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Michael Frieser: Wir müssen in diesem Land wieder über die Strafbarkeit von Sympathiebekundungen für Extremisten reden

Rede in der aktuellen Stunde zu linksextremen Gewalttaten gegen die politische Betätigung demokratischer Parteien

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen mich ohne Gepäck und ohne Rucksack ans Rednerpult treten,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Martin Schulz [SPD]: Der Wandertag ist vorbei!)

allenfalls mit einer gewissen geistigen Last.

Frau von Storch, wenn es um die Verrohung der Gesellschaft geht, wenn es um die Art der Auseinandersetzung geht, darum, wie Menschen in diesem Land, in dieser Demokratie miteinander umgehen, wie sie einen Konsens suchen, um das Beste für das Land zu finden, um das Beste für die Menschen herauszuholen: Glauben Sie, dass gegen eine solche Art von Verrohung solch eine Art von Rede hilft? Es tut mir leid; das glaube ich nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Armin-­Paulus Hampel [AfD]: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil! – Weiterer Zuruf von der AfD: Die Wahrheit!)

Eine Debatte um extremistische Gewalt gerät immer in die Schwierigkeit, dass je nach Deliktart aufgerechnet wird. Da kommt man moralisch sehr schnell auf dünnes Eis, auf brüchiges Terrain. Je nachdem, wie man das betont, bekommt man von der einen Seite Beifall, bekommt man von der anderen Seite Beifall.

Ich kehre zum pädagogischen Prinzip der Wiederholung zurück: Schön, dass wenigstens dieser eine Satz „Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung“ durchaus Konsens zu sein scheint!

(Beifall bei der AfD)

Ich wende mich an die linke Seite dieses Hauses und sage: Auch Gewalt gegen Sachen ist kein Mittel der Auseinandersetzung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Das gilt für alle in diesem Haus. Das muss für alle Arten auch von extremistischer Auseinandersetzung gelten.

Auf der anderen Seite darf ich sagen: Zugefügte Verletzungen persönlicher Natur – in diesem Haus, draußen – tun mir persönlich leid. Das betrifft auch den Herrn Gottschalk. Es tut mir leid, wenn es zu solchen Verletzungen kommen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Nur, wenn hier Solidaritätsbekundungen eingefordert werden, dann hätte ich mich schon gefreut, wenn es auch Solidaritätsbekundungen mit den Frauen und Männern in Polizeiuniform gegeben hätte, die Sie bei den AfD-Parteitagen schützen, die ihren Kopf hinhalten, zum Teil auch ihr Leben einsetzen – nicht nur in diesem Fall –, auch wenn sie politisch vielleicht nicht derselben Auffassung sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das haben wir immer gemacht!)

Ich habe es leider Gottes erst festgestellt, als es meines Erachtens etwas zu spät war.

Ich glaube, dass Verrohung in der Gesellschaft und in der Auseinandersetzung draußen schon auch etwas mit der Frage zu tun hat, wie man tatsächlich miteinander umgeht. Das prägt das Bild und das Verständnis in diesem Staat und in dieser Gesellschaft.

Ich glaube auch, dass sich die Regierung und dieses Haus in einem großen Konsens wirklich darüber einig waren, sehr viel zu tun, um den Menschen dieses Verständnis in umfangreichen Programmen nahezubringen. In das Programm „Demokratie leben!“ – um nur eines aus dem Bereich zu nennen – geht viel Geld. Ich habe in meiner politischen Vita und Agenda zum Beispiel im Umfeld des G-20-Gipfels so viel Verharmlosung, Verniedlichung linksextremer Gewalt erlebt wie selten zuvor.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Wir müssen auch darüber reden, dass die Programme vielleicht nicht richtig austariert sind.

Ich wende mich nun wieder der rechten Seite dieses Hauses zu. Die Vorbereitung der Verrohung der Gesellschaft findet zum großen Teil im Internet statt, und zwar sowohl in praktischer Hinsicht als Anleitung zur Ausübung von Gewalt als auch in intellektueller Hinsicht. Angesichts dessen müssen Sie mir verraten, warum Sie ausgerechnet gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sind, das zum Ziel hat, das Internet nicht mehr als Plattform der Vorbereitung von Hass nutzen zu können. Das versteht kein Mensch mehr. Das sage ich an die Adresse der Kollegen von der AfD.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Dafür gibt es ein Strafrecht!)

Ja, wir müssen in diesem Land wieder über die Strafbarkeit von Sympathiebekundungen für Extremisten reden. Ja, wir müssen auch über eine Extremismusklausel nachdenken. Wir müssen eine positive Haltung, ein Ja zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung einfordern. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie alle – auch die neuen Kollegen – sind mitverantwortlich dafür, wie die Gesellschaft miteinander umgeht. Wenn wir an dieser Stelle nicht aufeinander einprügeln – weder tatsächlich noch rhetorisch –, dann kann das auch im Land – das ist meine Auffassung – Schule machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)