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Björn Simon: Wir befinden uns mitten in der größten Modernisierungsoffensive unserer Verkehrsinfrastruktur

Redebeitrag zur Verkehrspolitik

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns über die Praxis des Baus von Bundesfernstraßen reden. Die AfD behauptet in dem vorliegenden Antrag, Baustellen würden nicht zügig, nicht sicher und nicht umweltfreundlich genug umgesetzt werden.

Ich habe gerade den Einwurf gehört, alle Quellenangaben, die das bestätigen würden, wären doch da. Liest man aber mal die ersten Zeilen des Antrags, ist interessant, welche Quellenangaben Sie dort machen. Unter anderem ist das ZDF dabei, also eines der von Ihnen so genannten Systemmedien, die Sie nach eigener Aussage am liebsten abschaffen würden. Dass Sie sich auf diese Quellen beziehen, ist schon sehr interessant,

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Das ist nicht alles Unsinn, was sie sagen! Zwar das meiste, aber nicht alles!)

und das auch noch signiert von beiden Fraktionsvorsitzenden.

Beim Lesen des Antrags fällt zunächst auf, dass Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als die Arbeit der Bundesregierung und das Engagement des Bundesverkehrsministeriums beim Straßenbau ausdrücklich zu loben. Autobahnbaustellen sind unumgänglich – richtig –, um entstandene Schäden an den Straßen zu beseitigen. Es ist in der Tat begrüßenswert, dass die Instandsetzung und der Ausbau der Infrastruktur für den wachsenden Verkehr in Angriff genommen werden müssen.

In Zahlen gesprochen: 2019 stiegen die Investitionen in Fernstraßen auf 7,9 Milliarden Euro; das ist Rekord. Bis 2023 wird das Investitionsniveau noch einmal steigen auf dann über 8,6 Milliarden Euro. Zwischenfazit: Wir befinden uns mitten in der größten Modernisierungsoffensive unserer Verkehrsinfrastruktur.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Das können alle Autofahrer bestätigen!)

Das fällt nun mal durch Baustellen und dadurch, dass man im Stau steht, negativ auf.

Wenn man von dem berechtigten Lob für die Bundesregierung absieht, bietet Ihr Antrag zu den Autobahnbaustellen allerdings nicht viel Gehaltvolles. So ist eines der hauptsächlichen Anliegen die Forderung eines 7-Tage- und 24-Stunden-Betriebs für Baustellen auf Bundesautobahnen. Das klingt im ersten Augenblick sehr verlockend. Aber ist das auch realistisch?

Zunächst sind Arbeiten in der Nacht deutlich teurer als am Tag. Wir reden hier von Lohnkostensteigerungen von 20 Prozent und Mehrausgaben beispielsweise für umfangreiche Beleuchtung. Zudem sind die Arbeitsbedingungen nachts in vielerlei Hinsicht deutlich schwieriger.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Ja, dann ist das halt so!)

Dasselbe Arbeitssicherheitsniveau ist schlicht nicht gegeben – um mal den Blick auf die Arbeitnehmer zu werfen. Die Versorgung mit Material ist kompliziert. Viele Lieferanten wie Asphalt-, Kies- oder Schotterwerke haben keine Genehmigung für den Nachtbetrieb, können also nachts kein Material zur Verfügung stellen.

(Lachen des Abg. Dr. Dirk Spaniel [AfD])

Auch der nächtliche Baulärm in der Nähe von Wohnorten – das wurde schon angesprochen – ist als Problem nicht zu unterschätzen.

Wichtig ist außerdem, dass Arbeiten mit besonders hohen Qualitätsanforderungen nachts gar nicht möglich sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist der lärmmindernde, offenporige Flüsterasphalt. Es darf nämlich keine Nähte geben beim Verlegen dieses Asphaltes, und das Wasser muss seitlich ablaufen können. Bei diesen höchsten Qualitätsanforderungen sind Arbeiten in der Nacht schlicht nicht möglich. Das werden Ihnen auch Bauexperten zweifelsfrei bestätigen; vielleicht suchen Sie das Gespräch.

In Einzelfällen mit Einzelprüfung ist eine 24/7-Baustelle durchaus möglich; wird ja auch teilweise praktiziert, wo es möglich ist.

(Zuruf des Abg. Thomas Ehrhorn [AfD])

Als pauschales Zukunftsmodell ist aber diese Rund-um-die-Uhr-Baustelle unter den genannten Voraussetzungen keine Lösung.

Eine weitere Forderung im Antrag betrifft die Länge der Autobahnbaustellen: höchstens 5 Kilometer durchgehend, auf Streckenabschnitten von 100 Kilometer eine Gesamtlänge von maximal 17 Kilometer; ebenso soll es Intervalle von freien Strecken mit mindestens 20 Kilometer Länge geben. – Was schon beim Zuhören wie ein kompliziertes Puzzle klingt, ist auch in der Realität kaum umsetzbar. Erklären Sie mal den Autofahrern, wie Sie bei diesem Schneckentempo, das Sie gerne vorlegen möchten, die deutschen Autobahnen auf ihrem hohen Niveau halten wollen. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit einer Baustelle leidet, da die Arbeitsmittel und ‑geräte in kurzen Autobahnbaustellen von unter 5 Kilometer, wie Sie sie fordern, häufig nicht effizient einsetzbar sind.

Die Wahrheit ist: Wir müssen langfristig auch weiterhin mit umfangreichen Bau- und Erhaltungsmaßnahmen rechnen. Hinzu kommen mittelfristig nicht absehbare Instandhaltungsmaßnahmen von Streckenabschnitten und Brückenbauwerken, die hier nicht vergessen werden dürfen. Eine strikte Kategorisierung in kleine Teilstücke und Strecken, die nicht angetastet werden dürfen, ist nicht praktikabel.

Lassen Sie mich abschließend betonen, warum wir in der Unionsfraktion davon überzeugt sind, dass wir schon in wenigen Monaten eine weitere Optimierung im Hinblick auf die Planung und Durchführung von Autobahnbaustellen erleben werden. Am 1. Januar 2021 – wir haben es bereits gehört – übernimmt die Autobahn GmbH des Bundes die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die Verwaltung der Autobahnen in Deutschland. Dass die Autobahn GmbH im vorliegenden Antrag von Ihnen mit keinem einzigen Wort erwähnt wird, zeigt ein seltsames Verständnis von Verkehrspolitik aufseiten der Antragsteller.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer die heutige Planung und Durchführung von Autobahnbaustellen verändern will, dabei aber nicht berücksichtigt, dass die Grundlage ebendieser Planung und Durchführung in wenigen Wochen grundlegend verändert wird, dem fehlen entweder die politischen Themen, oder dem fehlt schlicht und ergreifend der Durchblick bei diesem Thema.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)