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Nikolas Löbel: Atomwaffen sind Teil der Welt, in der wir leben

Dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten – Atomwaffen abziehen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Atomwaffen sind in der Vorstellung vieler Menschen überflüssig. Dennoch sind Atomwaffen Bestandteil unserer Realität. Atomwaffen sind Teil der Welt, in der wir leben. Gerade deshalb ist ein vernünftiger, ideologiefreier Umgang mit der Frage der nuklearen Abrüstung dringend geboten.

Wir leben in einer Zeit, in der sich die globale Sicherheitsstruktur völlig verändert und in der Atomwaffen wieder verstärkt eine strategische Rolle spielen. Wir erinnern uns an den historischen Schritt Mitte der 1980er-Jahre. Wir erinnern uns an den INF-Vertrag und das Wirken von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow und die damit verbundene strukturelle Abrüstung.

Natürlich verfolgen wir das Ziel einer atomwaffenfreien Welt. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein nüchterner Blick auf die Realitäten dieser Welt ist geboten. Russland hat mit seinem militärischen Eingreifen in der Ukraine diesem Ziel enorm geschadet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der Folge sind auch andere Nuklearmächte nicht zu weiteren Abrüstungsmaßnahmen bereit. Schauen wir uns die Situation an: Russland positioniert landgestützte Mittelstreckenraketen und arbeitet an taktischen Nuklearwaffen. Raketen und Nuklearprogramme im Nahen und Mittleren Osten stellen auch eine Bedrohung für Europa dar. Nordkoreas atomare Drohgebärden werden lauter, die Rhetorik der Nuklearmächte wird schärfer, und Regierungschefs vergleichen die Größe ihres roten Knopfes wie pubertierende Halbstarke.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eigentlich wieder einmal das Gleiche: Die Linke holt diesen Antrag zum Atomwaffenverbot aus der Schublade, wo er meistens ganz oben liegt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So lange, bis die Atomwaffen weg sind!)

Aber es ist auch symptomatisch, dass ausgerechnet bei der Beratung eines solchen Schaufensterantrags die AfD der Linken beispringt. Hier geht es aber nicht um Schaufensteranträge; hier geht es um eine klare, vernunftorientierte Politik. Das macht eben den politischen Unterschied in diesem Haus aus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP] – Widerspruch bei der LINKEN))

Ja, auch wir als Union treten für eine spürbare nukleare Abrüstung ein. Doch für uns muss stets die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund stehen. Abrüstung darf daher kein politischer Selbstzweck, Sicherheitspolitik keine Frage von ideologischen Ansätzen sein. Sicherheitspolitik muss stets eine Frage von Notwendigkeit und Machbarkeit bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein ideologiefreier Blick auf die Realität lässt dann eben schnell erkennen: Nuklearwaffen spielen nun einmal eine strategisch elementare Rolle in der Sicherheitspolitik weltweit. Daran ändert auch ein schlichtes Verbot schlichtweg nichts, erst recht nicht ein Verbotsvertrag, an dessen Ausarbeitung keine der neun Atommächte überhaupt teilgenommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Dieser Atomwaffenverbotsvertrag wurde in Abwesenheit derer verhandelt, um die es eigentlich geht.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Ja warum denn?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt doch das eigentliche Problem: Wir müssen die Atommächte wieder zu einem gemeinsamen globalen Sicherheitsverständnis bewegen. Dazu muss Deutschland eine moderierende, vermittelnde Rolle – gerade zwischen den USA und Russland – einnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, wer redet denn im Spiel der Großen noch mit einem Spieler, der gar nicht mehr auf dem Spielfeld steht? Ja, auf deutschem Boden stehen amerikanische Atomwaffen. Diese Waffen sind ein notwendiges Übel;

(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Quatsch!)

denn diese Waffen sichern Deutschland nicht nur eine Teilhabe am nuklearen Schutzschirm der NATO über Europa, sondern eben auch ein Mitspracherecht im Bündnis.

(Zuruf von der LINKEN: Jetzt kommt es heraus!)

Nur durch eine vernünftige nukleare Teilhabe sichern wir uns als Deutschland überhaupt die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Atommächte – mit einem klaren Ziel: nukleare Abrüstung. Mit einem Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag würden wir uns selbst unserer Stimme in der NATO in dieser Frage berauben.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Absurd!)

Um es einfach zu sagen: Mit einem solchen Verbotsvertrag verlieren wir jeglichen Einfluss auf die künftige Entwicklung der nuklearen Auf- oder, was wir eben wollen, der nuklearen Abrüstung.

Im Koalitionsvertrag verpflichten wir uns, ein neues nukleares Wettrüsten auf unserem Kontinent zu vermeiden.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Passiert doch gerade!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unser aller gemeinsames Ziel.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie lügen sich selbst was in die Tasche!)

Doch sowohl Rüstungskontrolle als auch Abrüstung können nur mit Nuklearmächten funktionieren, weder ohne sie noch gegen sie. Deswegen ist nukleare Teilhabe unerlässlich. In dieser Weise werden wir als Deutschland unserer Verantwortung für Deutschland, für Europa auch im Hinblick auf unsere transatlantischen Partner gerecht. Folglich lehnen wir diesen Antrag ab, und wir werden bei dieser Haltung auch im Ausschuss bleiben.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)