Skip to main content

Jana Schimke: Ein Mindestlohn schützt nicht vor Altersarmut und wird auch nicht zu Wohlstand führen

Rede zur Forderung den gesetzlichen Mindestlohn zu erhöhen

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir nicht nur heute hier über den gesetzlichen Mindestlohn, sondern auch immer wieder einmal über die gesetzliche Rente führen, krankt daran, dass den Menschen immer Versprechungen gemacht werden und dass bei ihnen Erwartungen geweckt werden, die nicht erfüllt werden können.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir fordern was! Wer verspricht denn hier was?)

Es war nicht Aufgabe unserer gesetzlichen Regelungen, Erwartungen zu wecken. Es geht beim Mindestlohn nicht darum, Altersarmut zu verhindern, ihr vorzubeugen oder gar Wohlstand zu schaffen. Das ist gar nicht Sinn und Zweck eines Mindestlohns.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach so? Altersarmut interessiert Sie nicht? Sehr schön!)

Es geht auch nicht darum, einen Urlaub zu finanzieren. Nein, es geht um einen gesetzlichen Mindeststandard, um eine Untergrenze, auf der man sozusagen aufbauen kann, aber nicht um das, was Sie den Menschen immer wieder versprechen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer verspricht denn was? Wir fordern was! Wir machen einen Vorschlag!)

Ich sage noch eines: Ihre Versprechen führen dazu, dass der gesellschaftliche Unfriede wächst, weil die Erwartungen nicht erfüllt werden können.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Welche Versprechen? Wovon reden Sie? Wir haben einen Antrag eingebracht!)

Die Darstellung der Arbeitsmarktlage, die Sie uns regelmäßig präsentieren, ist falsch. Wir haben heute im Bereich der Tariflandschaft bei der Pflege, Herr Riexinger – Sie haben es eben erwähnt – oder auch im Bereich des Reinigungsgewerbes schon längst einen tariflichen Mindestlohn, der über dem gesetzlichen Niveau liegt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch gut so!)

Das heißt, bei den Tarifverträgen, die wir haben, liegen wir schon heute mitunter weit darüber. Auch der Prozess der Angleichung zwischen alten und neuen Bundesländern schreitet immer mehr voran. Meine Bitte: Bleiben Sie bei den Fakten! Seien Sie ehrlich,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sind wir!)

und streuen Sie den Menschen nicht immer Sand in die Augen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nein, ein Mindestlohn schützt nicht vor Altersarmut und wird auch nicht zu Wohlstand führen. Er sichert einen Mindeststandard und ist ein weiterer Schritt – das war bei seiner Einführung ein Hintergedanke –, um die Arbeit im Niedriglohnbereich besser zu machen. Er bietet Menschen, die in diesem Segment beschäftigt sind, eine bessere Einkommensbasis. Aber das kann doch nicht das Ende der Geschichte sein.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat auch keiner behauptet!)

Es geht uns und unserer Arbeitsmarktpolitik darum, die Menschen aus diesem Niveau herauszubringen, sie weiterzuqualifizieren,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie machen ja nichts dafür!)

sie zu fördern, sie in die Lage zu versetzen, auch in andere Lohnbereiche vorzudringen. Das ist Ausdruck einer gesunden, einer gelebten Arbeitsmarktpolitik.

Meine Damen und Herren, wenn Politik auf Wirklichkeit trifft, dann passiert das, was wir leider auch beim Mindestlohn erleben mussten. Es gab arbeitsmarktpolitische Effekte; selbstverständlich gab es die. Deutschland und die deutsche Wirtschaft, das sind aber nicht nur München oder Stuttgart, das sind auch die neuen Bundesländer. Ich bin aus der Region, aus der die Spreewaldgurke kommt.

(Michael Theurer [FDP]: Sehr gut!)

Wir haben leider einen recht massiven Einbruch der Anbaufläche im Bereich Gemüse zu verzeichnen – auch durch den Mindestlohn. Gemüseanbau, Landwirtschaft, das sind Branchen, die sehr lohnintensiv sind. Da führen solche gesetzlichen Maßnahmen dazu, dass mitunter auch Stellen abgebaut werden, dass Branchen in erhebliche Schwierigkeiten geraten.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung?

Jana Schimke (CDU/CSU):

Nein, ich möchte gern fortfahren. – Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen.

Ein weiterer Punkt. Jeder, der ein aufmerksamer Leser der Tagespresse ist, konnte in den letzten Tagen eine sehr interessante Darstellung aus dem Friseurhandwerk zur Kenntnis nehmen. Dort sagt man, dass ein Mindestlohn von 12 Euro im Moment durch die Branche gar nicht darstellbar wäre, weil die Lohnkosten bei 60 Prozent liegen, weil man die Lohnkosten nicht auf die Kunden überwälzen kann. So einfach, wie Sie sich das hier in diesem Hause manchmal gern machen wollen, ist es schlichtweg nicht.

Es ist unsere Aufgabe, eine Politik zu machen, die die Realitäten der deutschen Wirtschaft abbildet, die die Vielfältigkeit der deutschen Wirtschaft abbildet, die darauf Rücksicht nimmt, dass nicht jede Branche, nicht jedes Unternehmen so gewinnträchtig arbeiten kann wie möglicherweise die Metall- und Elektroindustrie. Das ist unsere Aufgabe. Deswegen müssen wir genau an dem Punkt ansetzen, an dem der Mindestlohn im Moment krankt. Wir müssen die Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten reduzieren. Wir müssen auch im Bereich der Praktika noch mal ran; es gab einen massiven Abbau von Praktikumsplätzen. Wir müssen die Aufzeichnungspflicht auch bei den Minijobs noch einmal überdenken, gegebenenfalls sogar abschaffen und viele andere Dinge ebenfalls in den Blick nehmen. Das ist Ausdruck einer gesunden, auch einer lernenden Politik, und dafür machen wir uns stark.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)