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Markus Grübel: Auch die Europäische Union und damit Deutschland müssen sich stärker einbringen

Redebeitrag zur Entwicklung einer langfristigen Friedenslösung in Bergkarabach

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Konflikt in Bergkarabach hat eine lange Geschichte und hat schon viele Menschenleben gefordert, viele Existenzgrundlagen vernichtet und viele Kulturgüter zerstört. In Bergkarabach kämpfen überwiegend muslimische Aseris gegen überwiegend christliche Armenier, verstärkt durch Söldner aus Syrien – Söldner, keine Dschihadisten –, im Dienste der Türkei und Aserbaidschans.

Ist das nun ein Religionskrieg? Auch wenn man das zunächst meinen könnte, würde ich nicht von einem Religionskrieg sprechen. Der Konflikt hat aber starke religiöse Komponenten, und mit jedem Tag spielen religiöse Gefühle und Symbole eine stärkere Rolle. Ich habe Bilder vor Augen von einer Moschee, die zum Schweinestall umgenutzt wurde, oder Bilder der Kathedrale von Schuscha – „Schuscha“ ist der aserbaidschanische Name, „Schuschi“ der armenische Name –, die stark zerstört und aktuell von Vandalen mit Graffiti verschmiert wurde, oder auch die Kirche Johannes des Täufers, Kanatsch Scham. Diese Kirche hat eigentlich zwei Kirchtürme. Auf aktuellen Bildern sind die beiden Kirchtürme weg, und sie sind sicherlich nicht wegretuschiert worden.

Es geht um Land, um Interessen, um Einfluss und Macht, so wie in vielen anderen Konflikten auch. Das Problem: Der Konflikt verläuft entlang ethnischer und religiöser Gruppen. Er trifft ganz besonders die armenischen Christen, und es besteht die Gefahr, dass es wieder eine Vertreibung von Christen gibt, wie es so viele Vertreibungen zum Beispiel im Nahen und im Mittleren Osten gibt. Dabei leben die christlichen Armenier schon seit Jahrhunderten in Bergkarabach und dem Umfeld. Karabach ist seit dem 4. Jahrhundert ein Zentrum des Christentums; aber auch die Aseris haben dort schon jahrhundertelang ihre Weidegründe.

Mir ist eines ganz wichtig: Religion ist zwar nicht die Ursache für den Konflikt, aber sie darf auch nicht zum Verstärker und Brandbeschleuniger werden. In Aserbaidschan herrscht im regionalen Vergleich ein bemerkenswertes Maß an Religionsfreiheit. Diese Religionsfreiheit gilt aber nur sehr eingeschränkt für die Armenisch-Apostolische Kirche. Deshalb müssen wir darauf achten, dass der Konflikt nicht weiter religiös aufgeheizt wird. Wir müssen verhindern, dass ethnische oder religiöse Säuberungen stattfinden, und wir müssen auch das Potenzial der Religionen für das friedliche Miteinander erkennen und nutzen. Es muss zudem eine schnelle Rückkehr der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen geben, auf der Grundlage der Madrider Prinzipien, sonst verfestigen sich Flucht und Vertreibung.

Die armenischen christlichen Kirchen, Klöster und Kunstschätze, aber auch die Moscheen müssen geschützt und wiederhergerichtet werden. Die religiöse Vielfalt, gerade an dieser Schnittstelle zwischen Orient und Okzident, muss bestehen bleiben. Armenier und Aseris können friedlich miteinander leben; das zeigt die Situation in Georgien. Aber auch dort besteht die Gefahr, dass die Spannungen überspringen, gerade in Gegenden, die gemischt bewohnt werden.

Der Waffenstillstand ist jetzt ein erster wichtiger Schritt, aber wie geht es weiter? Die USA und Frankreich als Co-Vorsitzende der Minsk-Gruppe waren in den letzten Monaten viel zu sehr mit sich selber beschäftigt. Das muss sich ändern. Aber auch die Europäische Union und damit Deutschland müssen sich stärker einbringen. Ich will nicht, dass wir Ländern wie Russland oder der Türkei, die die Freiheitsrechte und die Demokratie schwächen, die Lösung allein überlassen. Unsere Rolle ist auch nicht, nur mit Geld die Schäden zu beseitigen, die andere angerichtet haben. Sicherlich werden hier für eine dauerhaft friedvolle Lösung alle Seiten Zugeständnisse machen müssen.

Ich werbe eindringlich um eine breite Zustimmung zu unserem Antrag, zum Antrag der Koalition.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)