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Thomas Bareiß: Wir bekennen uns klar und deutlich zum Klimaschutz und zu allen Zielen, die international vereinbart sind

Rede zum Klimaschutz

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Liebe Frau Badum, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede. Ich darf Ihnen dennoch eines raten: Gerade in einer so wichtigen Debatte über das Thema „Energie und Klimaschutz“ täten etwas mehr Sachlichkeit und weniger Polemik wirklich gut.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! Oh!)

Wir haben an vielen Stellen gemeinsame Ziele. Gerade in den letzten Wochen und Tagen wurde von vielen Menschen immer wieder von uns gefordert, verantwortungsvoll und glaubwürdig zu sein. Das, was Sie abgeliefert haben, war es nicht. Es war genau das Gegenteil von dem, was wir in den letzten Jahren gemacht haben; es war das Gegenteil von der Realität im Lande. Wir sind auf einem ganz anderen Weg als dem, den Sie gerade dargestellt haben. Deshalb möchte ich mit meiner Rede etwas Klarheit und Ernsthaftigkeit in die Debatte bringen.

Erstens. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich klar und deutlich zum Klimaschutz und zu allen Zielen, die international vereinbart sind; das haben wir gemeinsam mit der SPD in unserem Sondierungspapier festgeschrieben. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam, lieber Johann, in den nächsten Jahren umsetzen können. Ich will ergänzen: Es gibt keine Industrienation der Welt, die sich in diesem Bereich so hohe nationale Ziele gesetzt hat wie Deutschland.

Zweitens. Deutschland ist Weltmeister beim Ausbau erneuerbarer Energien, liebe Freunde.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Bareiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Thomas Bareiß (CDU/CSU):

Natürlich, gerne.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Bitte sehr.

Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank fürs Zulassen der Zwischenfrage, Herr Bareiß. – Sie haben gesagt, kein Land auf der Welt setze sich so ambitionierte Ziele wie Deutschland, und Sie haben in dieser Debatte Sachlichkeit eingefordert. Sie ist natürlich notwendig. Genau deswegen frage ich Sie: Ist nicht viel wichtiger, als sich Ziele zu setzen, dass man die Ziele, die man sich setzt, auch erreicht?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können ja Weltmeister beim Ankündigen von hehren, ambitionierten Zielen beim Klimaschutz und bei der Treibhausgasminderung sein. Aber nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2016 genauso hoch waren wie 2009? 2016 hatten wir eine GroKo, und 2009 hatten wir eine GroKo. Ihr Ziel ist, die Emissionen bis 2020 auf 750 Millionen Tonnen zu senken. Das heißt, Sie wollen innerhalb von jetzt noch knapp drei Jahren 156 Millionen Tonnen einsparen. Ich frage Sie: Wie genau wollen Sie das schaffen? Sie haben zwar gesagt, dass Sie an den Klimaschutzzielen festhalten. Aber von konkreten Maßnahmen zur Energieeinsparung oder Ähnlichem haben wir in Ihrem Papier gar nichts gelesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Thomas Bareiß (CDU/CSU):

Frau Verlinden, vielen Dank für Ihre Wortmeldung. Eigentlich ist die Antwort auf Ihre Frage Bestandteil meines kompletten heutigen Redebeitrags. Insofern könnten Sie eigentlich während der gesamten Rede, die ich jetzt halte, stehen bleiben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Sondierungspapier ist nur ein erster Entwurf dessen, was wir tun wollen. Nach der Entscheidung an diesem Sonntag werden wir dann hoffentlich ein Koalitionspapier erarbeiten, in dem wir versuchen werden, die Eckpunkte zu beschreiben

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nachverhandeln!)

und eine Energiepolitik aus einem Guss zu machen, wie wir es auch in den letzten Jahren hinbekommen haben. Dann werden wir unsere Vorhaben in Gesetzen ganz konkret umsetzen.

Ich sage Ihnen – damit will ich meine Rede fortsetzen –: Wir sind beim Ausbau der erneuerbaren Energien Weltmeister. Wir haben es geschafft, dafür zu sorgen, dass im letzten Jahr, 2017, 36 Prozent des Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt wurden;

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!)

das ist Weltrekord. Wir haben das Ziel, das die EU gestern im Parlament im Hinblick auf 2030 beschlossen hat, schon jetzt erreicht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)

Wir sind zwei Jahre schneller, als wir es uns ursprünglich vorgenommen haben. Bis 2020 wollten wir einen Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Höhe von 35 Prozent erreichen. Das haben wir aber heute schon geschafft. Da würde ich mir auch einmal etwas mehr Applaus vonseiten der Grünen wünschen; denn hier sind wir spitze in der Welt.

In der Tat: Wir haben ein weiteres Projekt, nämlich den großen Transformationsprozess im Rahmen der Energiewende. Wir werden in der nächsten Dekade schrittweise aus der Nutzung von Kernkraftwerken aussteigen; das ist ein Punkt, den Sie in Ihrem Wortbeitrag angesprochen haben. Aber wir werden in dieser Dekade 25 Prozent bei der CO 2 -freien Stromerzeugung verlieren. Das ist unser großes Problem; das sage ich Ihnen sehr offen.

Wir haben uns hohe Ziele gesetzt. Wir werden nicht nur die Nutzung erneuerbarer Energien ausbauen, sondern auch aus der Kernenergie aussteigen und versuchen, das gesetzte Ziel mittelfristig, bis 2030, wirklich zu erreichen, und zwar so, dass wir keine Arbeitsplätze verlieren, dass wir weiter wettbewerbsfähig bleiben und dass die Menschen nicht zu viel für ihren Strom bezahlen, der Strom also bezahlbar bleibt. Das wird die ganz große Herausforderung für die nächsten Jahre sein, und ich bitte Sie, da entsprechend mitzuarbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, es gibt eine Lücke bis 2020. Die Experten streiten sich, ob sie 35 Millionen Tonnen oder 120 Millionen Tonnen beträgt; auch die Bundesregierung ist sich hier noch uneins. Dass es eine solche Bandbreite gibt, zeigt ja schon die Abstrusität dieser Debatte, die wir hier führen. Wir brauchen hier mehr Sachlichkeit und müssen überlegen, wie wir die Lücke Stück für Stück schließen. Wir brauchen mehr Zahlen und eine bessere Datengrundlage, um zu wissen, wie viel noch fehlt. Aber da sind wir dran.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zahlen sind da! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir müssen noch mehr schließen!)

Wir werden dann die Lücke Stück für Stück schließen und die Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreichen.

Auch das Thema Kohleausstieg wird in aller Ruhe und Sachlichkeit zu besprechen sein. Die Kohle wird in den nächsten Jahren eine immer weniger große Rolle spielen. Bis 2040, 2050 werden wir komplett aus der Kohle aussteigen. Aber wenn wir den Anteil des Kohlestroms senken und Kohlekraftwerke vom Netz nehmen, dann brauchen wir gewisse Rahmensetzungen. Wir müssen den Kohleausstieg, wie immer er kommen mag, in eine europäische Strategie einbetten. Wir wollen ja nicht unsere Kohlekraftwerke abschalten und dann mit Strom von Kohlekraftwerken aus Polen und Tschechien beliefert werden; das wäre keine sinnvolle Energiepolitik. Das muss gewährleistet sein. Wir brauchen Versorgungssicherheit und stabile Energiepreise für die nächsten Jahre, müssen aber auch die betroffenen Regionen – die Lausitz und das Rheinische Revier – immer im Blick haben. Wir brauchen Verlässlichkeit für die Menschen und einen strukturierten Prozess für die nächsten Jahre. Die Kohleregionen brauchen unsere Verlässlichkeit. Einen kopflosen Kohleausstieg wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben ganz klar gesagt: Wir wollen dieses Jahr nutzen – hoffentlich gemeinsam mit unserem Koalitionspartner – , um in einem strukturierten Prozess ein Verfahren für die nächsten Jahre zu finden und dann Verlässlichkeit herzustellen, Klimaschutz zu ermöglichen, aber auch Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten.

Lassen Sie mich noch kurz zu Ihren beiden Anträgen kommen. Sie haben das Klimaschutzziel beschrieben und sich zu einem Klimaschutzgesetz bekannt. Aber ich sage Ihnen ganz offen: In Bezug auf den Klimaschutz für das Industrieland Deutschland muss wirklich durchdekliniert werden, was das für die einzelnen Bereiche bedeutet.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Warum machen Sie das denn nicht?)

Wir müssen klimapolitische Maßnahmen treffen und darüber nachdenken, wie wir das europäisch umsetzen können. Dabei müssen wir immer auf die Kosten schauen und auf diejenigen, die das bezahlen müssen. Das spielt bei uns eine ebenso große Rolle wie das Thema „Wachstum und Beschäftigung“. Die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes und der Industrie ist uns ein ganz besonderes Anliegen. Das sind sehr wichtige Fragen, die in den nächsten Jahren beantwortet werden müssen.

Ein Appell an die Grünen: Wenn Sie klimapolitische Anträge schreiben, dann seien Sie so ehrlich, auch auf die Kosten für die Menschen und die Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Arbeitsplätze zu schauen. Reines Wunschdenken bringt uns nicht weiter; aber auch ein Risikofaktor Klimaschutz bringt uns nicht weiter. Wir brauchen einen sinnvollen Klimaschutz, wie wir ihn in den letzten Jahren Stück für Stück betrieben haben.

In Ihrem zweiten Antrag geht es um das Thema Windenergie. Sie sprechen sich, wie auch Frau Badum in ihrer Rede, für einen stärkeren Ausbau von Windenergie aus. Ich möchte Ihnen da ganz klar widersprechen.

(Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU])

Wir haben die Windenergie in den letzten Jahren enorm ausgebaut – viel weiter, als wir ursprünglich gedacht haben und als wir mit den vorhandenen Netzen verarbeiten können. Wir haben deshalb gesagt: Wir wollen diesen großen Strukturwandel mit einer Ausschreibung begleiten. Damit haben wir Verlässlichkeit in den Markt bekommen und wettbewerbsfähige Preise erzielt. Das, was Sie immer bekämpft haben, funktioniert jetzt hervorragend. Was Sie jetzt vorschlagen, würde dazu führen, dass wir in den nächsten drei oder vier Jahren dreimal mehr Mengen auf dem Markt hätten, als wir ursprünglich vorgesehen haben. Das wäre Irrsinn; denn das würde von den Netzen niemals aufgenommen werden. Es würde viel kosten, den Markt aufpumpen und größtenteils von China und anderen Ländern wieder aufgesaugt werden, wie es bei der Solarenergie der Fall war. Wir brauchen für den Mittelstand, gerade den Maschinenanlagenbau, und für unsere Energieversorgungssysteme Verlässlichkeit. Deshalb rate ich hier zur Vorsicht. Wir können uns keine Strohfeuer erlauben, sondern brauchen hier Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit.

Wir brauchen – das ist richtig – in den nächsten zwei Jahren eine Lösung, mit der wir einen Fadenriss vermeiden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Das müssen wir durchaus diskutieren. Dafür haben wir aber schon etwas gemacht, lieber Oli Krischer. Wir haben geschaut, dass die Bürgergenossenschaften, die bei euch ja immer ein ganz großes Thema waren, nicht über Gebühr eingebunden werden und dass wir hier einen moderaten Übergang hinbekommen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsere Regelung!)

Die Sonderausschreibungen für 2018/2019 will ich nur erwähnen. Auch da sind wir dran.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Lieber Herr Bareiß, da Sie heute nicht Ihre erste Rede halten, darf ich Sie jetzt bitten, zum Schluss zu kommen.

Thomas Bareiß (CDU/CSU):

Zum Schluss: Wir brauchen, auch um international voranzukommen, eine Energiewende, die den Ausbau erneuerbarer Energien zielorientiert angeht, aber gleichzeitig die Stromversorgung sicherstellt und auch bezahlbar hält. Das wird eine große Herausforderung sein. Packen wir es gemeinsam an!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)