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Philipp Amthor: "Wir wollen das Parlament stärken"

Einführung der Direkten Demokratie auf Bundesebene

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei einem AfD-Antrag zur direkten Demokratie hatte ich eigentlich fest damit gerechnet, dass wir das so handhaben wie bei den letzten Debatten zur direkten Demokratie, dass nämlich Ihre Allzweckwaffe, Herr Brandner, hier wieder eine fläzige Rede hält; immerhin, er ist noch da. Aber ich gratuliere Ihnen: Seine Auftritte sind wohl mittlerweile selbst Ihnen zu peinlich. Deswegen durfte Herr Reusch heute etwas vermeintlich fundierter vortragen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Herr Reusch, Sie haben eine beachtliche Justizkarriere, waren Leitender Oberstaatsanwalt und haben hier auch im sachlichen Ton vorgetragen, aber ich muss dann schon sagen: Dem Anspruch, den Sie vermitteln, wird der Antrag inhaltlich leider nicht gerecht. Aus einem soliden Auftreten folgen aber noch keine guten Anträge, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da muss man in die Details schauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber solide auftreten ist schon ein Erfolg!)

Über die direkte Demokratie auf der Bundesebene kann man natürlich diskutieren. Wir machen das hier nicht das erste Mal, sondern wir haben das bereits mehrfach getan; etliche Male. Besonders die Linken sind ja sehr erfahren, ihre Anträge zu recyceln; zweimal pro Legislaturperiode. Zu den Linken komme ich auch noch.

Aber das Spannende ist: Wir haben im Jahr 2019 in einer Anhörung im Innenausschuss über eine Einführung von Volksentscheiden ausführlich debattiert. Herr Reusch, Sie waren damals nicht dabei. Das Problem ist anscheinend, Ihre Referenten haben auch nicht gelesen, was damals diskutiert wurde. Sie widersprechen mit Ihrem Antrag selbst grundlegenden Aussagen Ihrer eigenen Gutachter. Das ist peinlich. Machen Sie Ihre Arbeit besser, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Es gibt zwei konkrete Punkte, die man sich dafür anschauen kann. Es geht einmal um die Frage: Was sollte das Mindestbeteiligungsquorum sein, wenn man Volksentscheide durchführen will? Wie viele Bürger sollten dann abstimmen? Die zweite Frage ist: Wie kann man eigentlich die Länder beteiligen, wenn man Volksentscheide auf Bundesebene einführt? Zu diesen Mindestquoren – ich erwähnte es – hat selbst Ihr Gutachter, Herr Vosgerau, ausgeführt: Für eine Vereinbarkeit von Volksentscheiden mit dem Demokratieprinzip sei eine Beteiligungsquote jedenfalls von 50 Prozent für wesentliche Entscheidungen gefordert.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das haben die Schweizer nicht!)

Was fordern Sie heute in Ihrem Antrag? Sie fordern Volksentscheide, bei denen eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichen soll, und das für wegweisende Entscheidungen wie die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen. Da widersprechen Sie selbst Ihrem eigenen Gutachter.

(Zuruf des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Den muss man nicht zum Kronzeugen für Verfassungsrecht machen; aber da hat er mal recht. Und wenn Ihre Gutachter schon mal recht haben, sollten Sie wenigstens auf sie hören, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die nächste Kernfrage, wenn man direkte Demokratie auf der Bundesebene einführen will, lautet: Wie sichert man die Beteiligung der Länder ab? Wir haben vor zwei Jahren in der öffentlichen Anhörung darüber diskutiert. Die Ewigkeitsklausel in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes erfordert die Gliederung unseres Staates in Bund und Länder und die Beteiligung der Länder in ihrer Eigenstaatlichkeit an der Gesetzgebung. Das wollen Sie einfach überwinden, indem Sie sagen: Wir führen einen bundesweiten Volksentscheid durch, und die in einem Land abgegebenen Stimmen werden dann als Bundesratsstimmen gewertet. – Das zeigt, dass Sie nicht nur parlamentarische Demokratie im Bundestag, sondern auch die Arbeit des Bundesrats nicht verstanden haben. Das widerspricht der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Albrecht Glaser [AfD]: Das ist so falsch!)

Das hätten Sie schon seit zwei Jahren in Anhörungsprotokollen nachlesen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Spannende ist aber: Sie sind ja nicht die Einzigen, die diesen Fehler machen; die Linken machen das auch jedes Mal. Alle zwei Jahre weisen wir dann darauf hin, dass die Länderbeteiligung auf diese Art und Weise nicht abgesichert werden kann.

(Zuruf von der AfD: Doch!)

Und das Spannende ist: Die Anträge von Linkspartei und AfD zur direkten Demokratie – Herr Reusch hat darauf hingewiesen – stimmen an vielen Stellen ja sogar inhaltlich überein.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: „Les extrêmes se touchent“, sagt der Franzose!)

Und da muss man sich schon wundern: Warum ist das so? Ich glaube, die Frage der Hufeisentheorie – was haben rechte und linke Ränder miteinander gemein? -

(Karsten Hilse [AfD]: So ein Blödsinn! Reden Sie mal zum Thema!)

gehört in ein politikwissenschaftliches Seminar. Aber die Inhalte sind ja schon spannend: Sie beide vereint eine unglaubliche Parteienskepsis, und sie vereint die Überzeugung, dass der Volkswille hier im Parlament nicht vertreten sei. Beides ist aber nicht haltbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Thema Parteienskepsis sage ich ganz deutlich: Die Linke glaubt – Zitat –, eine zeitaufwendige Beteiligung der Parteien sei ersetzbar, und die AfD schreibt in ihrem Antrag, in Parteien sei – Zitat – keine sachlich differenzierte Artikulation von Problemen möglich. Ich sage Ihnen: Für Ihre Partei stimmt das wahrscheinlich sogar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wenn Ihre Parteien nicht funktionieren, sollten Sie vielleicht die Probleme bei sich selbst suchen und nicht bei der repräsentativen Demokratie abladen. Denn das ist ja Ihr Kernproblem: Repräsentative Demokratie lebt davon, dass das Volk seinen Willen in Wahlen artikuliert, und Sie sagen, hier im Parlament sei Volkes Wille nicht hinreichend vertreten.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was für eine Arroganz!)

Ja, Ihr Wille ist hier nicht hinreichend vertreten, weil Sie Gott sei Dank nicht die Mehrheit bei den Wahlen erhalten haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist doch der entscheidende Unterschied.

Und dann muss ich schon sagen: Wenn Sie über direkte Demokratie reden wollen, versuchen Sie doch erst mal, wirklich direktdemokratisch vor Ort unterwegs zu sein.

(Beatrix von Storch [AfD]: Versuchen Sie es mal ohne Korruption!)

Statt hier Entparlamentarisierungskritik zu betreiben, gegen Politik und Staat zu hetzen – bei Russia Today, in Telegram-Gruppen und sonst wo –, reden Sie lieber mit den Menschen. Direkte Demokratie findet in den Wahlkreisen statt, so wie sie unsere Fraktion praktiziert.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Das wäre für Sie doch mal eine sinnvolle Alternative, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen das Parlament stärken und daran festhalten und werden deshalb Ihren Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)