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Yvonne Magwas: 30 Jahre vereinte Anstrengungen haben sich gelohnt

Redebeitrag in der vereinbarten Debatte zu "30 Jahre Deutsche Einheit"

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wurde 1979 im Vogtland geboren. Als zehnjähriges Kind erlebte ich die Friedliche Revolution und die deutsche Einheit. Plauen, die größte Stadt meiner Heimat, war einer der wichtigsten historischen Schauplätze von 1989. Mutige Menschen sind damals früh im Oktober für Presse- und Meinungsfreiheit, für freie demokratische Wahlen und für Reisefreiheit auf die Straße gegangen. Einer davon war Siegmar Wolf. Am 7. Oktober hielt er auf der ersten Großdemonstration ein Plakat mit seinen Forderungen von Freiheit der Staatsmacht entgegen. Menschen wie er waren es, die mit ihrer Entschlossenheit und ihrem Mut den Wandel herbeiführten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben uns Spätgeborenen ein besseres Leben ermöglicht, und dafür bin ich persönlich unendlich dankbar.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses große Glück, die gelungene Revolution und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes haben mich nachhaltig geprägt. Vielleicht waren wir die letzte Generation, die das von sich sagen kann. So viele große neue Chancen: Freiheit, Luft zum Atmen. Ich konnte im wiedervereinten Deutschland die prägenden Jahre meiner Schulbildung ideologiefrei durchlaufen, und ich konnte studieren, was ich wollte.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eine andere Ideologie ist auch eine Ideologie!)

Hier als Bundestagsabgeordnete im Herzen der Demokratie arbeiten zu dürfen, frei gewählt zu sein, erfüllt mich regelmäßig mit Freude und Stolz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Marian Wendt [CDU/CSU]: Uns auch!)

In den 1990er- und 2000er-Jahren konnte ich aber auch sehen, wie herausfordernd die Transformation einer abgewirtschafteten Planwirtschaft in die Marktwirtschaft war, insbesondere für die erwerbsaktiven Generationen. Viele Träume platzten, vieles dauerte viel länger, als erhofft. Viele Menschen in der Generation meiner Eltern können schwerlich sagen, dass ihre individuelle Bilanz positiv ist, nicht weil sie die DDR so gut fänden, sondern weil ihr Weg in der Transformation von struktureller Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und Existenzangst geprägt wurde. Es gehörte damals auch sehr viel Mut dazu, diese schwierige Transformation durchzustehen, sein Berufsleben oft neu zu erfinden. Das ist mehr oder weniger in allen ehemaligen Ostblockländern zu sehen. Der Westen, das Neue ist nicht Verursacher dessen; es sind Nachwirkungen, Nachwehen der kommunistischen Jahrzehnte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 30 Jahre nach der deutschen Einheit möchte ich den Blick in die Zukunft lenken. Wie steht es um die Identität der jungen Menschen heute? Mehr und mehr höre ich von jungen Menschen, dass sie Debatten zu Unterschieden zwischen Ost und West überdrüssig sind. Ein Interview des Instituts der deutschen Wirtschaft mit dem Start-up-Unternehmer Robert Hellmundt aus Jena wurde überschrieben mit: „Ost? West? Das sind bloß Himmelsrichtungen“. Ich denke, in diesen sechs Worten steckt viel drin. Ich bin ganz bei Robert Hellmundt, wenn er sagt, dass im Alltag das Ost-West-Thema in seiner 89er-Generation keine Rolle spielt. Thüringen sei seine Heimat, und er begreife sich selbst viel eher als Deutscher und Europäer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht um das Ziehen von Schlussstrichen bei dieser Debatte. Es geht auch nicht ums Vergessen; das dürfen wir keinesfalls. Doch müssen wir heute, 30 Jahre nach der deutschen Einheit, auch verstärkt den Blick nach vorne richten. Der jungen Generation steht von Anfang an die ganze Welt offen. Wir leben in Frieden und Freiheit, im Herzen eines vereinten Europas, in einer gut funktionierenden Demokratie. Liebe Freunde, das ist ein Geschenk; es ist aber auch Verpflichtung zugleich, Verpflichtung, sich zu engagieren, sich einzubringen, unser Land auch weiter voranzubringen. Ich erlebe immer wieder junge Leute – in Plauen, im Vogtland, in Sachsen, in ganz Deutschland –, die genau das tun, die kluge Ideen haben, die positiv nach vorn blicken und die unser Land gemeinsam gestalten wollen.

Was muss die Politik tun? Wir als Politiker müssen dafür arbeiten, dass die junge Generation das weiterhin tun kann. Wir müssen gute Rahmenbedingungen schaffen, unsere Umwelt schützen, Forschung ermöglichen, neue Technologien und Arbeitsplätze der Zukunft befördern, starke Regionen entwickeln; denn starke Regionen sind die Basis für die Identitätsbildung und, und, und. Es gibt so viele spannende Themen, so viel Potenzial, um für weitere Verbesserungen in unserem Land zu arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Mut, den die Menschen 1989 und 1990 hatten, braucht es auch heute wieder. Wir müssen mit dem Wissen aus der Geschichte für Veränderungen aufgeschlossen sein und für eine gute gesamtdeutsche Zukunft arbeiten, fest verwurzelt in der Demokratie, die soziale Marktwirtschaft weiter vertiefen, die Europäische Union weiterentwickeln – das sind unsere großen Aufgaben. Die Basis, auf der wir weiter bauen können, trägt inzwischen in ganz Deutschland. 30 Jahre Anstrengung, 30 Jahre vereinte Anstrengungen haben sich gelohnt. Wir haben allen Grund, in großer Dankbarkeit optimistisch in eine gemeinsame gute Zukunft zu blicken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie der Abg. Franziska Gminder [AfD])