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Dr. Georg Nüßlein: Wir müssen eine Plastikstrategie entwickeln, um recycelbares Plastik zu produzieren

Haushaltsgesetz 2018 - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Lieber Herr Bernhard, zu den Befindlichkeiten des Käfers Karl kann ich Ihnen nichts sagen. Ich will als einfacher Kaufmann auch nicht wie Sie hier ein pseudowissenschaftliches Seminar zum Thema Klimawandel halten. Ich probiere es erst einmal versöhnlich.

(Karsten Hilse [AfD]: Ein paar Fakten!)

Also, es gibt zu diesem Thema eine Mehrheitsmeinung, und es gibt Minderheitsmeinungen.

(Karsten Hilse [AfD]: Das spielt gar keine Rolle in der Wissenschaft!)

– Jetzt hören Sie mir zu! Ich versuche es versöhnlich.

(Karsten Hilse [AfD]: Okay!)

Wenn Sie mir zuhören, geht „versöhnlich“ natürlich einfacher. –

Man kann sich der einen wie der anderen Meinung anschließen. Nur: Bei Ihnen merke ich das Kalkül, das hinter der Thematik steckt, nämlich diejenigen einzusammeln, die aus irgendwelchen Gründen kritisch mit der Thematik umgehen.

Jetzt kommt der politische Schluss für uns andere. Klimaschutz dürfe kein Eliteprojekt sein, hat die Ministerin vorhin formuliert. Damit wird das Thema an dieser Stelle konkret und kritisch. Es kommt nämlich die Zeit, wo das alles tatsächlich Geld kosten wird, wenn es um das Auto, um die Heizung der Menschen gehen wird.

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau!)

Wenn man das so versteht, meine Damen und Herren, und wenn man sieht, was die Populisten an dieser Stelle vorhaben, dann muss für uns der Schluss sein, dass wir mehr Rationalität in diese Debatte bringen, dass wir uns nicht einem Wettbewerb hingeben nach dem Motto „höher, schneller, weiter“, noch mehr Ziele, bei jeder Klimakonferenz die Latte einfach höher hängen, wenn man schon nicht drüberkommt.

(Beifall des Abg. Karsten Hilse [AfD] – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Haben wir doch gemacht!)

Wir müssen endlich auch die Themen „Energieeffizienz“, „Ressourceneffizienz“ stärker nach vorne bringen.

(Leif-Erik Holm [AfD]: Wird Zeit!)

Das ist das Versöhnliche daran; denn wenn man so denkt wie Sie, müsste man irgendwann wieder die Kurve bekommen und unabhängig von der Frage, ob der Klimawandel menschengemacht ist oder nicht, sagen: Es macht doch mit Blick auf die Umwelt und auch mit Blick auf die Wirtschaft Sinn, Ressourcen zu sparen und Effizienz nach vorne zu bringen. Das wird in Zukunft ein Wettbewerbsfaktor sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das habe ich von Ihnen in dieser Rationalität nie gehört, weil es Ihnen nur darum geht, dieses Thema populistisch zu bespielen; und das halte ich für falsch.

Aber ich sage Ihnen auch: Für uns ist ganz entscheidend, dass wir bei diesen ganzen Zielen mehr Rationalität walten lassen und dass wir uns am Schluss nicht in einer solchen Situation befinden, wie mittlerweile beispielsweise beim Thema Diesel. Wir wissen auf der einen Seite, dass wir zur CO 2 -Reduzierung den Diesel brauchen, auf der anderen Seite bringen uns die NO X -Vorgaben in eine schwierige Situation. Das ist etwas, was irgendwann einmal dazu führen wird, dass die Leute auf diesem Weg nicht mehr mitgehen. Ich habe es gut gefunden, dass die Bundesministerin gesagt hat: Lasst uns die Menschen an dieser Stelle mitnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich gilt das auch für das, was wir in diesem Parlament in den nächsten Monaten zu beschließen haben. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt,

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nicht schon wieder!)

dass wir Regelungen zur Einhaltung der Klimaziele 2030 gesetzlich festlegen. Ich halte für ganz entscheidend, dass wir das tun, aber im Sinne eines Artikelgesetzes, mit dem wir die Gesetze verändern, die man dazu verändern muss, und nicht so, wie sich das der eine oder andere vorstellt, der sagt: Wir machen ein übergeordnetes, verfassungsgleiches Klimagesetz, auf das sich in Zukunft die gesamte Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland zu beziehen hat. – Das halte ich für ganz entscheidend.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):

Gern. Ich sehe nur nicht, von wem. – Ah ja, Herr Hilse, okay.

Karsten Hilse (AfD):

Vielen Dank, Herr Nüßlein, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – In einer Ihrer Reden hier im Bundestag hatten Sie schon einmal gesagt: Wir sehen jetzt – Sie haben gerade darauf abgehoben – auch, was wir für Probleme mit falschen NO X -Grenzwerten haben. – Das könnte man im Protokoll nachlesen. Ich habe es mir gemerkt. Die AfD fordert ja, die NO X -Grenzwerte wissenschaftlich zu bewerten, zum Beispiel aus medizinischer Sicht. Das ist ein Antrag von uns. Würden Sie dem zustimmen? Wir wollen einfach die NO X -Grenzwerte dahin gehend wissenschaftlich bewerten, ob die jetzigen Werte wirklich notwendig sind, um die Gesundheit der Menschen in Deutschland zu erhalten.

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):

Zunächst einmal spricht überhaupt nichts dagegen, irgendetwas wissenschaftlich zu bewerten. Ob man dafür die AfD braucht, ist eine andere Frage.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wahrscheinlich schon! – Martin Hohmann [AfD]: Machen wir es gemeinsam!)

Aber gegen das wissenschaftliche Bewerten spricht gar nichts.

Ich habe vorhin auf das Thema abgehoben, dass wir uns Ziele setzen, die sich am Schluss widersprechen, und wir uns wundern, wenn die Menschen unserer Politik an dieser Stelle nicht mehr folgen können. Darauf kommt es aus meiner Sicht an. Wenn Sie da meiner Meinung sind, dann finde ich das nicht schlecht; darüber freue ich mich. Aber letztendlich warten wir nicht auf die AfD, um solche Dinge entsprechend zu dokumentieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Da schauen wir darauf, wie es weitergeht!)

– Dass es hier immer um Populismus geht, wissen wir doch. Das ist ja nun auch nichts Neues. Aber bitte, wenn Sie das so machen wollen: Am Schluss wird sich zeigen, dass auch das nicht zum Ziele führt.

Wir haben, was die Strukturkommission angeht, ganz deutlich gemacht, dass es uns um Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung geht. Deshalb finde ich es schön, dass so etwas nicht einfach als „Kohleausstiegskommission“ – das hätten die Grünen vermutlich gerne gehabt – tituliert wird, sondern dass wir sagen: Wir haben natürlich die Wirtschaft auch immer mit im Blick. – Das macht Sinn. Wenn die Umweltministerin sagt, der Verkehrssektor sei das Sorgenkind, und damit die Bundeskanzlerin zitiert, ist das ganz richtig; aber man muss das natürlich auch immer unter bestimmten Rahmenbedingungen sehen. Die Rahmenbedingungen heißen: Wir müssen Mobilität, insbesondere in den ländlichen Räumen, wo die Individualmobilität eine entsprechende Rolle spielt, weiter sicherstellen. Das ist das erste Gebot bei diesem Thema. Zweitens. Wir haben eine deutsche Leitindustrie, die sich momentan in einer Führungskrise befindet, weil offensichtlich die Hybris der überbezahlten Herrschaften eine besondere Rolle gespielt hat. Trotzdem ist es eine Leitindustrie, und sie ist für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land ganz entscheidend; die dürfen wir nicht beschädigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt komme ich zu den Flottenzielen. Da gibt es einen Disput innerhalb der Bundesregierung. Ich will einmal deutlich machen, wo sich unsere Fraktion an dieser Stelle verortet – sie sagt übrigens das Gleiche, Frau Ministerin, was die Betriebsratsvorsitzenden der Automobilindustrie schon an Sie geschrieben haben –: Wir müssen berücksichtigen, dass Deutschland die Premiumautos der Welt herstellt. Wir wollen, dass das so bleibt. Deshalb ist eine Verschärfung der Flottenziele, die zu einer CO 2 -Minderung um 50 Prozent führt, nicht darstellbar. Das würde den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv gefährden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Es bringt nichts, wenn man Anforderungen schafft, die am Schluss nicht zu erfüllen sind.

Wir diskutieren momentan über die Frage, ob wir mit Offshorewindkraftanlagen direkt Wasserstoff herstellen wollen. Ich halte das für ein durchaus zielführendes, sinnvolles Konzept; denn wir haben ja genügend Schwierigkeiten bei der Frage, wie man den Strom aus erneuerbaren Energien in die Leitung bekommt. Wenn man das tut, meine Damen und Herren, dann muss man auch überlegen: Was passiert denn mit dem Wasserstoff im Anschluss? Da stelle ich fest, dass synthetische CO 2 -arme Kraftstoffe wie beispielsweise Biomethan auf die Flottenwerte noch nicht anrechenbar sind. Das muss sich ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die aktuelle EU-Rechtslage ist an dieser Stelle ziemlich widersinnig: Wenn man Strom, der momentan nicht zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommt, direkt im Verkehrssektor verwendet und dann am Auspuff misst und feststellt: „Da ist null Emission“, dann ist das gut. Wenn wir aber auf der anderen Seite beispielsweise über Windenergie Wasserstoff produzieren und den in der Mobilität einsetzen, dann wird das bei der Ermittlung der Emissionen nicht berücksichtigt. Das macht keinen Sinn. Wir müssen diese Welten wieder zusammenbringen. Das halte ich für ganz entscheidend.

Wir appellieren an dieser Stelle für mehr Pragmatismus; das gilt übrigens insgesamt für das Thema Erneuerbare. Wir haben mit dem Koalitionspartner vereinbart, dass wir 65 Prozent erneuerbare Energien 2030 haben wollen. Ich sage, dass wir 65 Prozent auch verwenden wollen; das ist ganz entscheidend.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Voraussetzung dafür ist, dass wir Netzintegration schaffen, dass wir das Thema so angehen, dass am Schluss der Strom tatsächlich zum Verbraucher kommt.

Herr Kindler hat umfassend das Thema Plastik angesprochen. Ich glaube nicht, dass man mit Strategien, die in Richtung Verbot, Besteuerung gehen, nach vorne kommt.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn sonst?)

Ich glaube auch nicht, dass sich die EU einen Gefallen tut, wenn sie in einer schwierigen politischen Lage über Wattestäbchen und Trinkhalme diskutiert. Vielmehr glaube ich, dass wir uns überlegen müssen, eine Plastikstrategie dahin gehend zu entwickeln, dass besseres, höherwertiges Plastik produziert wird, das auch entsprechend recyclebar ist,

(Beifall bei der CDU/CSU)

die das Ganze also technologisch löst.

Zum Thema Biodiversität: Ich möchte unterstreichen, dass ich es gut finde, dass wir einen Eckpunktebeschluss für das Aktionsprogramm Insektenschutz zustande gebracht haben, der zeigt, dass es so etwas wie einen Interessenausgleich gibt. Ich finde das deshalb bemerkenswert, weil ich natürlich weiß, wie kritisch wir auf die Landwirtschaft schauen. Die Leute, die mir immer sagen: „Es ist alles ganz furchtbar, was in der Landwirtschaft passiert“, sind, wenn in ihrem Garten der Buchsbaumzünsler den Buchsbaum abfrisst, die Ersten, die nach der Giftspritze greifen und sagen: Jetzt müssen wir aber etwas tun. – Da ist schon manchmal eine Doppelzüngigkeit im Spiel. Dass wir den Interessenausgleich gefunden haben, ist gut und wichtig. Ich glaube übrigens, dass wir diesen auch beim Thema Wolf finden werden; denn ich merke, dass deutlich mehr Rationalität in diese Diskussion kommt. Es ist ja nicht so, dass man die Rückkehr des Wolfs nur begrüßen und toll finden muss, insbesondere in einem Land, das dicht besiedelt ist und in dem der Wolf tatsächlich auch Schwierigkeiten macht.

In diesem Zusammenhang will ich aber noch sagen: Ich finde es trotzdem schade, dass eine Tierkategorie in diesem Land keine Lobby hat. Das ist das heimische Wild: Hirsch, Gams, Reh – alle ohne Lobby, der Vernichtung durch die Staatsforsten landauf, landab preisgegeben, egal in welchem Bundesland. Der Bund macht wahrscheinlich auch mit. Sie haben leider keine Lobby. Für diese Tiere müssen wir etwas tun. Ich halte es für dringend notwendig, dass wir dieses Thema ein bisschen stärker in unsere Diskussionen über Biodiversität einbeziehen; denn bei diesen Tieren gibt es einen massiven Rückgang, beispielsweise beim Rotwild. Das finde ich persönlich schade; denn der Hirsch gehört ja zu unserem Land.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwie muss man die letzten vier Minuten noch füllen, egal womit!)