagieren sich Hunderttausende aus Verbundenheit zu ihrer Heimat und ihren Wurzeln. Das sind unter anderem Nebenerwerbslandwirte, Kleinstwaldbesitzer, Imker und Jäger, die sich nach Feierabend mit Hingabe und Einsatzbereitschaft um Felder und Wälder kümmern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Wiese [SPD])

Ein Umstand, den man nicht hoch genug würdigen kann! Diese Menschen gilt es zu unterstützen, politisch und ideell.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herr Kollege von der Marwitz, achten Sie bitte auf die Zeit.

Hans-Georg von der Marwitz (CDU/CSU):

Ich danke vielmals. – An dieser Stelle will ich darauf hinweisen, dass vor allem sie unter den Folgen des Dürresommers leiden und nicht alleingelassen werden.

Wertschätzung und Finanzierung, Imagepolitik und Strukturförderung – nur durch das gezielte Zusammenspiel von harter Förderpolitik und ideeller Schwerpunktsetzung kann wieder frei – ausnahmsweise nach Willy Brandt – zusammenwachsen, was zusammen gehört.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der AfD und des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])