Skip to main content

Olav Gutting: "Wir haben in der Gesamtbetrachtung einen neutralen Steuereffekt"

Doppelbesteuerung bei Renten verhindern

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, beim Thema Doppelbesteuerung von Renten wird gerade ein ziemlicher Popanz aufgebaut.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir sollten keine Ängste schüren und keine Erwartungen wecken, die am Ende keine Grundlage haben. Gerade bei diesem generationenübergreifenden Thema, das für unsere gesamte Gesellschaft so wichtig ist, sollten wir alles unterlassen, was irgendwie nach Effekthascherei aussieht. Thomas Eigenthaler, der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, hat sich vor Kurzem so geäußert: Zurzeit wird viel heiße Luft über die Rentenbesteuerung verbreitet. Rentnerinnen und Rentner werden verunsichert, und die meisten Kritiker haben fachlich wenig Ahnung. – Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Die nachgelagerte Besteuerung ist für die Bürgerinnen und Bürger in der Regel von Vorteil. Da das Einkommen im Rentenalter regelmäßig geringer ist als während des Erwerbslebens, führt das dazu, dass die Rentenzahlungen aufgrund der Steuerprogression mit einem niedrigeren Steuersatz belastet werden.

(Otto Fricke [FDP]: Aber zweimal!)

Die Umsetzung des Auftrags des Bundesverfassungsgerichts mit der stufenweisen Einführung der nachgelagerten Besteuerung konnte und kann natürlich nur jahrgangsweise und typisierend erfolgen. Genaue Vorausberechnungen für einen Zeitraum von 50 Jahren oder mehr – das liegt ja alles in der Zukunft – sind seriös einfach nicht möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben unterschiedliche Erwerbsbiografien, wir haben Unterschiede beim Eintritt ins Rentenalter, bei den Rentenbezugszeiten, bei der Pauschalierung der Übergangsregelungen, also insgesamt ein komplexes Rentensystem. Deswegen kann es dazu kommen – in einigen wenigen Fällen –, dass heute Rentner Steuern auf Teile ihrer Rente zahlen, obwohl bereits die Beitragszahlungen teilweise der Steuer unterworfen waren. Das haben wir schon 2004 bei der Diskussion über den Entwurf des Alterseinkünftegesetzes erkannt. Diese Einzelfälle wurden schon damals identifiziert. Überall dort, wo es zu tatsächlichen und nicht nur zu gefühlten Doppelbesteuerungen kommen kann, haben wir auf Initiative meiner Fraktion hin die Öffnungsklausel eingeführt, die sich in der Praxis bewährt hat. Damit wird eine Zweifachbesteuerung definitiv ausgeschlossen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)

Wir haben in der Gesamtbetrachtung einen neutralen Steuereffekt.

Nun will ich das, was der Kollege Herbrand gesagt hat, ja gar nicht verleugnen. Diese Nachweispflicht für den Steuerpflichtigen – in einzelnen Fällen – ist nicht trivial. Wir können uns gerne alle zusammen die Beweislastverteilung noch einmal genauer anschauen und einer Überprüfung unterziehen. Aber eines ist klar: Wir können nicht zu einer kompletten Beweislastumkehr kommen. Es ist grundsätzlich so, dass derjenige, der etwas in Anspruch nehmen will, das natürlich auch beweisen und vortragen muss.

(Beifall des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU] – Otto Fricke [FDP]: Was?)

Es rechtfertigt aber nicht, dass hier der Eindruck erweckt wird, das sei ein Massenphänomen und es käme in breiten Teilen zu einer Doppelbesteuerung der Renten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In Zukunft wird das ein Massenphänomen!)

In der Anhörung des Finanzausschusses zu diesem Thema vor gut einem Jahr, im Januar 2020, herrschte dann ja auch Einigkeit darüber, dass Arbeitnehmern, die demnächst in Rente gehen oder schon in Rente sind, hier überhaupt keine Doppelbesteuerung droht, weil die Hälfte ihrer Rentenbeiträge, die sie eingezahlt haben, bei der Einzahlung nicht der Steuer unterlagen; denn das sind die Arbeitgeberbeiträge, die steuerfrei eingezahlt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir wissen aber, dass es bei freiwillig versicherten Selbstständigen tatsächlich zu einer Doppelbesteuerungssituation kommen kann; denn die hatten bei der Einzahlung keinen Arbeitgeberanteil, der steuerfrei war. Aber für genau diese Fälle haben wir ja die Öffnungsklausel, und die zieht in diesen Fällen auch.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Genau!)

Kritik ist aber immer willkommen; das finde ich auch gut. An dieser Stelle komme ich auf den Antrag der FDP zurück: Nicht gut finde ich, dass das BMF den zugesagten Bericht zu den Erfahrungen des Rentenbezugsmitteilungsverfahrens – leider – bis heute noch nicht vorgelegt hat. Wir als Fraktion – eigentlich das ganze Haus – müssen das BMF noch mal drängen, diesen Bericht nun endlich vorzulegen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Markus Herbrand [FDP], Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch bezüglich der Forderung im Antrag der Liberalen, in den Rentenbezugsmitteilungen deutlich zu machen, welcher Teil der Rente oder des Erhöhungsbetrages seit Rentenbeginn steuerpflichtig ist und welcher nicht, bin ich völlig bei Ihnen. Das ist ein richtiger Ansatz. Wir müssen insgesamt die steuerlichen Pflichten für Bezieher von Alterseinkommen vereinfachen. Wir müssen das auf einen neuen Weg bringen. Wir müssen vor allem auch die Fälle berücksichtigen, bei denen es teilweise zu erheblichen Nachzahlungen kommen kann. Wir kennen das ja alle: Das sind Rentnerinnen und Rentner, die über Jahre hinweg keine Steuererklärungen mehr abgegeben haben und auch nicht abgeben mussten und nun plötzlich der Steuerpflicht unterliegen. Das ist völlig korrekt, aber da kann es dann zu erheblichen Nachzahlungen kommen, und das muss verhindert werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da helfen wir Ihnen gern!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns diese Punkte zu Herzen nehmen und umsetzen und das Verständnis für die nachgelagerte Besteuerung noch mal stärken, dann haben wir, glaube ich, etwas Gutes getan. Es braucht dabei eine Gesamtbetrachtung und nicht die Verfolgung von Einzelinteressen. Wenn wir das schaffen, dann werden wir die Verunsicherung der Rentnerinnen und Rentner, die in weiten Teilen auch durch Debatten wie diese ausgelöst wird, beseitigen. Das sollte doch unser gemeinsames Ziel sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)