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Dr. Klaus-Peter Schulze:

Rede zur Reduzierung von Pestiziden

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ja dafür bekannt, dass ich versuche, sachlich in die Diskussion einzusteigen. Deshalb, lieber Kollege Ebner, muss ich das, was Sie beim Diskussionseinstieg behauptet haben, als Sie sagten, dass wir in Deutschland 50 Prozent weniger Vögel haben, korrigieren. Richtig ist, dass die Gruppe der Agrarvögel deutlich zurückgegangen ist; aber andere Gruppen haben zugenommen. Das ist nicht nur auf den Pflanzenschutzmitteleinsatz zurückzuführen. Da müssen wir zu unseren südeuropäischen EU-Partnern schauen, die jedes Jahr Hunderttausende, ja Millionen Vögel abschießen, obwohl sie unter Schutz stehen. Über die Netzanlagen in Nordafrika und unsere veränderte Landnutzung möchte ich auch nicht reden. Das alles sind Faktoren, die eine Rolle spielen.

Wie hat sich denn der Herbizideinsatz beispielsweise in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Im Jahr 1950 sind pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 1,5 Kilogramm Herbizide eingesetzt worden, im vergangenen Jahr waren es 10 Gramm je Hektar. Das ist eine positive Entwicklung, reicht aber noch nicht aus; darüber sind wir uns alle im Klaren.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal was von Wirkung gehört?)

Zum Thema Wald: In den letzten zwei Jahren sind etwa 0,15 Prozent der Gesamtwaldfläche in Deutschland mit Pflanzenschutzmitteln behandelt worden. – Das sind Zahlen, die man in der Diskussion auf jeden Fall berücksichtigen sollte.

Die Kollegin Konrad von der FDP hat das Thema der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln angesprochen. Das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt. Die Zahlen, die mir zur Verfügung stehen, sind andere. Ich habe gehört, die durchschnittliche Bearbeitungszeit betrage 639 Tage; der Spitzenreiter sei eine Bearbeitungszeit von 1 667 Tagen – bei einer EU-Vorgabe von 120 Tagen –, und es liege nach wie vor keine Zulassung vor.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Schulze, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ebner?

Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU):

Gern.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Bitte sehr.

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade von x Gramm Wirkstoff pro Hektar und davon gesprochen, dass die Anwendungsmenge zurückgegangen ist. Da möchte ich Sie zwei Dinge fragen.

Erstens. Wie erklären Sie sich dann, dass die absoluten Absatzzahlen, die verkauften Wirkstoffmengen in Tonnen, sich seit 1970 verdoppelt haben und seit 1995 um 50 Prozent angestiegen sind? Wie erklären Sie, dass wir damals 20 000 Tonnen hatten, 1995 35 000 Tonnen und 2015 48 000 Tonnen? Die Ackerfläche, Herr Kollege, ist in dieser Zeit ganz bestimmt nicht gewachsen, und es kauft auch keiner, um es nur im Keller im Regal zu lagern. – Das müssen Sie erst einmal auflösen; darum möchte ich Sie bitten.

Zweitens möchte ich Sie fragen, ob Sie anerkennen, dass Wirkstoffe wie beispielsweise Neonicotinoide eine mehrhundertfache Toxizität im Vergleich zum damals eingesetzten DDT oder zu Lindan haben. Wenn die neueren Wirkstoffe in der gleichen Menge ausgebracht würden wie die damals eingesetzten, wäre dies eine richtige Katastrophe. Wir können nicht damit zufrieden sein, dass die Wirkstoffmenge gleich bleibt, wenn die Toxizität mehrhundertfach höher ist.

Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU):

Wenn Sie jetzt die Neos mit dem DDT vergleichen, dann muss ich sagen: Die Entscheidung, DDT nicht mehr als Pflanzenschutzmittel zu verwenden, war richtig. Dass wir auch bei den Neos Handlungsbedarf haben, streitet gar keiner ab.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, hat die FDP! Die hat das abgestritten!)

Die Zahlen zu den Wirkstoffen, die ich genannt habe – mir sind Zahlen bekannt, dass wir in den letzten fünf Jahren etwa 32 000 Tonnen Wirkstoffe in Deutschland eingesetzt haben –, sind die Zahlen, die mir zur Verfügung stehen. Wir können uns gerne hinterher darüber austauschen, woher Sie Ihre Zahlen haben, und dann vergleiche ich das. Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind die offiziellen Zahlen der Bundesregierung!)

Ich setze wieder an der Stelle ein, an der ich stehen geblieben bin, nämlich beim Thema Zulassung. Hier bekommen wir mit dem Brexit das nächste Problem. In Großbritannien wird eine ganze Reihe von Pflanzenschutzmitteln zugelassen. Wenn Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU ist, werden die Zulassungsanträge auf andere Länder und wahrscheinlich vornehmlich auf Deutschland übertragen. Deshalb müssen wir in dieser Hinsicht unbedingt etwas tun.

Ich bin für folgende konkrete Maßnahmen: erstens eine externe Bewertung der Verfahrensabläufe und deren Optimierung mit den beteiligten Behörden, zweitens eine entsprechende Aufstockung des Personals – darüber haben wir uns auch im Koalitionsvertrag geeinigt – und drittens eine höhere Harmonisierung der Antragsbearbeitung zwischen den einzelnen europäischen Ländern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die Grünen fordern in einem Antrag, dass das Thema „neue Sorten, bessere Sorten“ vorangebracht werden soll. Damit bin ich sehr einverstanden. Wir werden uns nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Thema Crispr/Cas sicherlich unterhalten müssen. Wenn wir diese neue Züchtungsform einsetzen können, dann – da bin ich mir ganz sicher – werden wir schnell effiziente Sorten züchten, um später den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)