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Stephan Mayer: Wir hoffen, dass der harte, der ungeregelte Brexit noch zu vermeiden ist

Rede zu Freizügigkeitsrechten nach dem Brexit

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Die Bundesregierung legt Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, von dem wir inständig hoffen, dass er niemals in Kraft treten wird. Das mag skurril klingen, ist es aber im Grunde genommen gar nicht. Es geht um das Brexit-Aufenthalts-Überleitungsgesetz, das – wohlgemerkt – nur für den Fall in Kraft tritt, dass es einen ungeregelten, einen sogenannten harten Brexit – sprich: einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ohne Abkommen – geben wird.

Die Bundesregierung hofft und tut das ihre dazu, dass dieser aus unserer Sicht schlechteste Fall für alle Beteiligten vermieden wird. Wir hoffen, dass die Verhandlungsführer sowohl in London als auch in Brüssel alles dafür tun – und besonnen und vernünftig agieren –, dass der harte, der ungeregelte Brexit noch zu vermeiden ist.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Aber die Bundesregierung bereitet sich natürlich auf alle Eventualitäten vor. Deswegen haben wir einen großen Maßnahmenkatalog insbesondere zum Schutz der britischen Staatsangehörigen und deren Familienangehörigen, die in Deutschland leben, ins Werk gesetzt. Ein Teil dieses Maßnahmenkataloges ist das Brexit-Aufenthalts-Überleitungsgesetz, das am 31. Juli vom Bundeskabinett verabschiedet wurde und in den nächsten Wochen zu behandeln sein wird.

Inhalt dieses Gesetzes ist, dass für den Fall eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union all die britischen Staatsangehörigen und – wohlgemerkt – auch ihre Familienangehörigen, die in Deutschland leben, weiterhin in Deutschland verbleiben können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Ausländerzentralregister sind ungefähr 115 000 britische Staatsangehörige registriert. Es mag darüber hinaus noch einige mehr in Deutschland geben. Wir alle können, glaube ich, feststellen, dass die britischen Staatsangehörigen in Deutschland ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Viele von ihnen leben schon seit vielen Jahren in unserem Land, sind in Deutschland sesshaft geworden, haben in Deutschland Familien gegründet, haben in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt gefunden, und es wäre aus meiner Sicht in jeder Hinsicht unverantwortlich und inhuman, wenn auch nur ein Teil dieser britischen Staatsangehörigen nach einem harten, ungeregelten Brexit Deutschland wieder verlassen müsste.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir schaffen jetzt mit diesem Gesetz die Rechtsgrundlage dafür, dass sie bleiben können. Es ist mit Sicherheit so – das möchte ich gar nicht verhehlen –, dass der Großteil der in Deutschland lebenden britischen Staatsangehörigen schon nach dem Aufenthaltsgesetz auch weiterhin vollkommen legal in Deutschland verbleiben und auch Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz erwerben kann. Aber es mag durchaus einen kleinen Teil geben, der nicht unter das heutige Aufenthaltsgesetz fällt, aber EU-freizügigkeitsberechtigt ist, und Sie wissen: Am Tag nach einem harten, ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union würden aus diesen freizügigkeitsberechtigten Personen ganz normale Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel benötigen. Das gilt beispielsweise für einen Rentner, der mit seinem berufstätigen Sohn und dessen Familie in Deutschland lebt. Es gibt also kleine, aber nicht zu unterschätzende Fallkonstellationen, für die dieses Gesetz vorgesehen ist.

Wir werden neben diesem Gesetz auch Vorbereitungen dafür treffen, dass eine Ministerverordnung erlassen wird. Diese Ministerverordnung sieht vor, dass für einen Übergangszeitraum von drei Monaten in Deutschland lebende britische Staatsangehörige von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit werden. Wir geben also einerseits den Briten in Deutschland die Möglichkeit, in einem Zeitraum von drei Monaten einen Aufenthaltstitel zu beantragen, geben damit andererseits aber vor allem auch den Ausländerbehörden die notwendige Zeit, diese Anträge, die mit Sicherheit dann gehäuft bei ihnen eingehen würden, auch zu bearbeiten und zu bescheiden.

Diese Dreimonatsfrist kann auch verlängert werden, dann aber nicht mit einer reinen Ministerverordnung, sondern mit der Zustimmung des Bundesrates. Bei der ersten Frist von drei Monaten würden auch „Neubriten“ mit umfasst werden, also Briten, die nach dem Austrittsdatum nach Deutschland neu einreisen. Von der weiteren Verlängerungsfrist würde dieser Personenkreis nicht mehr umfasst werden.

Eines ist auch klar: Von dieser Regelung, die wir jetzt in dem Brexit-Aufenthalts-Überleitungsgesetz treffen, wären nur britische Staatsangehörige umfasst, die zum Zeitpunkt des Austritts in Deutschland leben. Für britische Staatsangehörige, die nach einem ungeregelten Brexit nach Deutschland einreisen würden, würde natürlich das ganz normale Drittstaatsangehörigkeitsrecht gelten, sprich: Sie müssten wahrscheinlich dann auch in erster Linie als Fachkräfte einen Aufenthaltstitel nach dem deutschen Aufenthaltsrecht erwerben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie gesagt: Wir hoffen, dass dieses Gesetz nie in Kraft tritt, verbinden mit diesem Gesetz aber auch den Wunsch, dass im Falle dieses wirklich abzulehnenden Umstands eines harten, ungeregelten Brexits wiederum auch deutsche Staatsangehörige, die in Großbritannien leben, ähnlich behandelt werden. In diesem Sinne hoffe ich auf konstruktive und angesichts des drohenden Austritts auch zügige Beratungen im Deutschen Bundestag.

Ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)