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Björn Simon: Einzelne Staaten alleine haben beim Kampf gegen die Vermüllung keine Chance

Rede zur Umsetzung der Strategie gegen Plastikmüll

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Etwas Positives hat das Thema ja: Anscheinend sind wir hier im Haus einer Meinung darüber, dass Plastikmüll in unseren Meeren nichts zu suchen hat. Trotzdem debattieren wir hier über eines der größten globalen Probleme unserer Zeit. Wir alle kennen die Videos und Fotos von Stränden auf der ganzen Welt, die im Plastikmüll versinken. Ein über 1 Million Quadratkilometer großer Müllteppich treibt in unseren Ozeanen; das entspricht der Fläche von Ägypten. Selbst in den entlegensten Regionen – das wurde schon gesagt –, selbst in der Arktis wird man fündig.

Daran sehen wir doch, dass unser Wissen über das gesamte Ausmaß der globalen Umweltverschmutzung durch Plastikmüll begrenzt ist. Uns fehlen gesicherte Kenntnisse über die Herkunft von Kunststoffen in den Meeren, deren Verhalten in Meeren, in Binnengewässern, aber auch im Boden sowie über die Auswirkungen auf Menschen, Tiere und die Pflanzenwelt. In der Folge beauftragen wir die Forschung nicht nur – das wurde auch schon richtig gesagt –, um mehr über die Dimensionen der Vermüllung an sich zu erfahren, sondern auch, um konkret Gegenmaßnahmen zu entwickeln, um Plastikeinträge in die Umwelt substanziell zu verringern.

Eines der größten Forschungsprojekte weltweit in diesem Bereich trägt den Titel „Plastik in der Umwelt – Quellen, Senken, Lösungsansätze“ und wird bereits seit Oktober 2017 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 35 Millionen Euro gefördert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit trägt Deutschland dazu bei, die biologische Abbaubarkeit bestimmter Kunststoffe signifikant zu verbessern, sodass ein vollständiger Abbau ohne Gefährdung für Umwelt und Gesundheit erfolgen kann. Aber: Die Vermüllung der Weltmeere ist globalen Ursprungs. Meeresströmungen, Gezeiten, Winde tragen naturgemäß dazu bei, dass sich Plastikabfall weltweit verteilt. Einzelne Staaten alleine haben beim Kampf gegen die Vermüllung keine Chance.

Die europäische Plastikstrategie ist an dieser Stelle ein sehr wichtiger Schritt. Natürlich gibt es umweltschonendere Alternativen zu Einweggeschirr, Plastikbesteck oder beschichteten Pappbechern. Es bringt uns jedoch nicht weiter, einen europäischen Wettlauf um Produktverbote zu starten, um einzelne Produkte zu verbieten. Unsere Aufgabe ist es, Anreize zu schaffen. Was wir brauchen, sind ökologisch bessere und für den Verbraucher auch bezahlbare Alternativen, damit er oder sie sich beim nächsten Einkauf auch entscheiden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie Plastiksubventionen abschaffen!)

Liebe Grüne, wir brauchen uns übrigens beim Umweltschutz nicht zu verstecken. Deutschland nimmt in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle ein; wir sind ganz vorne mit dabei.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das ist nicht so!)

Das hören Sie zwar nicht gerne; aber auf diese Vorreiterrolle dürfen wir ruhig auch einmal stolz sein.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung von Herrn Krischer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Björn Simon (CDU/CSU):

Herr Krischer, bitte.

(Karsten Hilse [AfD]: Na bitte! Das wollen wir doch hören!)

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, Deutschland hätte eine Vorreiterrolle. Eben gab es auch schon Bemerkungen, zum Beispiel von Herrn Sitta, 97 Prozent des verwendeten Plastiks befänden sich im Recyclingkreislauf. Ich habe eine aktuelle Studie des Wuppertal Institutes gelesen, zu der es keinen Widerspruch aus dem Umweltministerium gab. Darin kommt man zu dem Ergebnis, dass 94 Prozent des bei uns eingesetzten Plastiks entweder verbrannt oder exportiert wird – im Moment im Wesentlichen nach Malaysia; wo es dann landet, kann man sich ja vorstellen –

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ja, die kaufen das, um es dann in die Meere zu schmeißen!)

und nur 6 Prozent tatsächlich recycelt werden. Meine Frage an Sie: Wie können Sie angesichts dieser Tatsache, dieser eindrucksvollen Zahlen hier behaupten, dass Deutschland ein Vorbild beim Thema „Umgang mit Plastik“ ist? Das würde ich einfach mal gerne hören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Björn Simon (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Kollege, ich kann das unterstreichen, was der Kollege Sitta schon gesagt hat. Gerade bei PET-Flaschen besitzen wir eine Vorreiterrolle, und das international gesehen. Die Ziele, die die Europäische Union jetzt für die nächsten Jahre fordert, übertreffen wir schon heute über die Maßen.

(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])

Wir sind bei einer Recyclingquote von 98 Prozent.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist falsch! Was ist die Quelle für die Zahlen?)

– Doch. Natürlich widersprechen sich verschiedene Studien; wir können uns gerne zusammensetzen und die verschiedenen Studien übereinanderlegen. Aber jetzt hier eine Studie zu nennen, die das Gegenteil beweisen soll, ist nicht fair, nein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Also noch einmal: Unser Pfandsystem für Mehrwegflaschen ist weltweit einmalig. Unsere Verpackungsverordnung ist Grundlage für ein sehr effizientes System der flächendeckenden Sammlung, des Verwertens und des Recyclings. Wir arbeiten stetig daran, die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln und den Kreislauf weiter zu schließen, um durch recyclingfähiges Design, effizienten Materialeinsatz, verstärkten Recyclingeinsatz und umfassende Sortiersysteme auf Plastik zu verzichten. Am Ende muss gelten: Vermeiden ist besser als Wiederverwenden, Wiederverwenden ist besser als Recycling, und Recycling ist besser als Verbrennen.

Genau dieses Bewusstsein im Umgang mit Kunststoffmüll fehlt den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern; sie verfügen schlicht über kein Entsorgungssystem, teilweise weil sie es nicht besser wissen, teilweise weil sie andere Prioritäten setzen. Als Deponien dienen oftmals Flüsse.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Suchen Sie doch keinen Sündenbock dafür!)

Dem Kollegen von den Linken, der gerade gesagt hat, dass in Deutschland viel Abfall und viel Plastik in den Flüssen landet, kann ich nur sagen: Das ist in den großen Industrienationen, gerade in Asien, aber auch in afrikanischen Staaten, der Fall. Der Abfall wird ins Meer gespült, wo sich dieser durch die Meeresströmung weiter verteilt. Hier müssen wir ansetzen.

Liebe Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, mit den vorliegenden Anträgen machen Sie es sich in unseren Augen viel zu einfach, nicht nur, dass die beiden Anträge in ihrer Grundforderung quasi deckungsgleich sind.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind sie nicht! Dann haben Sie sie nicht gelesen! Das ist ganz offensichtlich!)

Mit dem umfangreichen Maßnahmenkatalog werden Sie Ihrem Ruf als Verbots- und Regulierungspartei leider wieder einmal gerecht. Dabei übersehen Sie die vielen positiven Entwicklungen und Anstrengungen in unserem Land in Gänze. Bestehenden und gerade anlaufenden Maßnahmen geben Sie erst gar nicht die Chance, ihre Wirkung zu entfalten.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche denn? Was ist denn angelaufen?)

Was mich dann doch sehr irritiert und sogar verärgert hat bei der Lektüre Ihrer beiden Anträge, vor allem bei der Lektüre des Antrags „Strategie gegen Plastikmüll jetzt umsetzen“, ist: Hier fordern Sie eben mal so unter Punkt 17, „ein deutschlandweites Tempolimit auf Bundesautobahnen einzuführen“,

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Keine schlechte Idee! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie nicht verstanden! Herr Lenkert hat es doch eben erklärt!)

was der Debatte widerspricht. Unter dem Deckmantel der Plastikvermüllung der Weltmeere wird hier wieder einmal versucht, das Autofahren in Deutschland unattraktiver zu machen und den Menschen in ihrem Land vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten haben.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Björn Simon (CDU/CSU):

Das ist nicht die Art und Weise meiner Fraktion, mit den Menschen in unserem Lande umzugehen. Wir bauen auf eine funktionierende Kreislaufwirtschaft, eine ausgedehnte Forschung und eine zielgesteuerte Entwicklungshilfe.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)