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Astrid Damerow: Die Wirkungen des marinen Geoengineerings auf die Umwelt und auf den Lebensraum Meer sind unabsehbar

Rede zu Regelungen zum marinen Geo-Engineering

Wir beraten heute über einen Gesetzentwurf zu der Entschließung über die Änderung des Londoner Protokolls sowie über einen Gesetzentwurf zur Beschränkung des marinen Geoengineerings, mit dem der Erweiterung des Londoner Protokolls zur Regelung des Absetzens von Stoffen im Hinblick auf Tätigkeiten der Meeresdüngung Rechnung getragen wird.

Geoengineering bedeutet, dass großflächige Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde vorgenommen werden. Damit soll vor allem die Konzentration von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre verringert und infolgedessen die Erderwärmung begrenzt werden.

Beim marinen Geoengineering geht es unter anderem um die Zuführung von Eisensulfat in die Meere, um damit das Wachstum von Phytoplankton anzuregen. Phytoplankton besteht aus verschiedenen Algenformen und Bakterien und baut sich mithilfe der Photosynthese aus Kohlenstoffdioxid und weiteren Nährstoffen auf. Es dient wiederum einer Vielzahl von Lebewesen im Ozean als Nahrungsgrundlage. Indem das Wachstum des Phytoplanktons angeregt wird, wird überschüssiges Kohlenstoffdioxid folglich organisch gebunden. Mit dem Absterben sinkt es auf den Meeresboden.

In der Vergangenheit gab es verschiedene Experimente und Testläufe. Der größte Versuch kommerzieller Art wurde von Russ George im Jahr 2012 vor der kanadischen Westküste durchgeführt. Mehr als 100 Tonnen Eisenpartikel sollten das Algenwachstum im Meer beschleunigen, um den Lachsbestand zu stärken. Auf Satellitenbildern war eine rund 10 000 Quadratkilometer große Algenblüte zu sehen. Das entspricht zwei Dritteln der Fläche Schleswig-Holsteins. Die Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Lachsbestände blieben jedoch unklar.

Unter deutscher Beteiligung wurde zu wissenschaftlichen Zwecken beispielsweise das Lohafex-Experiment im Jahr 2009 durchgeführt. Daran waren sowohl das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch das Alfred-Wegener-Institut beteiligt. Es handelte sich um ein deutsch-indisches Kooperationsprojekt, bei dem mit dem deutschen Forschungsschiff „Polarstern“ in einem 300 Quadratkilometer großen Versuchsgebiet 6 Tonnen Eisensulfat ausgebracht wurden. Im Ergebnis erklärten das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesumweltministerium, dass sie in diesem Vorgehen keinen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz sehen.

Ich bin der Auffassung, dass es sich bei den verschiedenen Varianten des Geoengineerings in jedem Fall um manipulative Eingriffe in großem Stil in die Natur handelt, deren Auswirkungen wir letztlich nicht abschätzen können. Auch beim marinen Geoengineering werden unerwünschte Nebenwirkungen befürchtet. So ist beispielsweise der durch Eisensulfat verursachte erhöhte Sauerstoffverbrauch des Phytoplanktons nicht kalkulierbar und könnte weitere sauerstoffarme Zonen im Meer zur Folge haben. Wir wollen daher bereits die weitere Erforschung des marinen Geoengineerings streng begrenzen und nur dann zulassen, wenn negative Auswirkungen auf die Umwelt ausgeschlossen werden können.

Hinzu kommt, dass das marine Geoengineering in der Wirtschaft auch kommerzielles Interesse weckt. Der Versuch, mittels Eisendüngung die Lachsbestände zu beeinflussen, ist ein guter Beleg dafür. Deshalb wurden inzwischen alle geplanten Aktivitäten dieser Art von den nationalen und internationalen Behörden gestoppt.

Die Wirkungen des marinen Geoengineerings auf die Umwelt und auf den Lebensraum Meer sind unabsehbar. Zu erwarten sind Veränderungen bei Artenvielfalt und -zusammensetzung bis hin zum Kippen des chemischen Gleichgewichts in unseren Ozeanen. Unklar sind vor allem aber die Nachhaltigkeit und überhaupt die Effizienz dieser Methode. Professor Douglas Wallace vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel fasste zusammen: „Unsere bisherigen Erkenntnisse legen nahe, dass sogar eine sehr groß angelegte Düngung des Ozeans über einen Zeitraum von 100 Jahren der Atmosphäre nur eine vergleichsweise kleine Menge CO2 entziehen würde.” Wir können also zum einen schädigende Auswirkungen auf die Meeresumwelt durch Vorhaben des marinen Geoengineerings, einschließlich der Meeresdüngung, nicht ausschließen. Zum anderen ist die tatsächliche Eignung als effiziente und praktikable Klimaschutzmaßnahme nicht ausreichend belegt.

Seit dem Jahr 2008 unterlag die Meeresdüngung verschiedenen internationalen Verträgen und Moratorien. Der Vorfall vor der kanadischen Westküste im Jahr 2012 veranlasste die Vertragspartner des Londoner Protokolls im Jahr 2013 zu Änderungen des Londoner Protokolls. Seither wurden international verbindliche Regelungen zum marinen Geoengineering festgelegt. Die Meeresdüngung ist seitdem nur noch zu wissenschaftlichen Zwecken und nur bei vorheriger Erlaubnis möglich. Eine kommerzielle Nutzung ist verboten. Darüber hinaus gibt es eine Rahmenregelung, von der weitere Techniken des marinen Geoengineerings mit schädlichen Auswirkungen auf die Meeresumwelt erfasst werden.

Erstmals werden im internationalen Recht auch Kriterien zur Bestimmung eines Forschungsvorhabens und die zwingende Konsultation potenziell betroffener Staaten festgelegt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir eine Vorsorgeregelung schaffen. Wir beschließen damit eine Erweiterung des London-Protokolls zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen. Die neuen Regelungen werden damit in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Ratifizierungsgesetz werden nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 unseres Grundgesetzes die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Bundestag als Gesetzgeber die Änderung des London-Protokolls ermöglicht. Zudem ist ein nationales Ausführungsgesetz erforderlich, mit dem wir auch das Hohe-See-Einbringungsgesetz und das Wasserhaushaltsgesetz anpassen.

Die Intention ist, ein klares Signal zu geben, dass Deutschland auch weiterhin kommerzielle Unternehmungen zur Meeresdüngung untersagt und Forschungsprojekte selbst nur unter Berücksichtigung und Ausschluss erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt erlaubt.

Es bleibt dabei, dass die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung zur Minderung des Treibhausgasausstoßes für uns allerhöchste Priorität genießen. Wir bekennen uns zu den Klimazielen, die wir uns für das Jahr 2020 gesetzt haben. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD deutlich gemacht. Wir wissen, dass hier im Augenblick Nachholbedarf besteht, und wir arbeiten engagiert daran, diese Lücke zeitnah zu schließen. Schon jetzt arbeiten wir an besseren Strategien, die Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen.

Zusammenfassend möchte ich Folgendes betonen: An erster Stelle steht für meine Fraktion die Reduzierung und Vermeidung klimarelevanter Emissionen. Parallel dazu muss gesamtgesellschaftlich an unterschiedlichen Anpassungsstrategien gearbeitet werden. Das halte ich für den richtigen Weg, und ich bin überzeugt davon, dass nur so die Akzeptanz in der Bevölkerung gewährleistet wird. Belegen möchte ich dies mit Umfrageergebnissen von YouGov aus dem Jahr 2017: Demnach sind 61 Prozent der Deutschen skeptisch gegenüber manipulativen Eingriffen in das Klima, nur 22 Prozent sind dafür. Die Ablehnung zieht sich durch alle Altersgruppen und ist besonders bei jüngeren Menschen ausgeprägt. Ich teile diese Skepsis. Daher bitte ich Sie, den vorliegenden Gesetzentwürfen zuzustimmen.