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Michael Frieser: Wer minderjährig ist, steht unter dem besonderen Schutz des Staates

Rede zur Altersfeststellung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist notwendig, dass man in dieser Debatte, die vielleicht deshalb emotional aufgeladen ist, weil es um Menschen geht, auf bestimmte Dinge hinweist. Es ist berechtigt, dass man das tut. Ich bitte aber darum, dass man dieser Aufgeregtheit, die hier durch einen Antrag der AfD inszeniert wird, nicht noch auf den Leim geht.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie müssen nur zustimmen! Das ist ganz einfach!)

Ich glaube, das Haus wusste auch bisher schon, wie man mit solchen Themen gut umgehen kann. Wir haben dazu auch Beispiele aus den Ländern gehört. Ich glaube, wir sind auch zukünftig in der Lage, das unaufgeregt und im Sinne der Menschen, auch der Minderjährigen, umzusetzen – auch ohne Antrag der AfD.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auf der einen Seite muss man schon sagen: Man muss erkennen und bewusst dazu stehen, dass es sich um eine Problemsituation handelt. Auf der anderen Seite geht es nicht um das Dramatisieren von Zahlen. Es geht auch um mehr als nur die Buchstaben des Gesetzes und des Rechtes. Es geht darum, dass diese Gesellschaft Menschen ein Schutzversprechen gibt: Wer minderjährig ist, steht unter dem besonderen Schutz dieses Staates. Deshalb muss erkannt werden, und zwar im Groben: Handelt es sich hier um Minderjährige, oder handelt es sich hier nicht um Minderjährige? Insofern sind wir, glaube ich, gut beraten, zu den eigentlichen Wurzeln zurückzukehren. Wer als Flüchtling in dieses Land kommt und einen Antrag auf Asyl stellt, macht einen Anspruch gegen diesen Staat geltend und stellt gleichzeitig einen Anspruch an die Gesellschaft. Deshalb muss er sagen, wer er ist, woher er kommt und wie alt er ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das heißt also, er muss beweisen, will er das Recht auf Asyl und das Schutzversprechen dieses Staates tatsächlich in Anspruch nehmen. Deshalb sagen wir ohne jede Aufregung: Selbstverständlich müssen auch gezielte Falschangaben, die im Einzelfall vielleicht sogar nachvollziehbar sind, Einfluss auf das Antragsverfahren haben. Aber jetzt einmal ganz ehrlich die Frage: Geht’s noch, in einem solchen Fall mit drakonischen Haftstrafen zu reagieren? Ich dachte immer, Ihnen ginge es mit Ihrem Antrag auch um Einsparungen. Stattdessen wollen Sie jemanden, dessen Asylantrag abgelehnt wird, dann hinterher drei Monate oder sechs Monate oder ein Jahr in Haft stecken. Da ist meines Erachtens tatsächlich jeder Rahmen überschritten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE])

Insofern glaube ich schon: Das Entscheidende ist, dass wir das ganze Verfahren – das klingt jetzt vielleicht etwas hart – praktikabel machen müssen, dass es der Normalfall ist, dass die Inaugenscheinnahme – oftmals ist darauf hingewiesen worden – bereits den Buchstaben des Gesetzes entspricht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nein, es geht nicht um Kinder in dieser Debatte. Nein, es geht nicht darum, dass wir durch irgendwelche Methoden exakte Geburtsdaten und am besten noch das Tierkreiszeichen ermitteln. Es geht darum, dass wir generell unterscheiden können, ob Menschen, die hierherkommen, des besonderen Schutzes des Staates wert und würdig sind oder nicht, um damit den anderen, die diese Kapazitäten, die diesen Schutz wirklich brauchen, die Möglichkeit zu geben, ihn auch wirklich zu erhalten. Nur darum geht es. Es geht also um eine generelle Feststellung des Alters und nicht um die genaue Bestimmung des Alters.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb glaube ich, diese Entscheidung, die wir getroffen haben, es in den Entscheidungs- und Rückführungszentren zu machen, ist richtig; denn dort bündeln wir den Sachverstand. Wenn jemand sein Alter nachweisen muss, weil die Inaugenscheinnahme nicht hilft, die Papiere, die Beweise nicht helfen, kann die Einräumung der Möglichkeit eines minimalen medizinischen Eingriffes diese Klarheit im Sinne der Gesellschaft, im Sinne der Geflüchteten und im Sinne der Minderjährigen tatsächlich erbringen. Dazu bedarf es mit Sicherheit keines Antrages der AfD.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)