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Florian Hahn: Europa ist eine der größten Errungenschaften der Neuzeit

Rede zur Regierungserklärung zur Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU-27

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist eine der größten Errungenschaften der Neuzeit: mit Frieden, mit Freiheit, mit Wohlstand für über 500 Millionen Menschen auf diesem Kontinent. Wir wollen, dass das so bleibt. Aber dafür muss sich einiges ändern. Wir müssen bereit sein, Europa weiterzuentwickeln; denn die Rahmenbedingungen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft und in der Welt haben sich verändert.

Die bisherigen Triebfedern der europäischen Einigung waren die Versöhnung nach dem Krieg, die dauerhafte Befriedung dieses Kontinents und die Schaffung von Wohlstand für alle. Heute kommen Europas Herausforderungen maßgeblich auch von außen: mit neuen internationalen Krisenherden, mit dem Zerfall von Staatlichkeit bis an unsere Grenzen, mit neuen Playern in einer globalisierten, digitalisierten Welt und mit einem massiven Migrationsdruck aus dem Süden und aus dem Osten. Das verändert die Vorzeichen für das Friedens-, Freiheits- und Wohlstandsprojekt Europa.

Außerdem steckt Europa in einer Vertrauenskrise. Mit Großbritannien verlässt die drittgrößte Volkswirtschaft Europas die EU. Gut jeder dritte EU-Abgeordnete ist mittlerweile nicht mehr Proeuropäer, sondern EU-Skeptiker. Für viele Menschen ist die EU kein Symbol für Zukunft, sondern für Zentralismus, überflüssige Regulierung und Umverteilung. Der Frieden wird leider als selbstverständlich hingenommen.

Als überzeugte Proeuropäer dürfen wir uns damit nicht abfinden. Deshalb sagen wir ganz klar: Ein Weiter-so darf es in Europa nicht geben. Wir wollen mehr Europa in den großen Fragen – bei der Verteidigung, beim Außengrenzenschutz, in der Forschung – und weniger Europa im Kleinen. Wir wollen ein Europa, in dem die Menschen den Mehrwert der Europäischen Union spüren. Wir wollen ein Europa, in dem vieles besser, aber nicht alles gleich ist. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der mehrjährige Finanzrahmen 2021 bis 2027, mit dem sich die Staats- und Regierungschefs auf der kommenden Tagung beschäftigen werden, ist ein wichtiger und richtiger Schritt auf dem Weg, diese Ziele zu erreichen. Für den EU-Haushalt muss das Gleiche gelten, was wir in Deutschland seit 2005, seit CDU und CSU die Bundesregierung führen, praktizieren: Prioritäten setzen, Zukunftsaufgaben angehen, maßhalten und Ausgaben begrenzen. Eines ist klar: Wenn Europa kleiner wird, sollte das Budget nicht größer werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die EU kann maßhalten. Das ist das Signal, das die Menschen von Europa erwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

In einem zweiten Schritt müssen wir dann im EU-Haushalt die richtigen Prioritäten setzen und die Probleme adressieren, die die Menschen wirklich bewegen.

Wenn wir die EU-Bürger fragen, was die größten Probleme in Europa sind, dann sagen sie mit weitem Abstand „Einwanderung“ – 39 Prozent – und „Terrorismus“ – 38 Prozent. Auf den Plätzen drei und vier folgen mit 17 Prozent „Wirtschaftliche Lage“ und mit 16 Prozent „Öffentliche Verschuldung in den eigenen Mitgliedstaaten“. Das sind die größten Sorgen der Menschen. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, die Agenda in der EU mitbestimmen lassen und im Finanzrahmen adressieren.

Das heißt, wir müssen einen klaren Fokus auf öffentliche Sicherheit, Terrorismusbekämpfung, Verteidigung, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und solides Haushalten legen. So machen wir die Europäische Union wieder stark; so sorgen wir dafür, dass die EU wieder an Akzeptanz bei den Menschen vor Ort gewinnt. Das war übrigens auch unser Ziel in den Koalitionsverhandlungen, und das haben wir auch erreicht.

Unsere Europapolitik steht dabei auf drei Säulen: Stabilität, Sicherheit und Subsidiarität.

Erste Säule: Stabilität. Der von SPD, CDU und CSU verhandelte Koalitionsvertrag enthält ein klares Bekenntnis zum soliden Haushalten und zum Stabilitäts- und Wachstumspakt. Unsere Haltung ist dabei sehr klar: Wir wollen eine Stabilitätsunion und keine Schuldenunion. Wir wollen Stärke durch Eigenverantwortung und keine Abhängigkeiten von Umverteilungen. Deshalb gibt es in diesem Koalitionsvertrag keine Euro-Bonds, keine Mechanismen für einen europäischen Finanzausgleich, keinen europäischen Finanzminister und keine europäische Wirtschaftsregierung, und das ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweite Säule: Sicherheit. Das Sicherheitsbedürfnis in Deutschland und in ganz Europa war noch nie so groß wie heute. Deshalb brauchen wir eine aktive Sicherheitsoffensive für die Europäische Union. Das hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung auch zu Recht deutlich gemacht.

Deshalb müssen wir auch unsere Wehrfähigkeit verbessern und den Weg zu einer europäischen Verteidigungsunion konsequent weitergehen. Die jetzt vereinbarte Ständige Strukturierte Zusammenarbeit – ­PESCO – war überfällig. Die europäische Verteidigung ergänzt und stärkt die NATO, sie macht Europa strategisch autonomer und schafft mehr Sicherheit.

Die PESCO-Teilnehmer erklären regelmäßig, ihre Verteidigungsbudgets real erhöhen zu wollen. Wir als CSU und die Union insgesamt halten das für richtig und unbedingt erforderlich. Das 2-Prozent-Ziel ist dabei der richtige Orientierungspunkt.

Sehr geehrter Herr Lindner, wenn wir über die letzten zwölf Jahre sprechen, dann sollten wir nicht vergessen, dass sich erstens die außenpolitischen Rahmenbedingungen in diesen zwölf Jahren massiv verändert haben und dass Sie zweitens vier Jahre von diesen zwölf Jahren mit an der Regierung waren.

Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir jetzt wissen, dass eine gute Ausrüstung und eine europäische Verteidigung notwendig sind und dass das nur mit entsprechenden echten Investitionen geht. Die Trendwenden dahin haben wir in den letzten vier Jahren eingeleitet, und wir müssen jetzt Gas geben und diese konsequent verfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der EU muss schließlich gelten: Ohne sichere Grenzen nach außen gibt es keine offenen Grenzen nach innen. – Bis der Schutz der Außengrenzen gewährleistet ist, müssen Binnengrenzkontrollen weiterhin möglich sein. Wir müssen Frontex weiter stärken und zu einer echten europäischen Grenzschutzpolizei ausbauen. Auch das hat die Bundeskanzlerin dankenswerterweise ganz besonders deutlich gemacht.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Machen Sie das doch endlich!)

Auch unsere Integrations- und Aufnahmefähigkeit hat eine Grenze, und diese Grenze müssen wir auch politisch abbilden. Es ist nicht akzeptabel, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnimmt als alle anderen 27 Mitgliedstaaten zusammen. Eine Reform der Dublin-Verordnung darf deshalb nicht dazu führen, dass sich diese ungleichen Lastenverteilungen noch verschärfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Verteilung allein ist dabei keine Lösung für den Flüchtlingsstrom. Wir brauchen harmonisierte Standards bei der Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern, einen wirksamen Schutz der Außengrenzen und effiziente Rückführungen direkt vor Ort. Der Grundsatz muss sein: Wer wirklich bedroht ist, dem wird in Europa geholfen; wer aber aus rein wirtschaftlichen Gründen kommt oder wessen Fluchtgründe nachhaltig entfallen sind, der muss auch wieder zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dritte Säule: Subsidiarität. Wer in Europa unsere Zukunft sieht, muss die Menschen mitnehmen und darf deren Bereitschaft zur Solidarität nicht überdehnen. Die EU als reines Projekt der mobilen, kosmopoliten Eliten ist nicht mehrheitsfähig. Europa muss mit den Menschen auf der Straße und nicht nur mit den Menschen in den Konferenzräumen geeint werden. Die Menschen sind stolz, Bayern, Franken, Schwaben, Hanseaten, Deutsche, Österreicher, Franzosen, Spanier zu sein. Das muss respektiert und wertgeschätzt werden. Dem europäischen Zentralstaat erteilen wir deshalb eine klare Absage. Aber eine klare Absage erteilen wir auch denen, die glauben, dass die Zukunft darin besteht, Europa rückabzuwickeln. Das führt ins Verderben, meine Damen und Herren. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen ein Europa, das sich auf die Kernaufgaben konzentriert, die wir gemeinsam besser lösen können als jeder nationale Mitgliedstaat alleine. Wir wollen ein Europa der Bürger, der Nationen, der Regionen und der Vielfalt. Wir wollen ein schlankes Europa der Stärke. Dafür kämpfen wir heute und in den nächsten Jahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)