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Thorsten Frei: Es verlangt die volle Rückendeckung des Staates, um unsere Polizei gehtwenn es

Redebeitrag in der Aktuellen Stunde zu den Gewaltexzessen in Stuttgart

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir am vorvergangenen Wochenende in Stuttgart erlebt haben, ist bedauerlicherweise nicht nur ein Einzelfall, sondern wir erleben das immer wieder in Städten wie Berlin, Leipzig, Hamburg, beispielsweise in der Silvesternacht oder in den 1.-Mai-Nächten. Wir haben es 2017 in Hamburg beim G-20-Gipfel erlebt. Wir haben es 2015 in Frankfurt bei der Eröffnung des Neubaus der EZB erlebt.

Das, was wir in Stuttgart in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni gesehen haben, war insofern etwas Besonderes, als es an einem äußeren Anlass ganz offenkundig gefehlt hat. Trotzdem war da etwas, was unsäglich ist. Wenn 400 bis 500 Jugendliche und Heranwachsende marodierend, plündernd, brandschatzend durch die Stuttgarter Innenstadt ziehen, dann ist das nicht akzeptabel; dann brauchen wir eine klare Antwort des Rechtsstaates, weil wir es nicht zulassen dürfen, dass Menschen, die sich so verhalten, dem Rechtsstaat auf der Nase herumtanzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der FDP)

Es geht um Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht darum, dass dort Schaufensterscheiben eingeschmissen worden sind, in einer Zeit, wo wir die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bekämpfen, wo Einzelhändler und Familien ohnehin versuchen, die Nase über dem Wasser zu halten. Da werden Millionenschäden angerichtet. Allein ein Kiosk muss für 100 000 Euro renoviert werden; die Einnahmeausfälle gar nicht mitgerechnet. So etwas ist unverantwortlich. Deshalb brauchen wir darauf eine klare Antwort, genauso wie auf die Attacken auf Polizisten, die behandelt wurden, als wären sie keine Menschen. Das ist inakzeptabel. Es verlangt die volle Rückendeckung des Staates und der staatlichen Organe, wenn es um unsere Polizei geht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der AfD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, an der Stelle sind folgende Dinge richtig und notwendig: Wir müssen genau analysieren, was da passiert ist. Wer war das? Was waren das für Gruppen? Haben die einen politischen Hintergrund, oder haben sie ihn nicht? Wie sind die organisiert gewesen?

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie Frau Weidel!)

Das müssen wir beantworten. Deswegen möchte ich einfach auch an Ihre Adresse, Frau Kollegin Weidel, sagen: Ich halte es für falsch und fahrlässig, zum jetzigen Zeitpunkt, wo wir all diese Fragen nicht beantworten können, Vermutungen in den Raum zu stellen, die die Dinge nicht besser machen, sondern im Gegenteil schlechter.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Benjamin Strasser [FDP]: Sagen Sie das mal dem Minister Strobl!)

Ich finde, das sollten wir abwarten; das sollten wir überprüfen.

Dann gibt es weitere Punkte, die man auch ungeachtet dessen heute bereits sagen kann:

Erster Punkt. Kommunale Kriminalitätsprävention ist etwas, was das Sicherheitsgefühl der Menschen verstärkt und was die Pflicht jeder guten Kommunalpolitik ist. Wenn es in Stuttgart so ist, dass es im Schlossgarten Bereiche gibt, die No-go-Areas sind; wenn es Bereiche gibt, die nicht ausgeleuchtet sind; wenn es Bereiche gibt, wo man beispielsweise die Möglichkeiten, die sich aus der Videoüberwachung ergeben, nicht nutzt; wenn man die Möglichkeiten, die sich aus den zeitlich und örtlich begrenzten Alkoholverboten ergeben, nicht nutzt; wenn man die Angebote der baden-württembergischen Landesregierung, eine Sicherheitspartnerschaft aufzulegen, anders als alle anderen baden-württembergischen Großstädte nicht nutzt: Dann ist das etwas, was aus meiner Sicht schon mal nicht akzeptabel ist. Das ist der erste Punkt, mit dem man niedrigschwellig das Sicherheitsgefühl und auch die objektive Sicherheitslage für die Menschen deutlich verbessern kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweiter Punkt. Gerade wenn es um jugendliche und heranwachsende Straftäter geht, muss der Rechtsstaat glaubwürdig sein. Wie handelt er glaubwürdig? Nicht indem er herumeiert, sondern indem er die Strafe auf dem Fuß folgen lässt. Das bedeutet, dass man die Möglichkeiten des beschleunigten Verfahrens, wie wir sie heute in der Strafprozessordnung haben, eben auch tatsächlich einsetzt und das Ganze dem Motto folgt: „Heute Radau, morgen Bau.“ Das ist etwas, was die jungen Leute, die so etwas machen, dann vielleicht auch verstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir sollten uns schon genau anschauen, ob wir, auch was die Möglichkeiten des Strafrechts anbelangt, richtig sortiert sind oder ob wir an der einen oder anderen Stelle vielleicht nachbessern sollten. Ich will zwei Punkte nennen: die tätlichen Angriffe auf Polizeibeamte, insbesondere die, von denen sie schwere Gesundheitsschäden davontragen, aber auch den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Ich bin dafür, dass insbesondere dann, wenn Polizisten schweren körperlichen und gesundheitlichen Schaden nehmen, wir die Mindeststrafe auf zwölf Monate erhöhen und damit das Ganze zum Verbrechen machen. Das wäre ein klares Signal der Wertschätzung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Marc Henrichmann [CDU/CSU] und Karsten Hilse [AfD])

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Frei, die Redezeitregeln der Aktuellen Stunde sind streng. Ihre fünf Minuten sind vorüber.

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Markus Grübel [CDU/CSU]: Dem hätte ich noch eine halbe Stunde zuhören können!)