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Gitta Connemann

Gitta Connemann: "Die Heimat des Mittelstandes"

Rede | Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land, darum geht es heute; denn die ländlichen Regionen, die Menschen dort liegen uns gerade in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion besonders am Herzen. Für uns sind sie kein Anhängsel von Ballungszentren, keine Museumslandschaften, keine Projektionsfläche für Landromantik. Für uns sind ländliche Räume Kraftzentren, das Fundament unseres Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mehr als die Hälfte der Menschen lebt dort. Es ist die Heimat des Mittelstandes. Nirgendwo gibt es mehr Ehrenamt. Dort ist auch die grüne Lunge unseres Landes. Allerdings gibt es auch Schattenseiten: der Bus, der nur zweimal am Tag fährt, die Post, die nicht jeden Tag kommt, das Fehlen von Hebammen oder ein Handynetz mit Löchern, so groß wie im Schweizer Käse. Mit diesen Problemen haben fast alle auf dem Land zu kämpfen. Aber damit endet die Vergleichbarkeit häufig schon; denn es gibt nicht das Land.

Da gibt es Erfolgsregionen wie meine Heimat, das Emsland,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

früher Armenhaus, heute bundesweit Zugpferd: Vollbeschäftigung, Rekordsteuereinnahmen, so gut wie schuldenfrei. Dann gibt es Regionen wie die Eifel, deren Einwohner genauso anpacken wollen, aber von der Landesregierung Rheinland-Pfalz ins Abseits gestellt werden mit dem kommunalen Finanzausgleich.

(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Es gibt auch ganz viel Eifel in Nordrhein-Westfalen!)

In Rheinland-Pfalz ist der Bürger in der Stadt mehr wert als der Bürger auf dem Land. So wird Stillstand zementiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Verhältnisse in ländlichen Regionen sind also nicht gottgegeben. Die Politik kann Weichen stellen. Genau darum geht es in dem Antrag, den Ihnen heute die Koalition von CDU/CSU und SPD gemeinsam vorlegt. Wir wissen: Der Erfolg einer Region steht und fällt mit ihrer Wirtschaftskraft. Die Menschen wollen nicht nur schöner leben, sie wollen auch arbeiten, und Kommunen brauchen die Steuereinnahmen.

Dazu kann der Bund, also der Staat, mit dezentralen Behördenstandorten selbst beitragen. Es gibt gute Beispiele. Aktuell hat unsere Bundesministerin Julia Klöckner ein neues Kompetenzzentrum in Gülzow geschaffen. Das ist ein starkes Bekenntnis zum ländlichen Raum. Dezentrale Behördenansiedlungen dürfen aber kein Feigenblatt sein, wie zum Beispiel in Dessau. Dort ist der Hauptsitz des Umweltbundesamts. Hausspitze und Co bevorzugen aber offenbar den Nebenstandort in Berlin. Da wird dann ab und zu in die Provinz gependelt. Das wird vom Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt kritisiert. Zu Recht: Ein klares Bekenntnis zu unseren ländlichen Regionen sieht anders aus.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für kleine und mittelständische Betriebe auf dem Land steht an Nummer eins der Wunschliste die Infrastruktur: analog und digital, Straße und Glasfaser. Hier hat der Bund vorgelegt. Noch nie wurde so viel in Verkehrswege investiert.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werden allesamt abgebaut!)

Und wir bekämpfen die digitale Spaltung. Insgesamt gehen annähernd 5 Milliarden Euro in den Breitbandausbau. Zuständig sind dafür eigentlich Länder und Kommunen. Diese müssen nun auch nachziehen.

Ein Wort zur Landwirtschaft. Heute ist die Grüne Woche in Berlin eröffnet worden, die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau. Der Wirtschaftsmotor Nummer eins auf dem Land ist nach wie vor die Land- und Forstwirtschaft. Die Besucher der Grünen Woche werden eines erleben: In der Brust des heutigen Landwirts schlagen zwei Herzen, eines für das Leben mit und in der Natur und eines als mittelständischer Hightechunternehmer. Die Bauernregel ist schon lange dem Computer gewichen. Manchem Bürger fällt diese Erkenntnis schwer, manchem Politiker übrigens auch. Überall soll Innovation gelebt werden, aber bitte nicht in der Landwirtschaft. Jedem sein Smartgerät, aber die Bäuerin soll noch mit dem Futtereimer über den Hof tänzeln.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja ein Frauenbild!)

Das kann nicht funktionieren. Mit digitalen Anwendungen können Ressourcen geschont und dabei die Effizienz gesteigert werden. Davon profitieren Verbraucher, Tiere, Umwelt und übrigens auch die Menschen auf den Höfen.

Wir haben darauf als Bund reagiert. Unsere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellt 60 Millionen Euro zur Verfügung: für digitale Experimentierfelder auf dem Land, für die Förderung von Start-ups, eine Masterplattform für Open Data. Mit Land.Digital werden digitale Initiativen auf dem Land gefördert; denn wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wissen: Investitionen in das Land sind Investitionen in die Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb kämpfen wir als Mitglieder der Großen Koalition auch für eine Mobilfunkabdeckung in Stadt und Land. Dafür brauchen wir 2G, 3G, 4G und perspektivisch 5G im ganzen Land. Die Bundesnetzagentur hat auf unseren Druck hin vor der Versteigerung der Frequenzen nachgebessert. Aber ich sage auch sehr kritisch: Das reicht noch nicht. Zum Beispiel muss lokales Roaming ermöglicht werden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatschen nicht mal die eigenen Leute!)

Dies gehört zur Lebensqualität auf dem Land dazu, wie erreichbare Schulen, eine gute Versorgung mit Ärzten, Therapeuten und Hebammen, Nahversorgung und gute Möglichkeiten für unsere Familien.

Auch hier hat der Bund vorgelegt. Es ist gerade in der letzten Debatte deutlich geworden, wie viel Geld die Große Koalition hier investiert hat, um Wohnraum zu schaffen. Mit dem Baukindergeld ermöglichen wir gerade Familien, ihren Traum vom Eigenheim auf dem Land zu verwirklichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Landärzte von morgen können die Länder spezielle Studienplätze reservieren und, und, und.

Zur Lebensqualität auf dem Land gehört aber auch das Ehrenamt. Über 30 Millionen Ehrenamtler machen unser Land jeden Tag ein Stück besser. Besonders in ländlichen Regionen ist ohne Ehrenamt kein Staat zu machen. Aber Ehrenamtler sind keine Berufsprofis. Deshalb sind Gesetze, die für ein Gewerbe gelten, im Ehrenamt fehl am Platz. Es muss zwischen dem Selbstgebackenen beim Kirchenbasar und dem Kuchen aus der Konditorei unterschieden werden, zwischen dem Public Viewing bei der Weltmeisterschaft im Behindertenheim und vor dem Brandenburger Tor. Der Schlüssel dazu ist eine Entbürokratisierungsinitiative für Freiwillige Feuerwehren, Chöre, Sportvereine und Hospizinitiativen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben hier Handlungsspielräume. Deshalb ist die Arbeit unserer Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ auch so wichtig. Sie weist die Richtung, wo nachgebessert werden muss. Eines ist für uns klar: Deutschland wird auf seiner Erfolgsspur nur bleiben, wenn gutes Leben und Arbeiten auf dem Land weiter möglich sein werden. Dafür stehen wir.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)