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Thorsten Frei: Der Bundesnachrichtendienst bedroht keine Verfassungsgüter

Rede zur Reform und Kontrolle der Nachrichtendienste

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat etwas Besonderes, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung in der vergangenen Woche festgestellt hat, dass die Grundrechte auch für Ausländer im Ausland gelten, wenn deutsche Staatsorgane tätig werden. Aber ich möchte an dieser Stelle auch sagen: Diejenigen, die jetzt glauben und triumphieren, dass die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung damit zur Strecke gebracht wurde, die sollten dieses Urteil richtig lesen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings!)

Dann kommen sie nämlich auf den Trichter, dass eine Kernaussage dieses Urteils ist, dass die strategische Fernmeldeaufklärung grundsätzlich verfassungskonform ist

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Nur Ihr Gesetz ist verfassungswidrig! Nur Ihr Gesetz!)

und dass der Gesetzgeber letztlich auch ohne Eingriffsschwelle diese erlauben kann, dass das möglich ist

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber nicht mit Ihrem Gesetz!)

und dass er das auch vorbehaltlos tun kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist ein Fakt, mit dem wir uns auseinanderzusetzen haben. Das werden wir berücksichtigen, wenn es darum geht, auf dieses Urteil zu reagieren.

Ja, es stimmt: Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, den Bereich der Eingriffsverfahren, der Löschungsverfahren, der Kontrollverfahren, auch der Übermittlungsverfahren

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also bei allem!)

konkreter zu fassen und insbesondere mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit klarer zu formulieren. Auf der Grundlage werden wir uns das Urteil vornehmen und analysieren.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden gemeinsam mit den Kollegen in der Koalition und der Regierung in einem transparenten Verfahren einen Gesetzentwurf erarbeiten,

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit uns nicht?)

ihn vorlegen und hoffentlich hier rasch umsetzen.

Ich kann Ihnen gerne sagen, von welchen Zielen wir uns dabei leiten lassen. Zunächst einmal ist ganz entscheidend, dass die strategische Auslandsaufklärung wirksam sein muss. Das ist von überragender Bedeutung. Ich will zur Einordnung Folgendes sagen: Der Bundesnachrichtendienst bedroht keine Verfassungsgüter. Ganz im Gegenteil: Er ist nicht nur die Grundlage dafür, dass wir den Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sicherstellen können, dass wir das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Deutschen sicherstellen können, sondern es geht auch um Frieden in Deutschland und Europa. – Das sind die Maßgaben. Dafür brauchen wir den Verfassungsschutz, und dafür braucht er die richtigen Instrumente.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will an dieser Stelle eines sagen: Die Herausforderung für Deutschland, auch im internationalen Maßstab Verantwortung für Sicherheit zu übernehmen, ist gewachsen. Das wird auch in Zukunft weiter so sein. Wir haben hier im Deutschen Bundestag elfmal Auslandsmissionen der Bundeswehr mandatiert. Und wir erwarten von einem Auslandsnachrichtendienst natürlich, dass er die Sicherheit gewährleistet, dass wir wissen, wo Anschlagsgefahren drohen, damit wir entsprechend sorgsam damit umgehen können. Das ist eine Erwartung, die wir haben. Deshalb brauchen wir dafür auch die notwendigen Instrumente.

Ich will des Weiteren sagen: Gerade weil es so ist, dass der Bundesnachrichtendienst, was die personelle Ausstattung und was die finanzielle Ausstattung anbelangt, nicht zu den bestausgestatteten Diensten weltweit gehört, um es mal vorsichtig zu formulieren,

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Mir kommen die Tränen! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Jahre müsst ihr regieren, bis sich das ändert?)

sind wir auf internationale Zusammenarbeit und Informationsaustausch angewiesen. Der Bundesnachrichtendienst kooperiert mit 451 Diensten in 167 Ländern. Die Vergangenheit hat gezeigt, wie notwendig dies ist, um die Sicherheit bei uns zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für uns ist vollkommen klar: Wir können uns keine nationale Sicherheit zweiter Klasse leisten und wollen das auch nicht. Deswegen brauchen wir einen Nachrichtendienst der Extraklasse.

Und jetzt will ich zum Thema der Kontrolle noch etwas sagen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Oh nein, das werden Sie nicht.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Einen letzten Satz, wenn Sie gestatten.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Nein, Sie sind schon drüber.

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Die Präsidentin hat das Sagen!)

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Das Bundesverfassungsgericht hat nichts zur parlamentarischen Kontrolle gesagt, sondern zur administrativen und zur gerichtsnahen. Deshalb haben wir im Bereich der parlamentarischen Kontrolle nichts zu verändern; die wird vorbildlich erledigt.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der CDU/CSU)