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Andreas Jung: Wir müssen unsere Klimapolitik aufforsten

Rede zum Klimaschutzprogramm 2030

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der neueste Bericht des IPCC zeigt uns ein weiteres Mal in dramatischer Weise, worum es beim Klimawandel geht. Papst Franziskus spricht dabei von der vielleicht wichtigsten Aufgabe; er nennt es die „Verteidigung der Mutter Erde“.

Wir haben mit dem Pariser Klimaabkommen den Rahmen, um auf die Herausforderungen des Klimawandels mit Klimaschutz eine überzeugende Antwort zu geben. Das alles ist Maßstab unserer Politik. Das alles bleibt aber nicht ohne Konsequenzen, und deshalb muss selbstverständlich die Lücke, die entstanden ist, konsequent geschlossen werden; deshalb müssen wir selbstverständlich die Weichen überzeugend und glaubwürdig stellen, damit wir unsere Klimaziele erreichen. Das alles hat also ganz konkret Folgen für die Politik. Deshalb ist die Botschaft nicht „Weiter so!“ – sie wäre ganz falsch; denn das würde heißen, die Lücke wird größer –, sondern die Botschaft ist: Es sind tiefgreifende Veränderungen notwendig. Wir müssen unsere Klimapolitik aufforsten. Wir müssen unser Land von Grund auf energetisch sanieren und den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren. Das ist unser Maßstab, und das ist unsere Linie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der FDP?

 

Andreas Jung (CDU/CSU):

Bitte.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das ging aber schnell!)

Dr. Christoph Hoffmann (FDP):

Sehr geehrter Herr Jung, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Wir haben vorher gerade über Photovoltaik gesprochen. Der Deckel ist ja aufgehoben; das ist, glaube ich, begrüßenswert. Aber haben Sie auch die EEG-Umlage für PV-Eigenstromverbrauch gestrichen? Die würde nämlich wirklich neuen Wind für den Mittelstand bringen, und wir hätten eine Photovoltaik 2.0. Haben Sie die in dem Paket gestrichen?

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Noch haben wir ja kein Gesetz!)

Andreas Jung (CDU/CSU):

Herr Kollege, es geht ja darum, dieses Paket jetzt umzusetzen. In dem Paket ist die Aufgabe angesprochen, die EEG-Umlage Stück für Stück aufzuheben. Ich finde es einen besonders guten Gedanken, gerade beim Eigenverbrauch mit erneuerbaren Energien und PV anzufangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Das steht in dem Paket noch nicht konkret drin; aber ich finde, es muss in den weiteren Beratungen der Maßstab sein.

Der Kollege Nüßlein und ich haben das genau so vorgeschlagen, und wir werden in den weiteren Beratungen dafür kämpfen, auch bei der konkreten Umsetzung beim EEG. In einem zweiten Schritt muss dort, wo Strom aus erneuerbaren Energien bezogen wird, die EEG-Umlage wegfallen, weil in Zukunft doch nicht derjenige für den Ausbau der Erneuerbaren bezahlen soll, der zu 100 Prozent Ökostrom bezieht, sondern besser derjenige, der CO2 ausstößt. Das ist ein guter Gedanke für die Verwendung künftiger Einnahmen aus dem Emissionshandel.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Handel! Es ist ein Handel!)

Es beschreibt den Punkt, zu dem ich jetzt kommen würde – die Beantwortung der Frage ist damit abgeschlossen –: Dieses Paket der Bundesregierung, die Veränderungen, die notwendig sind, werden beschrieben mit Maßnahmen für erneuerbare Energien, Gebäudesanierungen, Heizungsaustausch und vielem mehr. Das bringt uns voran und zeigt: Wir brauchen nicht nur Veränderungen, sondern wir werden diese Veränderungen gestalten. Wir werden die Menschen mitnehmen auf diesem Weg im Sinne umfassender Nachhaltigkeit. Konsequenter Klimaschutz von vornherein verbunden mit sozialer Akzeptanz und wirtschaftlicher Entwicklung: Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt – das ist unsere Linie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein wichtiger Baustein dabei ist die CO2-Bepreisung, die zu einem tragenden Element aufwachsen soll. Sie wird derzeit in besonderer Weise diskutiert. Ich finde, die Architektur dabei stimmt: Einstieg mit einem Festpreis, der einen zeitnahen Einstieg ermöglicht, und dann Ausbildung eines Zertifikatesystems mit einem Mindest- und einem Höchstpreis. Jetzt kann man das kritisieren, wie es der Kollege Lindner vorher gemacht hat; er ist jetzt nicht mehr da, aber Sie werden es ihm ausrichten.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wo ist er überhaupt? Er hat doch geredet! Frechheit!)

Ich möchte nur darauf hinweisen: Wenn er das kritisiert, dann kritisiert er die Empfehlung der Wirtschaftsweisen, die uns genau dies vorgeschlagen haben.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Nein, was ist das denn? In sieben Jahren!)

„Mindest- und Höchstpreis als soziale Haltelinie“ ist der Vorschlag der Wirtschaftsweisen. Sie können das kritisieren, aber tun Sie es nicht in der Attitüde der Gralshüter sozialer Marktwirtschaft. Da traue ich den Wirtschaftsweisen mehr zu als der FDP, mit Verlaub.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Sie haben keine soziale Marktwirtschaft eingeführt!)

Und natürlich nehmen wir ernst, was die Wissenschaft sagt, Herr Kollege Hofreiter. Ich rate nur dazu, es konkret zu machen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Damit haben die ihre Probleme!)

Derjenige, der die Bundesregierung beraten hat, nämlich der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Professor Schmidt, sagte gestern bei einer Veranstaltung: Mit diesem Klimapaket ist die effektive Erreichung der Ziele angelegt. -

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Angelegt! – Dr. Lukas Köhler [FDP]: In Paris war sie auch angelegt! Umgesetzt ist nichts!)

Angelegt! Und er sagte weiter: aber noch nicht gesichert. – Das zeigt jedoch, dass die Erreichung mit diesem Paket möglich ist, dass es jetzt darauf ankommt, was wir machen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit bin ich bei dem früheren Kollegen Peter Struck und seinem Naturgesetz: Kein Vorschlag der Regierung ist so gut, dass er im Parlament nicht noch besser werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Das ist unser Anspruch.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Jung, Kollegin Verlinden würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

 

Andreas Jung (CDU/CSU):

Bitte.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Jung, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben eben gesagt: Die Zielerreichung könnte gelingen, der Rahmen sei angelegt. – Es ist aber auch so, dass viele Wissenschaftler – fast alle, deren Stellungnahmen ich seit Freitag gelesen habe – sagen: Bisher reichen die Maßnahmen eben nicht, die Sie in dem Paket aufgeführt und sich vorgenommen haben.

Ich begleite den Monitoring-Prozess zur Energiewende jetzt seit fast zehn Jahren. Da wird jährlich ein Bericht vorgelegt. Da werden jährlich Indikatoren überprüft. Da gibt es jährlich einen Bericht einer Expertenkommission, die die Bundesregierung beraten soll. Und jedes Jahr sagt diese Expertenkommission: Es reicht noch nicht, was die Bundesregierung tut, um ihre eigenen Ziele zu erreichen, die sie sich im Jahr 2010 vorgenommen hat. – Die Konsequenzen sind in der Regel gleich null.

Ich frage mich jetzt: Warum soll es diesmal anders sein?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Warum soll es diesmal anders sein? Will die Bundesregierung mit einem Expertenrat andere Maßnahmen beschließen, weil sie ihre eigenen Ziele nicht erreicht hat? Wir haben in den letzten zehn Jahren doch erlebt, dass es eben keine Konsequenzen hat, wenn sie nicht auf dem Zielpfad ist.

Nur noch ein kleines Beispiel, das meine Frage untermauert. Wir haben eben Herrn Miersch gehört, der mit einer flammenden Rede für diese Prämisse geworben hat,

(Ulli Nissen [SPD]: Das war super!)

dass es ein Klimaschutzgesetz geben wird, auf dessen Grundlage diese Fragen regelmäßig geklärt werden, die Zielerfüllung bei den jeweiligen Sektorzielen jährlich ressortspezifisch überprüft wird. Er hat von den Schweißperlen auf Herrn Scheuers Stirn gesprochen.

Ich frage mich: Woher soll diese Bundesregierung nächstes Jahr bitte schön die Kraft nehmen, wenn sie dieses Jahr schon nicht die Kraft hatte, die notwendigen Maßnahmen zu beschließen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum soll nächstes Jahr plötzlich ein Verkehrsminister innerhalb von drei Monaten die notwendigen Maßnahmen vorlegen, die zur Zielerreichung erforderlich sind, wenn es in diesem Jahr noch nicht einmal möglich ist, die wissenschaftlichen Grundlagen zur Verfügung zu stellen und der Verkehrsminister sich weigert, die Zahlen vorzulegen, damit wir alle sie überprüfen können?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andreas Jung (CDU/CSU):

Frau Kollegin, ich würde Ihnen raten, von diesem Jahr nicht in der Vergangenheit zu sprechen. Nach meinen Berechnungen haben wir Ende September, und die parlamentarischen Beratungen beginnen gerade.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe eben unseren Anspruch formuliert, jetzt aus dem Vorliegenden das Bestmögliche zu machen und sicherzustellen, dass wir die Ziele erreichen. Das Weitere ist der Monitoring-Prozess, zu dem die Kollegen Brinkhaus und Miersch vorher das Entscheidende gesagt haben. Es war in der Vergangenheit anders. Es gibt keinen Expertenrat, der Empfehlungen gibt, die dann aufgegriffen werden oder nicht, sondern ein verbindliches, verlässliches, festgelegtes Szenario, um die Ziele, die möglicherweise in einem Jahr verfehlt würden, tatsächlich zu erreichen. Das ist der Unterschied, und das ist das, was wir neu auflegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Ich komme auch zu dem, was Sie gesagt haben. Sie sagten: die Wissenschaft. Das ist immer so allgemein. Auch bei der Frage der Ausgestaltung gibt es nicht den Hinweis der Wissenschaft oder den Preis der Wissenschaft. Ich jedenfalls lese eine Botschaft vieler Wissenschaftler heraus, die lautet: Es ist richtig, moderat einzusteigen. – Der Meinung bin ich auch. Moderat kann auch eine Etage weiter oben angesiedelt sein, zum Beispiel beim europäischen ETS-Preis. Das Entscheidende ist ein glaubwürdiger Pfad, der schrittweise begangen wird. Genau so haben wir es in der CDU übrigens beschlossen; das ist Maßstab für die weitere Debatte.

Die Eckpunkte des Klimapakets der Bundesregierung beantworten ja noch nicht alle Fragen abschließend, sondern können und müssen noch konkretisiert werden, weil zum Beispiel für die Jahre 2027 bis 2030 noch keine genauen Marken festgelegt wurden. Ein Christdemokrat hat einmal gesagt: Es kommt darauf an, was hinten rauskommt. – Deshalb sollten wir uns in besonderer Weise gerade diesem Pfad widmen.

Die Überlegung, die dahinter steht, heißt: Wir dürfen jetzt nicht überfordern. Nicht jeder kann sich gleich ein neues Auto oder eine neue Heizung kaufen. – Deshalb unterstützen wir bei Umbau und Umstieg. Aber wenn die Entscheidung das nächste Mal ansteht, dann muss klar sein: Es wird schrittweise teurer werden, daher entscheide ich mich besser für die sparsame, klimafreundliche Alternative. – Darum geht es jetzt. Das gilt es zu schärfen. Dazu sind die parlamentarischen Debatten da.

Auf dieser Grundlage wollen wir auch in die Gespräche für einen nationalen Klimakonsens einsteigen. Wir wollen, dass sich am Ende ganz viele hinter einem Konzept versammeln können, damit es langfristig trägt. Ralph Brinkhaus hat gesagt: Das kann man nicht tun nach dem Motto „Vogel friss oder stirb“, sondern nur mit Offenheit. – Die bieten wir an, und wir erwarten sie von allen anderen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)