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Andreas Scheuer: Die deutsche Autoindustrie hat eine Riesenverantwortung

Rede zum Diesel-Fahrverbote in deutschen Großstädten

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sprechen wir einmal über die generellen Ziele: Die Ziele müssen doch sein, Fahrverbote mit konkreten Maßnahmen zu vermeiden, die Zukunft des Diesels zu sichern und damit auch Hunderttausende von Arbeitsplätzen zu erhalten, den Dieselbesitzern Lösungen anzubieten, die Luft in den Innenstädten noch sauberer zu machen und schließlich das Dieselbashing endlich durch Versachlichung zu beenden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich sind die Autohersteller in der Pflicht. Sie haben jetzt die Verantwortung, Vertrauen zurückzugewinnen. Wir haben den Dieselskandal mit allem Engagement und aller Kraft abgearbeitet und werden ihn weiter abarbeiten. VW hat eine Abarbeitungsquote von 97 Prozent, und ich erwarte, dass 100 Prozent erreicht werden. Das ist der eine Teil. Es gibt außerdem Zusagen für Softwareupdates für 6,3 Millionen Fahrzeuge, die zu einer Schadstoffreduzierung von 30 Prozent führen werden.

Aber Sie – mein Vorredner, Kollege Kühn, ist darin ja Spezialist – versuchen auf Teufel komm raus, den Dieselskandal der Vergangenheit mit der gegenwärtigen Diskussion zur sauberen Luft in den Innenstädten einfach zu vermengen –

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn „Vergangenheit“?)

zum Schaden und auf dem Rücken von Millionen Beschäftigten in der deutschen Automobilindustrie.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Geht doch weiter! Sie verlängern den Skandal! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Dieselskandal hängt damit zusammen!)

Herr Kühn, wer dies macht, so wie Sie, ist damit der Aktivist für den Wertverlust der Fahrzeuge von vielen Millionen Dieselfahrern. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Sie! Seit drei Jahren gucken Sie zu, wie sich der Skandal entwickelt! – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tragen die Verantwortung!)

In Wirklichkeit wollen Sie den Diesel – egal welchen Diesel, vor allem aber auch den sauberen Diesel – und damit Hunderttausende von Arbeitsplätzen kaputtmachen. Und da macht diese Koalition nicht mit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, die deutsche Autoindustrie hat eine Riesenverantwortung; denn sie hat Vertrauen durch den Dieselskandal verspielt. Sie hat jetzt die einzigartige Möglichkeit, mit einer Strategie für saubere Luft in den Innenstädten dafür zu sorgen, das Vertrauen mit attraktiven Angeboten zurückzugewinnen. Das erwarte ich auch; da ist die Automobilindustrie gefordert.

Der Koalitionsausschuss will mit dem „Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ mehr erreichen als den aktuellen Verhandlungsstand. Wir wollen erreichen, dass sich die Automobilindustrie neben den Zusagen, die jetzt schon da sind, noch stärker finanziell beteiligt; da haben wir noch offene Fragen.

Aber wenn jetzt gesagt wird, Bußgelder sollen das Druckmittel sein,

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sie sollten Antworten haben als Bundesregierung!)

dann muss ich Ihnen sagen: VW hat bei 2,5 Millionen Fahrzeugen getrickst und diese Tricksereien mit einer Abarbeitungsquote von 97 Prozent abgestellt; das wäre ein Bußgeldvolumen von 12,5 Milliarden Euro. Ich möchte keine Bußgelder für die Vergangenheit haben, sondern ich möchte, dass die deutsche Automobilindustrie diese 12,5 Milliarden Euro in die Zukunft investiert – zum Erhalt der Arbeitsplätze, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Unser Konzept sind nicht Strafen und Verbote. Unser Konzept sind Anreize und Förderung sowie Hilfe für Millionen von Dieselbesitzern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihre Sprüche, Frau Remmers, sind schon sehr interessant: Sie verknüpfen den Skandal mit den Urteilen zu Fahrverboten.

(Ingrid Remmers [DIE LINKE]: Sie wollen erzählen, das habe nichts miteinander zu tun!)

Wer hat denn Verantwortung im Land Berlin? Wer ist denn dafür zuständig, dass die Luft in der Hauptstadt sauberer wird? Ihr seid daran beteiligt. Und jetzt führen Sie sich hier auf und sagen, das Berliner Urteil sei auf den Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zurückzuführen. Nein, dieses Berliner Urteil ist auf Ihre Schlampigkeit bei alten Luftreinhalteplänen zurückzuführen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)

Sie, Frau Remmers, täuschen die Menschen in unverantwortlicher Weise. Sie täuschen die Menschen,

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Getäuscht haben hier ganze andere! – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Die Regierung in Berlin! Die CDU hat jahrzehntelang in Berlin die Verkehrspolitik gemacht!)

wenn Sie behaupten, dass das Berliner Urteil die Folge davon sei, dass die Koalition im Koalitionsausschuss kein ausreichendes Konzept entwickelt habe.

(Ingrid Remmers [DIE LINKE]: Nach drei Jahren!)

Das ist falsch; denn mit unseren Geldern sorgen wir dafür, dass die Berliner Luft, also die Luft in Ihrem Verantwortungsbereich, besser wird. Das ist der Hintergrund. Sie müssen nur die Angebote nutzen. Solange hier noch ausrangierte BVG-Busse aus den 80er-Jahren Sight­seeingtouren machen, bei denen man die Rußpartikel einzeln abzählen kann, wenn man hinterherfährt, ist die Zeit noch nicht gekommen, um die Bundesregierung zu kritisieren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)

Was haben wir in der Koalition beschlossen?

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts! Das ist ja das Problem!)

Wir haben zum einen ein Riesenmaßnahmenpaket von über 1 Milliarde Euro beschlossen. Greifen Sie nur zu, liebe Kommunen. Greifen Sie zu, indem Sie Dieselbusse umrüsten und neue Elektrobusse bestellen. Greifen Sie zu bei der 80‑prozentigen Förderung für schwere Kommunalfahrzeuge, von Müllfahrzeugen angefangen bis zur Straßenreinigung.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen, dass das fast nichts ausmacht!)

Greifen Sie zu, wenn es um eine 80‑prozentige Förderung von Handwerker- und Lieferfahrzeugen geht, um die Fahrzeuge, die ausschließlich in der Stadt fahren, sauberer zu machen. Das ist unser Hintergrund. Dann wird sehr schnell eine Riesengruppe von Städten unter die Grenzwertbelastung von 40 Mikrogramm kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ja, wir haben sogar sehr kraftvoll und weitblickend ein Angebot für Millionen Dieselbesitzer mit interessanten Tauschprämien entwickelt.

(Ulli Nissen [SPD]: Ah ja!)

Das heißt, für einen Umtausch gibt es bei BMW 6 000 Euro, bei VW 4 000 bis 8 000 Euro, im Durchschnitt 5 000 Euro, bei Daimler 5 000 Euro.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie Autohersteller geworden?)

Es ist in der Verantwortung der Autohersteller, das jetzt zügig umzusetzen. Wir reden von 1,4 Millionen Fahrzeugen und einem Volumen von 7 Milliarden Euro.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von 11 Millionen Nutzern von Diesel-Pkw!)

Wenn das kein Angebot für die vielen Dieselbesitzer ist, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil es ja unglaublich viele Hardwarenachrüstungsfetischisten in diesem Hohen Haus gibt, frage ich:

(Oliver Luksic [FDP]: So darf man doch nicht über die Kanzlerin reden! Sie ist doch keine Fetischistin!)

Soll die Bundesregierung jetzt schon selber Teile entwickeln, die die Nachrüster entwickeln sollen? Soll die Politik dafür sorgen, dass es Teile gibt, die wir genehmigen können? Nein, natürlich nicht. Für Dieselbusse gibt es Hardwarenachrüstungssätze, es gibt sie für Lkws, bald hoffentlich auch für Handwerker- und Lieferfahrzeuge. Aber die Nachrüstungsindustrie hängt nach bei den Pkws. Das ist der Hintergrund. Ich kann vom KBA nicht einmal Teile genehmigen lassen, weil es keine gibt.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Doch! Natürlich! – Ulli Nissen [SPD]: Ist die Erde eine Scheibe?)

Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion, im Titel der Aktuellen Stunde haben Sie das Wort „Regierungshandeln“ gebraucht. Ja, die Regierung handelt mit einem ganz konkreten großen Paket, damit wir eines sichern, nämlich die Zukunft des Diesels und die Zukunft der Mobilität in der Innenstadt. Wir wollen, dass die Luft sauberer wird.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also tun Sie was dafür!)

Deswegen werden wir in den Städten, in denen die Werte zwischen 40 und 50 Mikrogramm liegen, die Werte recht schnell unter den Grenzwert bringen. Aber es braucht auch die Verantwortung der Kommunen und Länder, dieses Paket zu nutzen. Für die 14 Städte, die am intensivsten betroffen sind, haben wir uns eine ganz besondere Form der Betreuung überlegt.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ganz besonders Bürokratisches haben Sie sich da überlegt!)

Ich werde die Vertreter der 14 betroffenen Städte zu mir ins Ministerium holen, um noch einmal nachzufragen, wer was abruft, damit wir passgenaue Lösungen finden. Dann geht es auch um Folgendes: Wenn wir, lieber Herr Kollege Kühn, wie Sie es versuchen, den Diesel kaputtmachen würden,

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie viel besser!)

dann wäre plötzlich die ganze Debatte auf die CO 2 -Reduktion bezogen. Ich sage Ihnen: Bei der CO 2 -Reduktion hätte ich mir in dieser Woche bessere Ergebnisse gewünscht – so waren sie auch innerhalb der Bundesregierung vereinbart –, nämlich eine Reduktion um 30 Prozent.

(Gerold Otten [AfD]: 30 plus x! – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schlecht fürs Klima! Sagen Sie es ruhig!)

Dann hätten wir das technisch Machbare verhandelt und nicht das Politisch-Ideologische.

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat der VDA unterschrieben!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)