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Thorsten Frei: "Es geht um Vertrauen"

Rede zum Sanierungs- und Insolvenzrecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „It’s the economy, stupid.“ Mit diesem Satz hat Bill Clinton 1992 nicht nur die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen, sondern er hat damit letztlich auch auf den Punkt gebracht, um was es geht: um die Grundlagen von Wohlstand und Arbeitsplätzen, die Grundlage unseres Gemeinwesens schlechthin.

Wenn man sich das mal auf die Verhältnisse übersetzt, in denen wir leben, dann bedeutet das im Klartext, dass eine funktionierende und prosperierende Wirtschaft der Grund dafür ist, dass wir in der Lage sind, jedes Jahr – in diesem Jahr 153,2 Milliarden Euro – soziale Leistungen auszubringen, dass wir in der Lage sind, diese unglaublichen Wirtschaftshilfen im Rahmen der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auszubringen, um nach der Krise auch wieder auf die Füße zu kommen.

Ein wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Wirtschaft ist das Vertrauen, ist das Vertrauen in die Marktordnung, ist das Vertrauen in die Marktteilnehmer, ist das Vertrauen darauf, dass die Leistungen erbracht werden, die Werke, die Dienstleistungen bezahlt werden und dass man nicht bei jedem einzelnen Fall davon ausgehen muss, dass man Vorleistungen benötigt, dass man Sicherungen braucht und anderes mehr. Das würde dem Markt die Flexibilität entziehen.

Deswegen, glaube ich, darf man nicht dem Trugschluss unterliegen, dass das Insolvenzwesen so etwas wie die Friedhofsordnung der Marktwirtschaft wäre, sondern ganz im Gegenteil: Es ist die Grundvoraussetzung dafür, dass mit Vertrauen agiert werden kann.

(Zuruf der Abg. Judith Skudelny [FDP])

Deswegen ist es so richtig, deswegen ist es so wichtig und deswegen ist es notwendig, dass wir an diesem Thema auch arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es geht um Vertrauen, um das Funktionieren der Wirtschaft. Es geht – wir haben es vorhin in einer anderen Debatte schon erlebt – auch um die zweite Chance.

Es stimmt, sehr geehrter Herr Kollege Jacobi: Das ist in der Tat nichts, was in der Adventszeit vom Himmel gefallen wäre, sondern wir haben eine EU-Richtlinie zur Restrukturierung. Diese ist gut und richtig, weil sie es schafft, zwischen den beiden insolvenzrechtlichen Strängen einen dritten guten Weg zu gehen – zwischen der freien Sanierung auf der einen Seite und der mit dem Insolvenzverwalter auf der anderen Seite, bei der das Unternehmen gezwungen ist, das Heft des Handelns letztlich aus der Hand zu geben.

Mit der vorinsolvenzlichen Restrukturierung schaffen wir es, dass auch eine große Mehrheit der Gläubiger in der Lage ist, dem Unternehmer das Vertrauen entgegenzubringen, das Unternehmen im Sinne der Gläubiger selber aus der Krise zu führen. Das ist eine große Chance. Das ist immer richtig, aber das ist in der wirtschaftlichen Situation, in der wir derzeit sind, ganz besonders wichtig und richtig. Deswegen ist es auch gut, dass wir das Verfahren beschleunigt haben, dass wir es dieses Jahr zum Abschluss bringen und dass wir letztlich auch dafür sorgen können, dass es zum 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft treten kann.

Ich will darüber hinaus auch noch etwas zu den wirtschaftlichen Hilfen in der Pandemie und der Frage sagen, dass wir die Insolvenzantragspflicht auch für den sachlichen Grund ausgesetzt haben, dass es im Zusammenhang mit verzögerten staatlichen Leistungen, nicht nur bei November- und Dezemberhilfen, sondern auch bei Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfe III und anderem mehr, erfolgt.

Wir machen diese Hilfen, damit wir Wirtschaftsstrukturen in der Krise nicht zerstören und wir aus dieser Krise gestärkt herausgehen können. Das wird letztlich nur dann passieren können, wenn die Hilfen, die wir ausgeben, die Unternehmen auch erreichen, und zwar bevor sie insolvent sind. Deswegen ist es richtig – dafür bedanke ich mich ausdrücklich –, dass der Rechtsausschuss zu diesem Thema lange und ausgiebig getagt hat, um diese Änderung noch zu ermöglichen und heute hier ins Parlament zu bringen. Ich glaube, das ist im Sinne von uns allen. Das ist richtig und gut für die Unternehmen unseres Landes.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)