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Stephan Mayer: Präventivhaft ist in Deutschland unzulässig

Rede zur Zuständigkeit des Bundes bei der Gefahrenabwehr

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr verehrte Kollegen! Wir erleben heute wieder das typische Muster der AfD.

(Zurufe von der AfD: Oh!)

Erstens. Es wird ein Antrag bzw. ein Gesetzentwurf eingebracht zu einem tatsächlichen Problem. Zweitens. Es wird versucht, den Eindruck zu erwecken, die Bundespolitik, vor allen Dingen die CDU/CSU-Fraktion, wäre bislang untätig geblieben.

(Beifall bei der AfD)

Drittens. Es wird eine Scheinlösung präsentiert. Es wird nämlich eine Alternative vorgeschlagen, die keine wirkliche Alternative ist, weil sie verfassungswidrig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD: Oh!)

Punkt eins. Ich gestehe zu: Die hohe Ausländerkriminalität in Deutschland ist ein Problem.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Aha!)

Sie hat im Zuge der Migration während der Flüchtlingskrise tatsächlich zugenommen. Wir hatten allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres ausweislich eines Berichtes des Bundeskriminalamtes über 200 000 Straftaten in Deutschland, die von Zuwanderern begangen wurden. Am Tag werden also im Schnitt 750 Straftaten von Zuwanderern begangen. Das ist, um es ausdrücklich zu sagen, zu viel. Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Punkt zwei. Es wird dann versucht, den Eindruck zu erwecken, wir hätten nichts getan. Das stimmt dezidiert nicht. Wir haben als Große Koalition in der letzten Legislaturperiode sehr schnell reagiert, beispielsweise auf die schrecklichen Vorkommnisse in der Silvesternacht 2015. Wir haben das Ausweisungsrecht deutlich verschärft auf Initiative des Bundesjustizministers Maas. Wir haben uns sehr schnell in der Großen Koalition darauf verständigt, dass dann, wenn insbesondere Straftaten gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, gegen das Eigentum oder gegen Vollstreckungsbeamte begangen werden, schon bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ein Ausweisungsinteresse des Staates indiziert wird. Dieses Ausweisungsinteresse des Staates steht dann über dem Bleiberecht des Betroffenen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Konstantin Kuhle [FDP]: Das stimmt!)

Das ist eine erhebliche Verschärfung des Ausweisungsrechts.

Wir haben dann auch – dies sage ich unter Bezugnahme auf die letzte Debatte – nach dem schrecklichen Anschlag auf dem Breitscheidplatz das Abschiebungsrecht entsprechend verschärft. Wir haben die Hürden deutlich gesenkt, dass ausreisepflichtige Gefährder in Abschiebehaft genommen werden können. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Gefährder mit der elektronischen Fußfessel überwacht werden. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Personen, die als Gefährder eingestuft sind oder die nicht bereit sind, ihre Identität preiszugeben, mit einer Residenzpflicht versehen werden. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass Asylbewerber verpflichtet werden, bis zu zwei Jahre in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu verbleiben.

(Enrico Komning [AfD]: Die bleiben gar nicht!)

Wir haben weitgehende Maßnahmen vorgenommen, um das Ausweisungs- und Abschiebungsrecht in Deutschland deutlich restriktiver zu fassen und zu verschärfen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich komme nun zum dritten Punkt. Die geplante Vorgehensweise der AfD ist nun einmal verfassungswidrig. Ich bin schon etwas verwundert, sehr geehrter Herr Kollege Reusch: Sie sind Volljurist und sagen: Na ja, das Argument der Verfassungswidrigkeit ist ein Totschlagargument.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Gerade eine Partei, die wie die AfD immer vorgibt, sehr vaterlandslieb zu sein und einen besonderen Bezug zu unserem Heimatland zu haben, sollte aus meiner Sicht schon mehr Respekt und auch Anerkennung gegenüber unserer Verfassung haben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es ist nun einmal so – das sage ich ganz deutlich –, dass die Präventivhaft in Deutschland unzulässig ist.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Man kann eine Person nicht einfach in Haft nehmen, wenn sie sich nicht vorher strafbar gemacht hat.

(Enrico Komning [AfD]: Haben Sie nicht zugehört?)

Dass Sie, Herr Reusch, selbst erkannt haben, dass Ihr Gesetzentwurf verfassungswidrig ist, erkennt man schon daran, dass Sie nicht nur den Gesetzentwurf einbringen, sondern diesen mit einem Antrag begleiten. Dieser ist lapidar auf zwei Seiten gefasst.

In diesem Antrag fordern Sie die Bundesregierung auf, mit den Bundesländern in Verhandlungen über eine Neuordnung der Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts einzutreten. Dieser Satz entlarvt Sie vollends; denn Sie gestehen mit diesem Satz ein, dass Ihr begleitender Gesetzentwurf himmelschreiend verfassungswidrig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Bund hat in diesem Bereich keine Gesetzgebungszuständigkeit. Sie verweisen sogar in der Begründung Ihres Antrags darauf, dass beispielsweise der Freistaat Bayern von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, indem die Möglichkeit, bekannte Gefährder in Haft zu nehmen, von 14 Tagen auf mittlerweile drei Monate erweitert wurde.

Insoweit ist der Dreiklang wieder vollends erfüllt. Erstens: Sie als AfD beschäftigen sich mit einem Thema, in dem Fall mit dem Thema der Ausländerkriminalität. Die hohe Ausländerkriminalität ist tatsächlich ein Thema, und ich werde auch noch etwas dazu sagen, was wir als Unionsfraktion gemeinsam mit der SPD vorhaben, um hier in der laufenden Legislaturperiode weitere Verschärfungen vorzunehmen. Zweitens: Sie erwecken zu Unrecht den Eindruck, wir hätten nichts getan. Und drittens: Sie bieten nur Scheinlösungen.

Wir als Große Koalition haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir diese fünf Deliktsgruppen, die ich vorhin erwähnt habe, noch um den Sozialleistungsbetrug und die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz erweitern werden. Wenn also Delikte dieser beiden Gruppen begangen werden, reicht dann schon eine Freiheitsstrafe von nur einem Jahr, die auch zur Bewährung ausgesetzt sein kann, aus, um das Ausweisungsinteresse des Staates zu indizieren.

Wir haben uns gemeinsam mit der SPD auch darauf verständigt, dass wir die Instrumente der Abschiebehaft und auch des Ausreisegewahrsams insgesamt praktikabler gestalten wollen. Das ist aus meiner Sicht ein sachgerechter und wohlgemerkt verfassungsgemäßer Ansatz, den wir hoffentlich ab kommenden Montag dann entsprechend weiter vorantreiben werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)