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Stephan Mayer: Die Bundesregierung hat zu diesen Ereignissen politisch Stellung genommen und sie sehr deutlich verurteilt

Rede in der aktuellen Stunde zum Agieren der Bundesregierung in Sachen Chemnitz und in der Causa Maaßen

Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat:

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf Antrag der AfD beschäftigen wir uns in dieser Aktuellen Stunde mit den Geschehnissen in Chemnitz am Abend des 26. August am Rande des dortigen Stadtfestes. Wie Sie alle wissen, kam bei diesen in ihrer Dimension unglaublichen Auseinandersetzungen ein 35-jähriger Deutscher zu Tode. Das ist eine neue Stufe der Gewalt,

(Zuruf von der AfD)

die wir – hoffentlich – alle in diesem Hohen Haus zutiefst bedauern und verurteilen. Ich erwähne den Umstand, dass ein Mensch ums Leben kam, nur noch einmal ausdrücklich, weil er in der Folge in der Diskussion aus meiner Sicht etwas zu sehr in den Hintergrund geraten ist.

Einer der beiden Tatverdächtigen sitzt in Untersuchungshaft, nach einem weiteren dringend Tatverdächtigen wird noch gefahndet. Da die beiden Tatverdächtigen nach allem, was wir bisher wissen, ein Syrer und ein Iraker sind, war die tödliche Auseinandersetzung Anlass für mehrere, zum Teil sehr gewaltsame, rechtsgerichtete Proteste und Gegenveranstaltungen in Chemnitz. Es zeigt sich in der Folge eine deutliche Nähe und eine Anschlussfähigkeit der Rechtsextremisten an einen im üblichen Rahmen selbstverständlich gerechtfertigten bürgerlichen Protest.

Ein solcher Protest ist unter dem Gesichtspunkt der Demonstrations- und der Versammlungsfreiheit natürlich auch verfassungsrechtlich geschützt. Ich sage das auch noch einmal ausdrücklich: Natürlich muss man Verständnis für die Menschen haben, die dem Opfer nahestanden oder auch nicht, aber die aufgrund dieses Todes betroffen waren und deshalb ihre Trauer und ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Besonders erschreckend war dann allerdings die Mobilisierungsfähigkeit der Rechtsextremisten und der Neonazis. Aufrufe in den sozialen Medien sorgten für eine geradezu virale Verbreitung der Protestaufrufe rechtsgerichteter Organisatoren. So gab es am 26. August nach dem Aufruf von Kaotic Chemnitz eine Spontanversammlung mit etwa 800 bis 1 000 Teilnehmern. In deren Verlauf kam es auch zu Straftaten. Am Abend des 27. August versammelten sich dann um die 6 000 Demonstranten vor dem Karl-Marx-Monument anlässlich einer Kundgebung von Pro Chemnitz. Bei beiden Veranstaltungen kam es zu Vorfällen, die eindeutig als fremdenfeindlich oder rechtsextremistisch einzustufen sind.

Augenzeugen berichteten, dass Menschen durch Teilnehmer der Versammlungen verfolgt wurden, bei denen aufgrund ihres Aussehens ein Migrationshintergrund vermutet werden kann. Es kam zu Gewalt, zu Pöbeleien, zu Bedrohungen und zum Zeigen des Hitlergrußes. Diese Vorfälle, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, sind durch nichts zu rechtfertigen, müssen konsequent verfolgt und bestraft werden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Besonders verabscheuenswert war der antisemitische Angriff auf das jüdische Restaurant „Schalom“ am Abend des 27. August. Das Restaurant wurde von einer Gruppe vermummter Personen angegriffen und mit Flaschen, Steinen und einer Eisenstange beworfen. Dadurch wurde der Inhaber des Restaurants verletzt. Der Inhaber wurde beschimpft mit dem Satz – ich zitiere –: „Hau ab aus Deutschland, du Judensau!“ – Ende des Zitats.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Ich muss sagen – das ist meine persönliche Auffassung –: Es ist eine Schande für Deutschland, wenn derartige höchst verwerfliche und unwürdige Sätze wieder skandiert werden können.

(Beifall im ganzen Hause)

Auch das muss man deshalb auf das Schärfste verurteilen.

Die sächsische Polizei war innerhalb von nur einer Minute vor Ort. Sie hat durch ihr schnelles Eingreifen Schlimmeres verhindert, da die Täter von der weiteren Tatausführung abließen. Derartige Ausschreitungen und Straftaten haben mit einem legitimen demokratischen Protest und dem Wahrnehmen des Grundrechts auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)

Dieses Grundrecht zu gewährleisten und zu schützen, ist unser aller Auftrag, ganz besonders hier im politischen Raum.

Die Bundesregierung hat in der Regierungspressekonferenz am 27. August zu diesen Ereignissen politisch Stellung genommen und sie sehr deutlich verurteilt. Persönlich bin ich der festen Überzeugung, dass die Ereignisse in Chemnitz nicht nur uns, sondern der gesamten Bevölkerung in Deutschland bewusst gemacht haben, wie weit die von mir eingangs erwähnte Anschlussfähigkeit rechtsextremer Bewegungen an bürgerlichen Protest bereits fortgeschritten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Zusammenstehen der demokratischen Kräfte in unserem Land über die Grenzen verschiedener politischer Ansichten hinweg ist deshalb dringend notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diese Aktuelle Stunde auch zum Anlass nehmen, um auf die Rolle der Sicherheitsbehörden des Bundes und des Freistaates Sachsen einzugehen. Die Bewältigung des Einsatzes in Chemnitz zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten oblag zu jeder Zeit den zuständigen Sicherheitsbehörden des Freistaates Sachsen. Gleiches gilt jetzt für die Strafverfolgung, die der sächsischen Justiz obliegt. Sachsen und der Bund haben in Chemnitz – das möchte ich ausdrücklich betonen – in vorbildlicher Weise zusammengearbeitet und tun dies auch weiterhin, bis heute. Der Bund hat mit der Bundespolizei Amtshilfe unter der Verantwortung des Freistaates Sachsen geleistet. Insgesamt waren dabei rund 1 400 Einsatzkräfte der Bundespolizei im Einsatz.

Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz sind an der Auswertung und Bewertung der Ereignisse in Chemnitz eng beteiligt. Insbesondere werden Erkenntnisse, sowohl aus dem Bereich Rechts- als auch aus dem Bereich Linksextremismus, im Zusammenhang mit den Ausschreitungen und den Veranstaltungen in den nachfolgenden Tagen durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bewertet. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder haben die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit den Ereignissen in Chemnitz sehr wachsam im Blick und stehen hierzu über die zuständigen Gremien in einem stetigen und intensiven Austausch. Ihnen gelten hierfür – das möchte ich auch ausdrücklich betonen – meine Anerkennung und mein Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dies gilt insbesondere für die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, aber auch für die Beamtinnen und Beamten der sächsischen Landespolizei.

Auch die sächsische Justiz hat durch ihr schnelles und konsequentes Vorgehen gegen die Straftäter von Chemnitz die Entschlossenheit und die schnelle Reaktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates unter Beweis gestellt.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Schon zweieinhalb Wochen nach den Ausschreitungen erfolgte die erste Verurteilung wegen des Zeigens des Hitlergrußes. Das Strafmaß: immerhin acht Monate auf Bewährung und dazu 2 000 Euro Geldstrafe. Inzwischen gibt es mindestens drei Verurteilungen wegen des Zeigens nationalsozialistischer Symbole und Kennzeichen, aber auch wegen Straftaten gegen die Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Aus meiner Sicht sendet die sächsische Justiz hier genau die richtigen Signale in Richtung rechtsextremistischer Chaoten. Im Falle des antisemitischen Angriffs auf das jüdische Restaurant „Shalom“ wird inzwischen auch wegen der Straftat des Landfriedensbruchs gegen die Angreifer ermittelt. Ich möchte nochmals betonen: Der Schutz der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ist für uns, die Bundesregierung ein zentrales Anliegen, das wir gegen Angriffe von rechts wie von links konsequent und entschieden verteidigen werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine umfassende Bewertung der Ereignisse von Chemnitz durch den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Dr. Hans-Georg Maaßen, ist in der Sondersitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 12. September dieses Jahres erfolgt. Aufgrund der weiteren Geschehnisse im Anschluss, die Ihnen allen bestens bekannt sind, haben sich die drei Parteivorsitzenden der Regierungskoalition am vergangenen Sonntag politisch darauf geeinigt, das Amt des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz neu zu besetzen und Herrn Hans-Georg Maaßen in das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wechseln zu lassen. Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass Dr. Hans-Georg Maaßen aus meiner Sicht ein außerordentlich verdienter, erfahrener und hochkompetenter Sicherheitsexperte ist und ich es persönlich außerordentlich begrüße, dass er uns im Bundesinnenministerium erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Der Bundesinnenminister hat am 19. September 2018 in einer Pressekonferenz das weitere Verfahren zur Umsetzung dieser Einigung erläutert. Diesen Ausführungen habe ich nichts weiter hinzuzufügen.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.