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Stephan Mayer: Jede Art von Extremismus ist gleichermaßen verwerflich

Rede in der aktuellen Stunde zu linksextremen Gewalttaten gegen die politische Betätigung demokratischer Parteien

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir erleben in den letzten Jahren eine außerordentlich besorgniserregende und bedenkliche Zunahme der Straf-, aber auch Gewalttaten gegen Politiker auf allen politischen Ebenen. Traurige und höchst verwerfliche Höhepunkte dieser Entwicklung waren beispielsweise im Oktober 2015 das Attentat auf die CDU-Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker in Köln oder im letzten Monat der tätliche und schwerwiegende Angriff auf den CDU-Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Deutschen Bundestag gab es bedenkliche Entwicklungen. In der letzten Legislaturperiode sind zahlreiche Kolleginnen und Kollegen türkischer Abstammung nach der Abstimmung über die Resolution bezüglich des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915 bedroht worden. Das sind mit Sicherheit Entwicklungen, die uns in höchstem Maße besorgen müssen. Deswegen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, war es nur konsequent, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik um eine neue Rubrik ergänzt wurde, nämlich um Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. Im Jahr 2016 wies diese Rubrik insgesamt 1 841 Straftaten auf. Sie wurden übrigens überwiegend aus dem rechtsextremistischen Bereich begangen; das möchte ich dazusagen. Deswegen ist der Titel dieser Aktuellen Stunde etwas zu kurz gegriffen, wenn er sich nur auf linksextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten gegen Politiker bezieht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jede Art von Extremismus ist gleichermaßen verwerflich, und jeder Art von Extremismus ist gleichermaßen zu begegnen. Ich möchte für die CDU/CSU-Fraktion sagen, dass wir hier keine Belehrungen benötigen, ganz im Gegenteil. Wir haben in den vergangenen Jahren jede Art von Extremismus, egal ob im rechten, im linken oder im religiös motivierten Spektrum, entschieden und konsequent bekämpft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte, meine Kolleginnen und Kollegen, auch nur erwähnen, dass von den 1 841 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger im letzten Jahr die meisten gegen CDU/CSU-Mandatsträger begangen wurden, nämlich 760.

Es ist natürlich die Frage zu stellen: Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Was wir erleben, ist eine sehr deutliche Zunahme der Zentrifugalkräfte in unserer Gesellschaft, eine Zunahme der Fliehkräfte, eine stärkere Verrohung der Gesellschaft, aber auch eine stärkere Verrohung der Sprache. Ich bin der festen Überzeugung, dass insbesondere der jüngste Bundestagswahlkampf ein beredtes Beispiel dafür war, dass die Auseinandersetzung deutlich aggressiver vorgenommen wird. Das mündet nicht immer in tätlichen Angriffen. Die meisten Straftaten bewegen sich im Bereich der Verbalinjurien, der Beleidigungen, aber auch der Sachbeschädigungen. Das muss intensiv bekämpft werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wie ist auf diese Entwicklung zu reagieren? Aus meiner Sicht muss klargemacht werden, dass Gewalt niemals ein adäquates Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es darf hier auch keine falsch verstandene Toleranz geben. Ich habe vorhin gesagt, dass nicht unterschieden werden darf zwischen Rechts- und Linksextremismus. Wir dürfen auch nicht unterscheiden zwischen gutem und schlechtem Extremismus. Ich muss ganz offen sagen: Es gab hier aus meiner Sicht in den letzten Jahren in diesem Haus manchmal unterschiedliche Bewertungen. Wenn ich mir Aussagen der früheren Bundesfamilienministerin vor Augen führe, die noch vor eineinhalb Jahren gesagt hat, dass das Phänomen des Linksextremismus in Deutschland überbewertet werde, dann ist dies sehr ernst zu nehmen und bedenklich. Wir müssen jede Art von Extremismus gleichermaßen ernst nehmen und dürfen keine falsch verstandene Toleranz an den Tag legen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP)

Der Rechtsstaat muss konsequent und entschieden alle Straftaten bekämpfen, weil sich diese Straftaten – das müssen wir unseren Mitbürgern immer wieder deutlich vor Augen führen – nicht nur gegen einzelne Personen richten, sondern gegen die Demokratie, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Wenn das dann dazu führt, dass manche Politiker, insbesondere im kommunalen Bereich, wegen dieser Bedrohungen und Angriffe ihre Mandate zurückgeben, dann ist dies aus meiner Sicht sehr ernst zu nehmen.

Wir müssen mit Sicherheit auch eine Debatte darüber führen, ob wir das Strafrecht ändern. Ich sage ganz klar: Diese Debatte muss offen geführt werden. Es gibt Gründe, die dafür sprechen; es gibt aber auch Gründe, die dagegen sprechen. Was wir aus meiner Sicht auf jeden Fall verhindern sollten, ist ein Sonderstrafrecht für Straftaten gegen Politiker.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten uns hier nicht besserstellen als die allgemeine Bevölkerung.

Mir ist wesentlich wichtiger – das möchte ich zum Abschluss sagen –, dass wir eine intensive zivilgesellschaftliche Debatte führen. Es geht hier auch um den Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Richtschnur unseres Wirkens und unseres Tätigwerdens sollte aus meiner Sicht ein Zitat von Voltaire sein, der gesagt hat: Ich verabscheue Ihre Meinung, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie sagen dürfen.

(Beifall bei der AfD)

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der FDP)