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Nadine Schön: In unserem Land sind Männer und Frauen gleichberechtigt

Rede in der Aktuellen Stunde zu Freiheit und Gleichheit von Frauen

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hätte mich ja gewundert, wenn wir heute eine Debatte über Gleichberechtigung und Gleichstellung geführt hätten, statt diese Polemik und diese Hetze zu hören, die wir von der AfD schon kennen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der AfD)

Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich gesehen habe, dass diese Partei eine Debatte beantragt mit der Formulierung „Freiheit und Gleichheit von Frauen stärken“ in der Überschrift. Eine Partei mit einem Männeranteil von 90 Prozent.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marian Wendt [CDU/CSU]: 95 Prozent!)

Eine Partei, für die die Frau in unserer Gesellschaft in erster Linie eine Funktion hat, nämlich für den Erhalt des Staatsvolkes zu sorgen, deren zentrale frauenpolitische Forderung im Wahlprogramm es ist, den angeblichen Genderwahn zu beenden sowie das Wort „Frauen“ aus der Ministeriumsbezeichnung „Ministerium für Frauen, Familie, Senioren und Jugend“ herauszustreichen, weil man es umbenennen will in „Ministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung“.

Sonst haben Sie in Ihrem Wahlprogramm zum Thema Frauen nichts zu sagen. Wo sind denn die Fragen zum Thema „Gewalt gegen Frauen“? Wo sind Ihre Ansichten zum Thema „Förderung von Frauen in Beruf und Gesellschaft“? Diese Kollegen der AfD sind mit Sicherheit die Letzten, mit denen ich gerne für Frauen in unserer Gesellschaft kämpfen will.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist ein wichtiges Thema. Wir haben in unserem Land viel erreicht. Frauen entscheiden heute selbst über ihre Berufstätigkeit, über ihr Geld, über ihren Körper.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sagen Sie mal etwas zur Migration!)

Paare entscheiden heute gemeinsam, wer wie viel Erwerbs- und wer wie viel Familienarbeit übernimmt, und zwar nach dem Grundsatz der Wahlfreiheit

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

und nicht nach einer Ideologie, die das eine oder das andere Modell besser findet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Wahlfreiheit und diese Gleichberechtigung sind ein hohes Gut. Viele Frauen, die Sie als Feministinnen beschimpfen, haben Jahre dafür gekämpft, dass auch Ihre Töchter diese Gleichberechtigung haben. Deshalb müssen wir alle gemeinsam diese auch verteidigen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tino Chrupalla [AfD]: Die müssen wir jetzt beschützen!)

Wir müssen sie natürlich gegenüber Menschen verteidigen, die aus religiösen oder kulturellen Gründen andere Frauen- und Familienbilder haben und diese anderen aufzwingen wollen.

Ja, es leben in einer globalisierten Welt, in diesem Land Menschen, die dieses, die unser Frauen- und Familienbild nicht teilen. Es gibt Menschen aus anderen Kulturkreisen, die der Meinung sind, dass Männer und Frauen nicht gleichberechtigt sind und dass der Mann der Frau etwas vorschreiben darf. An dieser Stelle sage ich ganz deutlich: Das dürfen wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ihr macht es doch die ganze Zeit!)

Es ist falsche Toleranz, wenn wir an diesem Punkt auch nur einen Millimeter nachgeben. In unserem Land sind Männer und Frauen gleichberechtigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In unserem Land gibt man einer Frau die Hand. In unserem Land respektiert man Frauen auch als Vorgesetzte und Chefinnen. Und in unserem Land schreibt der Mann der Frau nicht vor, wie sie sich zu kleiden hat.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist sicher für viele ein Lernprozess. Und wer nicht bereit ist, sich auf diesen Lernprozess einzulassen, der muss sich fragen und von uns fragen lassen, ob er im richtigen Land ist, in dem er Zuflucht sucht. Wir müssen in dieser Sache hart sein und Haltung bewahren. Aber Pauschalierungen, Hetze und Diffamierung, wie wir es aus der rechten Ecke unseres Hauses immer hören, helfen nicht, sondern dienen nur einem Zweck: übler politischer Polemik, übler politischer Stimmungsmache. Damit helfen Sie keiner Frau.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die erreichte Gleichstellung müssen wir in Wahrheit auch gegen Leute wie Sie verteidigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Tino Chrupalla [AfD]: Jetzt reicht es! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir vergewaltigen niemanden!)

– Ja. Wer Frauen einzig und allein als Produzentinnen des eigenen Volkes betrachtet, wer die Unterstützung von Alleinerziehenden kippen will, wer eine beliebte familienpolitische Leistung wie das Elterngeld gestern in der Debatte geißelt als „Befriedigung von Kleinstinteressengruppen“ in einem sich „nicht reproduzierenden“ Volk,

(Ulli Nissen [SPD]: Genau!)

wer das traditionelle Familienbild als das einzig wahre und richtige Lebensmodell glorifiziert, der hat mit Wahl­freiheit und Gleichberechtigung wirklich nichts am Hut.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das gilt umso mehr bei Fragen der sexuellen Selbstbestimmung. Frauen in unserem Land haben das Recht, Nein zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass dieses Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die Würde der Frau nicht angetastet werden, dafür müssen unsere Gesellschaft und unser Rechtsstaat sorgen. Es macht für eine Frau keinen Unterschied, ob diese Rechte von Deutschen oder Nichtdeutschen,

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

von Vorgesetzten oder Partnern, von Priestern oder sonst irgendwem verletzt werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Deshalb ist es eine Verharmlosung und ein Schlag ins Gesicht einer jeden Frau, die von ihrem Partner, ihrem deutschen Nachbarn oder sonst irgendwem vergewaltigt worden ist,

(Tino Chrupalla [AfD]: Deutsche Nachbarn! So ein Unsinn!)

dass Sie hier einseitig nur die Gewalt von Flüchtlingen zum Thema machen und geißeln.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb sagen wir als Union ganz klar Nein zu jeder Form von Gewalt und sexueller Belästigung von Frauen. Und deshalb, liebe Kollegen der AfD: Wenn Sie wirklich für Gleichberechtigung, für Wahlfreiheit und für Frauenrechte kämpfen wollen, dann machen Sie Schluss mit dieser üblen Polemik. Setzen Sie sich einmal wirklich für Frauenrechte ein, und überdenken Sie Ihr eigenes Frauen- und Familienbild.

(Zuruf von der AfD: Wir haben eins!)

Mit solchen Debatten wie heute machen Sie nur eins: Sie machen sich lächerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Mit der Rede kriegen Sie Ihre Wähler nicht mehr zurück!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Es gab eben den Wunsch nach Zwischenbemerkungen oder Zwischenfragen. Es ist den Kolleginnen und Kollegen von der AfD vielleicht noch nicht geläufig, aber in Aktuellen Stunden sind Zwischenfragen nicht zulässig.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die AfD gewandt: Ein Blick in die Geschäftsordnung hätte gereicht!)

Wir wollen den schnellen Wechsel der Redner und die lebendige Debatte – das ist der Grund dafür. Insofern habe ich diese Zwischenfragen nicht zugelassen.