Thorsten Frei: Wir sind es unseren Kindern schuldig, diese schrecklichen Verbrechen zu bekämpfen
Redebeitrag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Staufen, Bergisch Gladbach, Lügde, jetzt zuletzt Münster – es ist bedauerlicherweise nur die Spitze des Eisbergs. Die Dimensionen erschrecken jedes Mal aufs Neue. Wenn wir uns den Fall Münster anschauen, sehen wir, dass es hier um Datenmaterial von 500 Terabyte geht. Das heißt, ein Mensch, der das sichten möchte, muss zehn Jahre lang jeden Tag, 24 Stunden, 7 Tage die Woche, solches verbrecherisches Material anschauen, um da durchzukommen. Das sprengt schon die Vorstellungskraft. Zugleich ist es so – darauf weist beispielsweise die EU-Innenkommissarin hin –, dass in Zeiten der Covid-19-Pandemie die Nachfrage nach Kinderpornografie um 30 Prozent gestiegen ist. Wenn man in unsere Polizeiliche Kriminalstatistik schaut und liest, dass Kindesmissbrauch letztes Jahr um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, aber auch die Aufklärungsquote im Bereich Kinderpornografie um 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, stellt man fest: Wir haben es tatsächlich mit der Spitze eines Eisberges zu tun.
Ich glaube, wir sind es unseren Kindern schuldig, als zivilisierte Gesellschaft alles nur Denkbare zu unternehmen, um genau diese schrecklichen Verbrechen zu bekämpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es stimmt, Frau Justizministerin: Es ist nicht so, als würden wir erst heute damit anfangen. Erst in diesem Frühjahr haben wir den untauglichen Versuch beim Cybergrooming zur Straftat gemacht. Wir hatten das im Übrigen schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Angesichts der neun Seiten Gesetzestext wäre es sicher auch möglich gewesen, diesen Text in weniger als anderthalb Jahren vorzulegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber es ist passiert. Wir haben vor allen Dingen – das haben wir im Gesetzgebungsverfahren gemeinsam geschafft – für Polizisten die Möglichkeit geschaffen, mit computergeneriertem Material ins Darknet vorzudringen und dafür zu sorgen, dass die Aufklärung von Straftaten wie in Staufen nicht mehr dem Zufall überlassen bleibt, sondern dass sie tatsächlich möglich ist.
Sie haben recht: Nachher verabschieden wir hier im Deutschen Bundestag ein Gesetz, mit dem wir eben nicht nur die Provider zur Löschung solcher Straftaten aus dem Internet verpflichten, sondern zusätzlich auch mit der Ausleitung an das Bundeskriminalamt ermöglichen, dass eine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet werden kann. Das sind gewaltige Fortschritte, aber es ist noch nicht genug.
Ich gebe Ihnen auch recht: Ja, das ist ein umfassendes Problem. Da geht es auch um familienrechtliche Fragen. Da geht es um Fortbildungsfragen. Es geht um Prävention. Es geht um Schutzmaßnahmen für Opfer. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits im Februar 2019 ein 26-Punkte-Papier vorgelegt, in dem wir all diese Punkte adressieren. Ein Teil dieser Vorschläge beschäftigt sich mit der Anpassung der Strafrahmen beim Kindesmissbrauch und bei der Kinderpornografie.
Es sind Verbrechen, soweit es sich um Kindesmissbrauch handelt, und deswegen müssen sie auch genau so bestraft werden. Ich sage das deshalb, weil die Strafandrohung ja nicht nur eine abschreckende, nicht nur eine generalpräventive Wirkung hat, sondern weil es darüber hinaus auch darum geht, strafverfahrensrechtlich zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
etwa bei der Frage der Einstellung, bei der Erhebung von Verkehrsdaten, beim Abhören von Telefonen und anderem mehr. Wir schaffen damit für die Ermittler zusätzliche Möglichkeiten; und deswegen ist es richtig, das zu machen.
Im Übrigen, Frau Ministerin: Wenn Sie mich aus einem Brief an Sie zitieren, dann müssen Sie das auch korrekt machen. Da steht nämlich bei der Strafandrohung im Bereich der Kinderpornografie und des Besitzes von Kinderpornografie das Wort „mindestens“. Deswegen sage ich Ihnen an dieser Stelle zu:
(Zurufe der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir werden uns über diese Frage nicht streiten, sondern wir werden uns schnell einigen, damit wir auch im parlamentarischen Verfahren zügig vorwärtskommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es geht vor allen Dingen darum, dass wir zusätzliche Möglichkeiten der Strafverfolgung auch im Bereich der Kinderpornografie schaffen. Das ist nicht nur eine Einstiegsstraftat; das ist kein Kavaliersdelikt. Das ist schrecklich. Es geht letztlich darum, dass hinter jedem dieser Fotos und hinter jedem, der dafür etwas bezahlt, ein Kindesmissbrauch steckt. Deswegen brauchen wir dafür zum Beispiel auch die Möglichkeit der Onlinedurchsuchung. Deswegen müssen wir auch die Möglichkeiten verbessern, dafür Untersuchungshaft zu verhängen. Deswegen darf ein Pädokrimineller nicht nach wenigen Jahren wieder ein sauberes Führungszeugnis bekommen und vieles andere mehr. Ich schlage vor, Frau Ministerin, dass Sie sehr, sehr schnell diesen Gesetzentwurf hier in den Deutschen Bundestag einbringen. Wir unterstützen Sie dabei, dafür auch die parlamentarischen Mehrheiten zu schaffen.
Ich warne jedoch davor, diese Frage mit etwas zu belasten, bei dem es noch etwas Diskussionsbedarf gibt. Wir haben überhaupt nichts dagegen, Kinderrechte in anderer Form im Grundgesetz zu platzieren. Aber Sie wissen ganz genau, dass wir mit Ihrem Vorschlag nicht einverstanden sind.
(Katja Mast [SPD]: Wo denn sonst?)
Das Bundesinnenministerium hat einen alternativen Vorschlag gemacht. Auch darüber können wir gerne reden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie nicht mal einen Koalitionsausschuss machen?)
Zum Schutz des Kindeswohls – das sei mir als abschließende Bemerkung gestattet – muss man nur mal einen Blick in § 1666 BGB werfen. Da steht genau drin, dass, wenn das Kindeswohl – das körperliche, geistige oder seelische Wohl – gefährdet ist und die Eltern nicht in der Lage oder bereit sind, dem abzuhelfen, dann das Familiengericht die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat. Genau darum geht es. Deswegen: Im Grundgesetz steht jetzt nichts, was uns daran hindern würde, alles Notwendige zu tun, um unsere Kinder zu schützen. Und das sollten wir tun, und zwar zügig.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])