Michael Frieser: Der Erfolgswert aller Stimmen für Direktmandate wäre null, wenn ein Wahlkreis nicht zugeteilt wird
Rede zurÄnderung des Bundeswahlgesetzes
Sehr verehrter Herr Präsident, ich habe schon festgestellt: Weder der Kollege Kuhle noch ich sind als „geschätzter“ oder „vielgelobter“ Kollege, wie die Kollegin Haßelmann oder der Kollege Amthor, bezeichnet worden.
(Heiterkeit – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Frieser, das hat was mit Ihnen zu tun!)
Es soll uns recht sein, aber wir halten das mal fürs Protokoll fest.
Liebe Kollegen, dass es heute mitunter zu Themaverfehlungen kommen wird, war eigentlich ersichtlich. Wir mussten die entscheidende Frage der Wahlkreisanpassungen klären. Das ist nicht nur ein gesetzlicher Auftrag, sondern notwendig. Seien wir froh, dass wir heute den Gesetzentwurf in großer Einigkeit – zumindest fast – verabschieden können.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sei denn, Sie vermasseln das jetzt!)
Wir müssen Grenzen berücksichtigen. Wir müssen nicht nur Bevölkerungsstatistiken wälzen. Nein, der schwierige Prozess der Wahlkreisanpassungen zeigt uns, dass es sich hierbei nicht um irgendeine abstrakte Größe handelt. Es gibt sehr wohl eine Identifikation der Bürger mit ihrem Wahlkreis, und es ist ihnen nicht egal, zu welchem Wahlkreis sie gehören; sie können ganz schön heftig reagieren,
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die haben wir nicht beteiligt!)
wenn sie aufgrund organisatorischer oder statistischer Größenordnungen einem anderen Gebiet zugeschlagen werden.
Das ist übrigens der Grund dafür, warum wir im Durchschnitt so lange für die Wahlkreisreform gebraucht haben. Das zeigt, dass man nicht leichtfertig sagen kann: Bei Wahlkreisreduzierungen ist es doch egal, ob 30, 40 oder 50 dabei herauskommen, wir werden das irgendwie hinkriegen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso? Das haben wir doch ganz schnell gemacht?)
Sie haben erlebt, wie schwierig die Abstimmung und wie hoch die Identifikation der Bürger mit ihren Wahlkreisen tatsächlich ist.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat zwei Stunden gedauert!)
Man sollte schon darauf achten, welche Büchse der Pandora man bei dieser Thematik öffnet. Man spürt, dass der Bürger in einem Abgeordneten nicht nur einen Repräsentanten sieht, der eine Region vertritt, sondern dass man ihn auch als jemand ansieht, der die Bundespolitik vor Ort erklären und erläutern kann. Auf diese Wechselbezüglichkeit kommt es an. Deshalb sollte man über die Frage der Wahlkreisreduzierung nicht einfach hinwegschreiten, geschweige über die Frage der Kappung der Zahl der Direktmandate.
Zur tollen Idee der Nichtzuteilung von gewonnenen Direktmandaten möchte ich sagen: Der Erfolgswert aller Stimmen für Direktmandate wäre null. Wenn ein Wahlkreis nicht zugeteilt wird, ist keine einzige Stimme, die dort abgegeben wird, etwas wert. Das kann nicht der Sinn einer Wahlrechtsreform sein.
Ich bin dankbar und froh, dass wir heute zumindest die Wahlkreisreform beschließen können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)