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Thorsten Frei: Die Staatsbürgerschaft statuiert ein besonderes Verhältnis zwischen Bürger und Staat

Rede zum Staatsangehörigkeitsrecht

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Gesetzentwürfe, da wäre der Verfasser gut beraten, ihn nach der ersten Lesung im Bundestag im Ausschuss ruhen zu lassen und zu hoffen, dass zum Ende der Legislaturperiode der Mantel der Diskontinuität die Blöße bedeckt, die man sich mit dem Gesetzentwurf gegeben hat.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist doch billig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da kennt die Union sich ja aus! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das haben Sie ja nicht zu entscheiden!)

– Es ist interessant, dass wir hier wieder eine tolle Kombination aus AfD und Linken haben, lieber Herr Kollege Hahn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber lassen Sie mich doch einfach ausreden; dann werden Sie auch verstehen, was ich sagen möchte.

(Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Das ist doch Schwachsinn!)

– Nein. Also bitte, ich habe von einem Gesetzentwurf geredet; ich habe nicht gesehen, dass die Grünen einen vorgelegt haben. Ich spreche vom Gesetzentwurf, den die AfD vorgelegt hat. Aber ganz offensichtlich sind Sie ja einig damit, Herr Hahn; das ist auch wieder ein interessantes Erlebnis hier.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie sprechen nach den Grünen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Man nennt das „Setting“!)

– Herr Hahn, überlassen Sie es doch bitte mir, wie ich rede und in welcher Reihenfolge ich zu den unterschiedlichen Gesetzentwürfen und Anträgen Stellung nehme. Zu den Grünen und zu den Linken werde ich schon noch kommen. Deren Anträge bieten genügend Anlass, dazu das Notwendige zu sagen.

Jedenfalls ist es so: Ich beschäftige mich zunächst einmal mit dem Gesetzentwurf der AfD-Fraktion.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)

Er ist kurz, hat aber eine Begründung, die eine Mischung aus Auslassungen und Halbwahrheiten ist und die insbesondere von einer bemerkenswerten Unkenntnis des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts zeugt. Ich will das gerne an drei Beispielen kurz belegen:

Erstens. Sie sagen, das Ius sanguinis sei abgeschafft. Wenn Sie aber mal einen Blick in das Staatsbürgerschaftsrecht werfen, dann sehen Sie in § 4 Absatz 1 dieses Gesetzes einen einfachen, aber doch auch klaren Satz, in dem steht, dass durch Geburt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Das nennt man Ius sanguinis, und es bedeutet nichts anderes als den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt.

Der zweite Punkt. Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf, die Optionspflicht sei abgeschafft. Frau Polat hat ja gerade eben das Gegenteil dargestellt. Es ist mitnichten so. Dem Grunde nach ist es vielmehr so, dass jemand, der als Kind ausländischer Eltern hier in Deutschland geboren ist, eine Optionspflicht hat; die ist – darauf komme ich nachher noch zurück – nur dann nicht vorhanden, wenn ein Kind in Deutschland aufgewachsen ist.

Da gibt es insofern eine ganze Reihe von Punkten, wo man sagen kann: Das passt alles nicht zusammen.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da scheinen Sie ja der AfD näher zu sein!)

Das gilt auch für den dritten Punkt. Sie sagen, Sie möchten § 29 Absatz 1 Nummer 2 Staatsangehörigkeitsgesetz abschaffen. Das ist nichts anderes als ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und damit auch gegen die rechtsstaatlichen Prinzipien unserer Verfassung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieser Gesetzentwurf natürlich in Gänze abzulehnen.

Ich will aber auch in der Sache etwas sagen: Für uns als Union ist vollkommen klar, dass wir den Grundsatz, Mehrstaatigkeit zu verhindern, auch in Zukunft beibehalten möchten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da möchte ich Ihnen ganz klar widersprechen, liebe Frau Polat. Wir wollen, dass das die Ausnahme bleibt und nicht die Regel wird. Ich kann Ihnen das auch klar begründen: Die Staatsbürgerschaft ist mehr als ein Stück Papier, das über Aufenthaltsrechte entscheidet. Da geht es um mehr als nur um die Frage, in welcher Schlange man sich am Flughafen anstellt. Bei der Staatsbürgerschaft wird ein besonderes Verhältnis zwischen Bürger und Staat statuiert, und das ist in der Tat auch durch Identifikation und Loyalität geprägt.

Deswegen ist Ihr Antrag völlig daneben; denn Sie sagen, die „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ darf nicht Bestandteil des Staatsangehörigkeitsrechts sein. Wenn Sie das sagen, liebe Frau Polat, dann wollen Sie offensichtlich auch, dass Polygamisten in Deutschland wieder eingebürgert werden können,

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

genau das, was wir im letzten Jahr verhindert haben. – Das ist die Politik der Grünen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Niveau sinkt mit der Tageszeit!)

Ich fand es schon bemerkenswert, dass sich Ihr Antrag kaum von dem der Linken unterscheidet. Das ist kein Qualitätsmerkmal, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mies, mies!)

Ich finde es richtig, dass wir uns vor diesem Hintergrund darüber Gedanken machen, wie man multiple Staatsangehörigkeiten verhindern kann. Dafür gibt es durchaus Vorschläge. Der Generationenschnitt beispielsweise ist ein hervorragender Vorschlag, der, lieber Herr Thomae, auch im FDP-Antrag zur Sprache kommt, dort aufgegriffen wird. Auch wenn man zu der Auffassung kommt, dass ein Kind ausländischer Eltern, das in Deutschland geboren ist, sich nicht zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der der Eltern entscheiden soll, ist zu bedenken, dass das in der Folgegeneration dennoch nicht unproblematisch ist; denn dann hätten wir in der dritten Generation vielleicht nicht nur Doppelstaatsbürgerschaften, sondern sogar Vierfach- und Sechsfachstaatsbürgerschaften. Das sollten wir unter allen Umständen vermeiden. Deswegen wäre der Generationenschnitt sowohl zumutbar für die Betroffenen als auch eine richtige Möglichkeit, um im Staatsbürgerschaftsrecht eine gewisse Linie zu halten. Ich finde das absolut unterstützenswert.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ewiggestrigen!)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen: Ich finde, dass wir über die Frage des Staatsbürgerschaftsrechts schon auch mit einer gewissen Ernsthaftigkeit sprechen sollten,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie das mal!)

und vor allen Dingen nicht anderslautende Meinungen dämonisieren sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie das mal!)

Ich kann mich sehr gut daran erinnern: Als die CDU sich auf ihrem Parteitag vor vier Jahren mit dem Thema beschäftigt hat und sich eine Mehrheit für die Optionspflicht ausgesprochen hat, da ist von Linken und Grünen die Bemerkung gekommen, das sei ein Rückfall in die Vormoderne, das sei schlimmer Populismus, das sei ein furchtbarer Rechtsruck.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn die Doppelte-Staatsbürgerschaft-Kampagne gegen Ausländer geführt? Wer hat denn die Kinder-statt-Inder-Diskussion geführt? – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt alle Ihre Parteitage hier zitieren, oder was?)

Ich will Ihnen eines sagen – Sie haben offensichtlich ein kurzes Gedächtnis –:

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Sie haben als Rückfall in die Vormoderne und als schlimmen Populismus etwas bezeichnet, was vor sechs Jahren noch geltendes Recht in Deutschland war. Und nicht nur das: Dieses vor sechs Jahren geltende Recht ist im Jahr 1999 Recht in Deutschland geworden. Sie wissen hoffentlich, wer damals regiert hat: Es waren die Grünen und niemand anders, der dafür gesorgt hat. – Deshalb ist es wirklich nicht akzeptabel, wie Sie hier argumentieren.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist keine Ihrer Sternstunden!)

Ich glaube, das, was Sie in Ihren Anträgen vorschlagen, ist falsch.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

 

Thorsten Frei (CDU/CSU):

Das gilt für die Anträge von den Grünen wie von den Linken und genauso für den Gesetzentwurf der AfD. Deswegen sollte man das ablehnen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)