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Thorsten Frei: Meinungsfreiheit hat auch immer ein Gegenstück

Rede in der aktuellen Stunde zur Meinungsfreiheit in Deutschland

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, diese Aktuelle Stunde, die wir heute zur Meinungsfreiheit hier hatten, hat eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Meinungsfreiheit in Deutschland ein Thema ist, über das wir erstens reden müssen – insofern war es richtig, eine solche Debatte aufzusetzen –, und dass sie zweitens natürlich eine juristische Dimension hat, aber vor allen Dingen eine politische und eine menschliche.

Und wenn man zur juristischen Dimension kommt: Ja, dann stimmt es, dann haben wir es in Artikel 5 unseres Grundgesetzes geregelt – wir schauen uns das Ranking von Reporter ohne Grenzen an und sehen, dass Deutschland seit Jahren und Jahrzehnten ganz oben steht. Ja, in der Tat, der Staat sorgt dafür, dass es Meinungsfreiheit in Deutschland gibt, und niemand, der hier oder sonst irgendwo in Deutschland spricht, muss befürchten, dass der Staat ihn dafür zur Rechenschaft zieht, wenn er sich im Rahmen des Strafrechts bewegt.

Und wenn wir einen Blick in die Welt werfen und in die Geschichte unseres Landes, dann sehen wir, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Wenn wir in die Welt schauen, dann sehen wir, dass wir mit solchen Problemen weltweit überall zu kämpfen haben und bei uns in Deutschland nicht.

Und wenn wir in die Geschichte schauen und in diesem Herbst 30 Jahre Mauerfall gedenken, dann müssen wir eben auch wissen, dass die Mauer nicht nur die Fortbewegungsfreiheit der Menschen eingeschränkt hat, sondern dass sie auch ein Symbol für die Unfreiheit der Menschen war, und nur einen Steinwurf von diesem Platz entfernt, gab es Menschen, die etwas gesagt haben, das nicht botmäßig war, und dafür Repressalien durch den Staat zu erleiden hatten. Das ist in der Tat etwas, was wir auch in den Rahmen unserer Betrachtungen stellen müssen.

Trotzdem – es ist zitiert worden – gibt es viele Studien, die da sagen: Menschen fühlen sich unwohl, haben den Eindruck: Wenn ich meine Meinung nicht sage, wie sie ist, dann komme ich besser durchs Leben. Dann kann mir nichts passieren; dann werde ich nicht in irgendeine Ecke gestellt. – Das ist schon etwas, was wir ernst nehmen müssen.

Ich fand es gut, dass in dieser Debatte auch entfaltet wurde, dass Meinungsfreiheit immer auch ein Gegenstück hat und dass man das Gegenstück aushalten muss. Aber das, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, sprengt schon die Vorstellungskraft. Was sich Extremisten von links und von rechts und Ideologen, die glauben, dass sie die Wahrheit gepachtet haben, erlaubt haben bei der Blockade einer Vorlesung, bei der Blockade einer Buchlesung eines langjährigen Ministers,

(Enrico Komning [AfD]: Das waren keine Rechten!)

der als Verfassungsminister mehr als andere jeden Tag für den Schutz unserer Grundrechte und auch der Meinungsfreiheit eingestanden ist, wenn ein Kollege aus diesem Hause eine Veranstaltung zu Antisemitismus macht und anschließend sein Wahlkreisbüro in Schutt geschlagen wird, dann ist das etwas, was nicht akzeptabel ist.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Das haben wir täglich!)

Und es ist genauso, es ist genau das Gleiche: Wir haben Ökoradikale auch hier in Berlin erlebt, die glauben, dass sie die Wahrheit gepachtet haben,

(Enrico Komning [AfD]: Da haben Sie völlig recht!)

die glauben, dass ihnen das das Recht gibt, sich über die demokratischen Spielregeln und auch die Regeln unseres Rechtsstaats hinwegzusetzen. Und das geht genauso wenig; weil, wenn jemand glaubt, dass sein Anliegen wichtiger ist als Demokratie, dann ist das der Anfang vom Ende.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Michel Brandt [DIE LINKE])

Wenn jemand glaubt, dass er bestimmen kann, was diskutiert werden kann und was nicht, dann ist genau das nicht akzeptabel.

(Enrico Komning [AfD]: Da haben Sie völlig recht!)

Ich erinnere mich sehr gut an die Rede des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble hier an dieser Stelle zu Beginn dieser Wahlperiode, als er darauf hingewiesen hat, dass niemand das Volk alleine vertritt – niemand hier von uns und auch sonst niemand in Deutschland. Wir kommen aus dem ganzen Land hier zusammen, und erst der Meinungsaustausch, der Diskurs über die Themen führt letztlich dazu, dass hier ein Volkswille gebildet wird, und das gilt im Deutschen Bundestag, und das gilt natürlich genauso in unserem Land insgesamt. Wir sollten nicht dem Trugschluss erliegen, dass nur wir allein wüssten, was die Wahrheit ist, was richtig ist.

Deswegen hat das Ganze neben der rechtlichen Komponente, um die wir uns kümmern müssen, eben auch eine zutiefst persönliche. Für die rechtliche Komponente, Frau Bundesjustizministerin, ist klar, dass wir für die Phänomene, die neu hinzukommen, Antworten finden müssen, dass wir Dinge, die wir im analogen Leben geregelt haben, eben auch für das Internet regeln müssen. Und wir müssen auch schauen, ob die Taten, die dort begangen werden, nicht ein höheres Unwerturteil verdienen als im analogen Leben, weil sie eben auch eine ganz andere Wirkung haben.

Das sind die Themen, um die wir uns kümmern müssen – und darüber hinaus aber auch die Frage, wie wir miteinander umgehen, dafür sind wir hier im Hause auch ein Stück weit Vorbild. Wir können ein gutes Vorbild sein oder ein schlechtes Vorbild sein für die Menschen. Wir sollten uns für Ersteres entscheiden, und wir sollten damit einen positiven Beitrag zur politischen Debatte in unserem Land leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Saskia Esken [SPD])