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Christian Schmidt: "Das ist eine absolut inakzeptable ethische Entgleisung"

Aktuelle Stunde - Haltung der Bundesregierung zu Abgasversuchen an Menschen und Affen

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, das ist inakzeptabel. Das ist ein Skandal. Das muss scharf verurteilt werden. Ich habe das auch sofort getan. Das sind Tests, die allein zu PR-Zwecken, zur Reinwaschung von Dieselmotoren und unter Umgehung von Normen stattgefunden haben. Das ist eine absolut inakzeptable ethische Entgleisung. Mir fehlt dafür jedes Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael ­Theurer [FDP])

Die Zielsetzung dieser Tests war grundsätzlich falsch. Es geht nicht darum, die Unschädlichkeit von Emissionen nachzuweisen, sondern darum, Emissionen zu reduzieren und Grenzwerte einzuhalten. Die Automobilindustrie hat damit das ohnehin schwindende Vertrauen bei den Menschen, bei den Verbrauchern, bei den Betroffenen, auch bei uns in der Politik und weltweit weiter verringert. Ich kann den Unternehmen nur dringend raten, schleunigst die Trendwende einzuleiten und das verlorengegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Das gelingt durch Transparenz, konsequente Aufklärung und ein großes Umdenken in der Unternehmenskultur, das wohl notwendig zu sein scheint. Sie können das erreichen.

Erste Schritte sind bereits getan. Ich habe die Automobilhersteller sofort vor die Untersuchungskommission meines Hauses einbestellt und zu detaillierten Stellungnahmen und Darlegungen aufgefordert, die auch geliefert worden sind.

Es gibt eine Reihe von weiteren Fragen. Ich möchte zum Beispiel wissen, ob es vergleichbare oder andere ethisch genauso miserabel zu bewertende Verhaltensweisen gibt, von denen wir bisher noch keine Kenntnis erlangt haben. Deswegen bin ich für die Kooperation dankbar. Es erfolgte bereits eine große Offenlegung; wir werten das Material noch aus. Die Hersteller waren kooperativ und haben sich in aller Form entschuldigt. Sie haben sich von der Lobbyvereinigung distanziert und ähnliche Tests für alle Zeiten ausgeschlossen.

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Man kann doch berichten, dass das so gesagt worden ist.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Das hören wir aber seit zweieinhalb Jahren!)

Wir werden auch verifizieren, dass das stattfindet. – Sie klären die Vorgänge intern auf und prüfen dabei auch, ob es weitere Vereinigungen wie die EUGT oder ähnliche Tests bzw. Forschungsprojekte gibt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War denn die Bundesregierung involviert?)

– Lieber Herr Krischer, reizen Sie mich jetzt bitte nicht. Sie haben einen Untersuchungsausschuss beantragt, sich in den Untersuchungsausschuss gesetzt und dem von Ihnen gerade titulierten Herrn Greim, der von Tierversuchen gesprochen hat, zugehört,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie ihn denn eingeladen?)

waren aber als Opposition offensichtlich nicht in der Lage, das zu thematisieren. Das ist doch das Instrument der Opposition. Wo waren Sie denn?

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte? Wo bin ich gewesen? Also, hören Sie!)

– Moment, lieber Herr Krischer! Ja, Sie waren dabei. Wieso haben Sie vor eineinhalb Jahren nichts gesagt?

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind angegriffen worden, dass wir das hier zum Thema machen! Das ist ja unfassbar, Herr Schmidt!)

Mir ist jedenfalls nicht bekannt geworden, dass Herr Krischer bereits vor einem halben Jahr auf Tierversuche hingewiesen hat.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Der Herr Schmidt aber auch nicht!)

Ich habe davon nichts gehört.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie nicht für den Tierschutz zuständig?)

Ich stelle fest: Es besteht ein Aufklärungswunsch, und Sie überblicken alles. Das ist wunderbar. Wir ziehen die Verantwortlichen ohne Rücksicht auf Rang und Namen zur Rechenschaft.

(Fabio De Masi [DIE LINKE]: Peinlich!)

Es sind auch erste personelle Konsequenzen gezogen worden, wie man hört und liest. Die Zusagen können nur erste Schritte sein. Ich erwarte jetzt von den Unternehmen, dass sie uns zeitnah ihre internen Prüfungsergebnisse vorstellen

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben im Abgasskandal erlebt, wie das geht!)

und verbindlich darlegen, wie sie sicherstellen, dass sich ihr Fehlverhalten nicht wiederholt. Ich empfehle dringend, dass sich die Unternehmen ein transparentes ethisches Prüfraster geben, das solches Fehlverhalten verhindert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Theurer [FDP])

Es wäre eine ähnliche Reue und Einsicht notwendig für vieles, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abgasskandal.

Zwei Sachverständige haben im Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre vor eineinhalb Jahren mehrfach von Tierversuchen berichtet. Die Stellungnahmen sind sogar auf der Homepage des Deutschen Bundestages veröffentlicht worden.

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie sich dann nicht gekümmert?)

– Wieso haben Sie sich nicht gekümmert?

(Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind der zuständige Minister! Ihre Leute haben im Ausschuss gesessen!)

– Ich dachte immer, Untersuchungsausschüsse, von denen ich aus der Opposition heraus auch einige bestritten habe, sind Instrumente der Opposition.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind der Minister!)

– Herr Krischer, Sie waren Obmann im Untersuchungsausschuss.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir die Bundesregierung beleuchtet, und da haben wir einiges ausgegraben!)

– Aber Sie haben zu den Punkten leider nichts gesagt.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn hier der Minister?)

Meine Damen, meine Herren, es ist eine eigenartige Vorstellung, über diese Themen zu reden, ohne die ethischen Grundlagen zu akzeptieren. Natürlich muss alles auf den Tisch. Es geht überhaupt nicht, dass versucht wird, die Unschädlichkeit der Abgase nachzuweisen, indem man Tests macht, die ethisch problematisch und für Tiere und Menschen gefährlich sind. Da gibt es kein Pardon; da gibt es eine klare Linie. Darüber hinaus will ich bei dem entscheidenden Thema vorankommen, wie wir in der Zukunft eine Verbesserung der Luft durch eine Senkung des Stickoxidausstoßes erreichen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da tun Sie seit zweieinhalb Jahren nichts! Seit zweieinhalb Jahren sitzen Sie das aus!)

Einiges haben wir in der letzten Zeit erreicht. Ich erinnere nur an den Mobilitätsfonds von 1 Milliarde Euro. Ich erinnere daran, dass wir mit den Kommunen im intensiven Gespräch sind. Gott sei Dank sind von den 70 Kommunen im Ergebnis nur 20 besonders betroffen. Für die müssen wir schnell Lösungen finden und weitere Maßnahmen ergreifen. Wir werden das tun. Das haben wir mit den Ministerpräsidenten, den Bürgermeistern, aber auch der Automobilwirtschaft besprochen. Sie hat hier eine Bringschuld, und wir werden diese Bringschuld einfordern.

Ich empfehle also, in Untersuchungsausschüssen die Texte genau zu lesen. Dann muss man hinterher nicht so erbost sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Tierschutzthematik betrifft mich in meiner Zuständigkeit als Minister.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wofür sind Sie eigentlich Minister?)

– Hören Sie doch einfach einmal zu.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie sagen doch nichts! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wir hören schon die ganze Zeit zu! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Überwiegend hat im Moment der Herr Bundesminister das Wort.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Christian Schmidt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:

Wir haben das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren am Bundesinstitut für Risikobewertung eingerichtet. Wir fördern mit jährlich rund 5 Millionen Euro den Forschungsschwerpunkt „Ersatzmethoden zum Tierversuch“. Damit ist nicht diese Art von Tierversuchen gemeint. Aber es ist wichtig, den Respekt vor dem Tier auch in die Etagen zu bringen, in denen über solche Dinge entschieden wird. Das ist die eigentliche Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aufgabe der Opposition, oder wie?)