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Thorsten Frei: "Außen- und Innenpolitik sind zusammen zu denken"

Rede in der Aktuelle Stunde | Die Eskalation in Idlib und die Folgen für Europa

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte zeigt meines Erachtens sehr gut, dass es diese alte, klassische Trennung zwischen Außenpolitik und Innenpolitik nicht mehr gibt. Wir sehen, wie die Außenpolitik sich unmittelbar in deutscher und europäischer Innenpolitik niederschlägt. Deshalb müssen wir diese Aspekte letztlich zusammen denken.

Ich bin dankbar, dass bei uns der außenpolitische Teil durch Außenpolitiker dargestellt wird. Denn bei den Linken konnte man sehr gut sehen, dass Sie, liebe Frau Jelpke, in der außenpolitischen Bewertung so ziemlich alles durcheinandergebracht haben, was man in Bezug auf Syrien und Idlib durcheinanderbringen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich muss es einfach in dieser Deutlichkeit sagen: Wer irgendeinen Zweifel an der Hufeisentheorie hatte, der musste sich durch Sie bestätigt fühlen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wenn ich die Augen zugehalten hätte, hätte ich nicht sagen können, ob diese Rede von der Linken oder von der AfD kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Unverschämtheit!)

Eine solche Rede hätte ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht zugetraut. Insofern muss man in aller Deutlichkeit sagen: Eine richtige Einordnung ist die Grundlage dafür, dass wir zu Lösungen kommen.

Ein zweiter Punkt, den ich sagen möchte:

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Dann will ich jetzt aber mal was deutlich zur Türkei hören!)

Wir sind nicht erpressbar gegenüber der Türkei, sondern wir müssen schauen, wie wir zu vernünftigen Lösungen kommen. Es ist genügend Richtiges zur Einordnung der Türkei gesagt worden. Dass das EU-Türkei-Abkommen ein wichtiges Mittel ist, um Migrationsherausforderungen zu bewältigen, ist einfach zutreffend. Wenn wir Schwierigkeiten dabei haben, dann bin ich dafür, dass wir dieses Abkommen revitalisieren, dass wir mit Erdogan darüber sprechen, wie wir da zusammenkommen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten vielleicht eines sehen: Wir haben die Punkte dieses Abkommens bisher erfüllt. Von den 6 Milliarden Euro sind 3,2 Milliarden Euro ausbezahlt. 4,7 Milliarden Euro sind vertraglich gebunden. 100 Prozent der 6 Milliarden Euro sind in Programmen gebunden. Und trotzdem: Wenn es darum geht, den Türken zu helfen, dass syrische Kriegsflüchtlinge in der Türkei etwa im Bereich der Gesundheitsversorgung, im Bereich der Bildung, im Bereich der Infrastruktur besser versorgt werden können, dann bin ich dafür, dass wir auch dafür das notwendige Geld zur Verfügung stellen; denn dieses Geld ist dort besser eingesetzt, als wenn wir es bei uns oder andernorts einsetzen würden. Das ist wichtig zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sind deshalb nicht erpressbar, weil es für uns ein Teil der Lösung ist. Wir sehen doch an Nordafrika, wie schlimm es ist, wenn wir auf der anderen Seite der Europäischen Union keine adäquaten Gesprächspartner haben. Das, was wir mit der Türkei haben, bräuchten wir eigentlich rings um Europa herum. Das ist das Problem, das wir haben.

Eines ist auch klar: Wenn wir solche Abkommen haben, auch mit der Türkei, kann das am Ende nicht dazu führen, dass wir glauben, dass der Schutz unserer Grenzen exportierbar ist. Natürlich ist in der jetzigen Situation sicherzustellen, dass die europäischen Grenzen geschützt werden. Deswegen müssen wir alles tun, damit die Griechen bei diesen Aufgaben unterstützt werden. Es ist eine griechische Grenze. Es ist eine europäische Grenze, und damit werden auch deutsche Grenzen geschützt. Deshalb sollten wir alles Notwendige tun, um die Griechen dabei zu unterstützen: mit Geld, mit Material, wie etwa dem seetauglichen Hubschrauber, mit Personal. Dass wir zu den 60 Bundespolizisten, die wir im Rahmen von Frontex dort eingesetzt haben, 20 weitere zur Verfügung stellen, ist richtig. Ich bin dafür, dass wir alles tun, was die Griechen anfordern und was die Griechen für notwendig halten, um diese Grenze zu schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will an dieser Stelle sagen, dass der Preis hoch ist. Es geht um zwei Dinge.

Erstens. Wenn es nicht gelingt, die europäischen Außengrenzen zu schützen, dann wird es nicht gelingen, den Schengen-Raum, die Freizügigkeit in Europa dauerhaft zu sichern. Denn nicht nur Deutschland, sondern auch andere Staaten werden gezwungen sein, nationale Grenzen engmaschig zu kontrollieren, und es wird zu Zurückweisungen kommen. Wer das verhindern will, muss alles dafür tun, dass die europäischen Außengrenzen geschützt werden und die Griechen in ihrer Arbeit unterstützt werden.

(Beifall der Abg. Veronika Bellmann [CDU/CSU])

Zweitens. Wir arbeiten daran, dass wir zu einem besseren Gemeinsamen Europäischen Asylsystem kommen. Wer glaubt denn im Ernst, dass wir mit europäischen Partnern darüber sprechen können, wie Migranten in Europa verteilt werden sollen, wenn wir nicht in der Lage sind, die europäischen Außengrenzen zu schützen? Das eine ist Conditio sine qua non für das andere. Deswegen rate ich dringend dazu, alle Anstrengungen darauf zu richten, dass dies gelingt.

Klar ist: Außen- und Innenpolitik sind zusammen zu denken. Deshalb ist auch klar: Hier kommt es auf Kommunikation an. – Das möchte ich zuletzt an die Adresse der Grünen sagen: Passen Sie auf mit der Kommunikation in die Region; denn sonst lösen Sie unter Umständen etwas aus, was wir alle nicht wollen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)