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Nadine Schön: "Wir brauchen mehr Männer in Kitas"

Gesetz zur Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Kollege Ehrhorn von der AfD, wovor haben Sie Angst?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wovor haben Sie Angst, wenn Sie tatsächlich die Einführung einer Gleichstellungsstiftung für mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinstellen als den Versuch der Dekonstruktion der Gesellschaft?

(Dietmar Friedhoff [AfD]: „Gleichberechtigung“ ist nicht „Gleichstellung“!)

Also da muss wirklich viel Angst mitschwingen. Ich sage Ihnen aber: Sie brauchen keine Angst zu haben! Uns geht es mit dieser Stiftung um eines: um die Verwirklichung unseres Verfassungsauftrages.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Und – immer weiterlesen; lernt man schon im Jurastudium –:

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Und genau darum geht es auch bei dieser Stiftung.

(Dietmar Friedhoff [AfD]: Gleichberechtigung ist keine Gleichstellung! – Martin Reichardt [AfD]: War die Verfassung vorher nicht in Kraft? Wie lange arbeiten Sie schon daran?)

So steht es in unserem Grundgesetz, und das ist der Verfassungsauftrag, den wir auch als Politikerinnen und Politiker haben.

(Dietmar Friedhoff [AfD]: Da steht „Gleichberechtigung“, nicht „Gleichstellung“!)

– Tatsächlich, da steht „Gleichberechtigung“.

Und jetzt sagen Sie: Es ist doch alles gut, Frauen können doch Astronautinnen werden und Bundeskanzlerin, Frauen dürfen auch Vorständin werden. – Aber auf einen weiblichen Vorstand in einem börsennotierten Unternehmen kommen neun Männer, auf eine Bürgermeisterin neun männliche Bürgermeister.

(Volker Münz [AfD]: Wer hindert die Frauen daran, sich zu bewerben? – Martin Reichardt [AfD]: Wie viele weibliche Müllmänner kommen auf einen männlichen Müllmann?)

Wir haben eine Rentenlücke von 45 Prozent. „Pech gehabt“, sagen Sie, „Pech gehabt; dann haben die Frauen halt nur halb so viel Rente im Alter wie die Männer – sie hätten doch die Möglichkeit, mehr zu verdienen.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, Sie haben diesen Gleichberechtigungsauftrag aus unserer Verfassung völlig falsch verstanden. Unser Auftrag ist, Strukturen zu schaffen, damit das, was im Grundgesetz auf Papier steht, auch Wirklichkeit wird; das ist unser Auftrag, und da können Sie sich gerne noch eine Lehrstunde abholen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Und diesen Auftrag können wir auf vielerlei Art und Weise verwirklichen, zum einen durch Gesetze. Ja, das machen wir. Wir schaffen Rahmenbedingungen, damit das gelingt, etwa beim Thema „Mehr Frauen in Führungspositionen“, was wir gerade beraten, oder auch durch das Elterngeld oder beim Ausbau der Kitabetreuung. All das machen wir, um Rahmenbedingungen zu schaffen, manchmal aber auch, wie beim Führungspositionen-Gesetz, durch ganz konkrete Vorgaben.

Vizepräsident in Dagmar Ziegler:

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Münz?

 

Nadine Schön (CDU/CSU):

Ja, sehr gerne.

 

Volker Münz (AfD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank, Frau Kollegin Schön, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Kollegin Schön, ist Ihnen bekannt, dass es einen Unterschied gibt zwischen Chancengleichheit und Ergebnisgleichheit? Wir leben doch in einem Land, in dem Frauen Bundeskanzlerin werden können, Verteidigungsministerin werden können. Wer hindert Frauen daran, sich zu bewerben? Wer hindert sie daran? Ich kann das nicht erkennen.

Wir haben nicht in allen Fällen Ergebnisgleichheit, aber das ist auch nicht erforderlich. Im Grundgesetz steht „Gleichberechtigung“ und nicht „Gleichstellung“. Bitte nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass es ein Unterschied ist und dass es auf die Chancengleichheit ankommt und nicht auf die Ergebnisgleichheit.

 

Nadine Schön (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Kollege, da gebe ich Ihnen sogar recht. Auch wir wollen und fordern keine Ergebnisgleichheit. Aber wir fordern, dass das, was auf dem Papier steht, nämlich eine Gleichberechtigung, auch in der Realität Wirklichkeit werden kann.

(Dietmar Friedhoff [AfD]: In der Tagesordnung steht: „Bundesstifung Gleichstellung“!)

Und wenn es so ist, dass tatsächlich weiterhin 90 Prozent der Führungspositionen von Männern besetzt sind, wenn es so ist, dass Frauen halb so viel Rente bekommen wie Männer,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist falsch! Das ist falsch, Frau Kollegin!)

dann haben wir offensichtlich ein Problem beim Thema Gleichberechtigung, dann müssen wir die Strukturen so ändern, dass das, was auf dem Papier steht, auch in der Wirklichkeit als Ziel erreicht wird. Deshalb brauchen wir nicht über Begrifflichkeiten zu streiten. Unser Ziel ist, dass Frauen gleiche Rechte haben und die auch durchsetzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir können das über Gesetze machen. Aber als Union sagen wir auch: Wir wollen das nicht alles über Gesetze machen; wir glauben nicht, dass es gut ist, jedes gesellschaftliche Problem durch ein Gesetz zu lösen; wir glauben nicht, dass man alles vorschreiben, regeln und regulieren kann.

Wir sind der Meinung, dass es besser ist, Vorbilder zu schaffen, voneinander zu lernen, dass es besser ist, die Probleme zu verstehen, zu schauen: Wo sind denn genau die Hindernisse, die dazu führen, dass Frauen eben nicht in die Vorstandsetagen kommen? Woran liegt es, dass die Rente so ungleich verteilt ist? Woran liegt es, dass die Bezahlungen so unterschiedlich sind?

Wenn wir verstanden haben, wo die tiefer gehenden Probleme liegen, können wir auch verschiedene Lösungswege suchen. Es gibt tolle Modelle, wo man sieht, dass Kinder nicht mit Stereotypen groß werden müssen. Es gibt tolle Netzwerke, denen es gelingt, Strukturen zu ändern und aufzubrechen. Es gibt Studien, die sehr genau belegen, warum es gläserne Decken in Unternehmen gibt, und Modelle, wie man sie überwindet.

Als Mutter von zwei Jungen sage ich auch: Lasst uns nicht nur von den Mädchen und Frauen reden, es geht auch um die Jungen und Männer. Auch diese leiden unter Stereotypen. Wir brauchen mehr Männer in Kitas. Und wir brauchen mehr Männer, die Kind und Karriere vereinbaren können; denn das wünschen sich Männer genauso wie Frauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Und mit dieser Stiftung wollen wir genau das transparent machen. Wir schaffen damit zum ersten Mal auf der Bundesebene eine Struktur, die sich wissenschaftlich fundiert Fragen der gerechten Partizipation von Frauen und Männern widmet, die sich vorhandene Konzepte anschaut und sie weiterträgt, die Kompetenzen in der Gleichstellungspolitik bündelt und es schafft, dass man voneinander lernt.

Nicht alles mit Gesetzen lösen, nicht alles regulieren und regeln, sondern Vorbilder schaffen, voneinander lernen, die Kreativität unseres Landes nutzen, um die gesellschaftlichen Probleme anzugehen, das ist unsere Herangehensweise an das Thema. Wir unterstützen die Bundesstiftung Gleichstellung sehr, weil sie genau das schaffen soll.

Ich wünsche mir, dass wir nicht nur die bekannten Themen wie „Frauen in Führungspositionen“ und „gleiche Bezahlung“ angehen, sondern uns in dieser Stiftung auch mit den Fragen beschäftigen, welche neuen Herausforderungen auf uns zukommen, wie wir es schaffen, dass Frauen die digitale Welt von morgen mitgestalten. Das ist ein moderner Auftrag, der an diese Stiftung geht. Deshalb bin ich froh, dass wir sie heute auf den Weg bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass wir heute diese Stiftung in zweiter und dritter Lesung hoffentlich mit einer großen Mehrheit in diesem Haus beschließen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)