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Philipp Amthor: Überall, wo es rechtlich möglich ist, werden wir uns der Vollverschleierung entgegenstellen

Rede zum Vollverschleierung im öffentlichen Raum

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich dafür eingesetzt, die Vollverschleierung im öffentlichen Raum zu begrenzen, und wir werden das auch fortsetzen. Das ist mit den Sozialdemokraten vereinbart, und dafür setzen wir uns ein.

(Zuruf von der AfD: Stimmt halt zu!)

Wir wollen das alles aber verfassungskonform tun, und diesem Anliegen wird der Antrag der AfD einfach nicht gerecht. Bevor ich dazu komme, will ich aber, weil das in der Debatte bisweilen unterging, sagen: Überall, wo es rechtlich möglich ist, werden wir uns der Vollverschleierung entgegenstellen,

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Wo ist es denn möglich? – Marianne Schieder [SPD]: Da habt ihr nicht viel zu tun, weil es das gar nicht gibt!)

und zwar deshalb, weil wir fest davon überzeugt sind, dass Burka und Nikab in keiner Weise unserer Vorstellung von einem Rechtsstaat und einer deutschen Wertekultur entsprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)

Ich sage hier ausdrücklich: Die Religionsfreiheit gehört zu Deutschland, aber der politische Islam gehört nicht zu Deutschland, und gegen ihn werden wir uns wenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Zurufe von der SPD)

Und überall dort, wo der politische Islam versucht, unsere offene Lebensweise zu beschränken, werden wir ihm mit der Härte des Rechtsstaates begegnen. Da sind mir auch die Zahlen, wie wenige das sind, egal – das wird es mit uns nicht geben.

(Zurufe von der SPD)

Nun aber in Richtung AfD, bevor Sie sich zu früh freuen: Wissen Sie, wenn wir von den Moslems verlangen, dass sie sich an unsere Regeln halten,

(Zuruf von der AfD: Ja!)

dann tun wir selbst gut daran, uns auch an unsere eigenen Regeln zu halten. Sie wissen vielleicht: Mit Ihrem Vorschlag operieren Sie ganz deutlich im grundrechtssensiblen Bereich der Religionsfreiheit. Ich kann Ihnen nur die Empfehlung geben: Wenn Sie da operieren, sollten Sie auch Ihr OP-Besteck kennen!

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist ja nicht nur so, dass Sie den Vorsitzenden des Rechtsausschusses stellen, sondern es ist auch ein Faktum, dass ein Viertel Ihrer Fraktion Juristen sind. Diese Expertise findet sich in dem Antrag aber in keiner Weise wieder.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vielmehr ist der Antrag mit heißer Nadel gestrickt und strotzt – ganz ehrlich – vor falschen Behauptungen. Das fängt schon mit dem Schutzbereich der Religionsfreiheit an. Sie behaupten, Burka-Tragen unterfalle nicht dem Schutzbereich der Religionsfreiheit. Wissen Sie, ich finde das auch nicht toll, aber die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und sogar das EGMR-Urteil, das Sie zitieren, besagen: Die Religionsfreiheit schützt auch das Burka-Tragen im Schutzbereich. – Erster Fehler.

Zweiter Fehler: Natürlich kann man Eingriffe in den Schutzbereich der Religionsfreiheit rechtfertigen, aber nach ständiger Rechtsprechung eben nur durch kollidierendes Verfassungsrecht. Dazu führen Sie substanziell gar nichts aus, sondern das, was Sie hier behaupten, und das, was Herr Curio hier behauptet hat, ist grober Unfug.

Nehmen wir einmal das Beispiel Menschenwürde. Die Menschenwürde ist eben kein Zwangskorsett, um das ganz deutlich zu sagen. Ich finde eine Burka ziemlich unwürdig, und ich finde es unwürdig, dass sich die Frauen dadurch auch zum Objekt machen lassen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung des Kollegen Nolte von der AfD-Fraktion?

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Aber sehr gern, Herr Nolte. Herzliche Einladung!

(Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Oh, wie hübsch!)

Jan Ralf Nolte (AfD):

Verehrter Herr Kollege, Sie reden hier viel über die Verfassung. War die Aufgabe der Grenzkontrolle durch die CDU verfassungskonform, und war die Homo-Ehe verfassungskonform?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Herr Nolte, ich finde es schön, dass Sie diese Frage stellen. Ich tendiere dazu, Ihnen zu sagen: Ja. Denn es gibt zu beidem noch kein gegenläufiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

(Marianne Schieder [SPD]: Mal was Neues fragen! Das wird langweilig!)

Ich sage Ihnen ausdrücklich: Bei der Homo-Ehe habe auch ich damals verfassungsrechtliche Bedenken gesehen. Darüber muss man reden; da wird es Entscheidungen geben. Aber machen Sie sich eines klar: Hier jetzt so zu argumentieren, als seien wir die Rechtsbrecher – Sie haben nicht einmal das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes gelesen, worin steht, dass Ihr hier vorgelegter Entwurf verfassungswidrig ist –,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ist völliger Unsinn. Machen Sie lieber Ihre Arbeit richtig, und hören Sie mir einmal zu; dann können Sie nämlich noch etwas über die Verfassung lernen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Die Menschenwürde hat Herr Curio als Stichwort angeführt und gesagt, die Menschenwürde sei jetzt hier das dem Entgegenstehende. Ich habe gesagt, ich finde die Burka für die Menschenwürde auch befremdlich; das ist nicht würdig. Aber Fakt ist: Die Menschenwürde schützt gleichzeitig nicht vor der autonomen Entscheidung, eine Burka zu tragen – so sinnlos wir das auch finden. Ich mache Ihnen das an einem Beispiel deutlich, das Sie vielleicht verstehen: Sie nehmen ja hier die Abgeordnetenfreiheit aus Artikel 38 des Grundgesetzes in Anspruch. Die zwingt Sie auch nicht dazu, richtige Anträge vorzulegen, sondern sie erlaubt es Ihnen, hier so einen Quatsch vorzulegen. Ganz ehrlich!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann führen Sie noch das Recht auf Kommunikation an. Auch das ist absoluter Blödsinn. Wenn Sie sich da auf den EGMR stützen, kann ich Ihnen nur empfehlen, das Urteil zu lesen – und wenn Sie nicht, hätte das wenigstens einmal einer Ihrer Referenten tun sollen. Am Ende des Urteils gibt es nämlich ein Sondervotum der Richterin Angelika Nußberger – sie ist die deutsche ­EGMR-Richterin –, die sagt, dass dieses Recht auf Kommunikation verfassungsdogmatisch schief ist. Das hätten Sie einmal zur Kenntnis nehmen sollen. Aber offene Kommunikation ist ja nicht Ihre Stärke, da Sie sogar Ihre Parteitage verhüllen und da keine Journalisten zulassen. Ganz ehrlich!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Sekunde!

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ja?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Es gibt noch eine Zwischenfrage. Wollen Sie sie zulassen?

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Gerne. Es gibt so viele Punkte, die ich hier aufarbeiten kann. Machen Sie weiter!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Trotzdem gilt auch für Sie die Redezeit. – Gut, jetzt haben Sie die Zwischenfrage noch zugelassen.

Andreas Bleck (AfD):

Vielen Dank, Herr Amthor, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Ich möchte Ihnen ein Zitat vorlesen, und zwar von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, und Sie bitten, dazu eine politische Bewertung vorzunehmen, –

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Gerne.

Andreas Bleck (AfD):

– auch hinsichtlich der in diesem Jahr stattfindenden Landtagswahl in Bayern. Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat im Jahr 2017 Folgendes gesagt:

Ein Verbot

– gemeint ist hier die Vollverschleierung –

ist möglich und notwendig. Das deutsche Verbötchen zur Vollverschleierung muss so wie in anderen Ländern Europas ausgeweitet werden.

Weiter:

Wir geben unsere Identität nicht auf, sondern sind bereit, dafür zu kämpfen. Die Burka gehört nicht zu Deutschland.

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ja, super!

Andreas Bleck (AfD):

Wie ist das in Einklang zu bringen mit den Reden, –

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Total!

Andreas Bleck (AfD):

– die ich aus Ihrer Fraktion zu diesem Punkt bis jetzt gehört habe?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

So, jetzt bitte.

Philipp Amthor (CDU/CSU):

Ganz ehrlich, hätten Sie mal zugehört! Das ist genau das, was ich gesagt habe.

(Karsten Hilse [AfD]: Stimmt doch gar nicht! Er fordert ein Vollverschleierungsverbot!)

Ich unterschreibe das, was Andi Scheuer gesagt hat, eins zu eins. Schauen Sie nach Bayern! Da kann man das nämlich kompetenziell beschränken. Das hat man in Bayern gemacht. In Bayern gibt es die Vollverschleierung in keiner Schule und in keiner Universität. Das wollen auch wir weiter ausweiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen zum Abschluss eines: Sie stellen sich hier hin und wollen die Retter des christlichen Abendlandes sein. Wir müssten für Ihr Anliegen aber die Verfassung ändern. Wenn man das machen würde, würden Sie die Axt an die Wurzel der Religionsfreiheit legen. Das Schrankensystem, das ich Ihnen gerade erklärt habe, hat das Bundesverfassungsgericht entwickelt, um christliche Minderheiten zu schützen. Das sollte doch für Sie das Entscheidende sein. Sie sind so weder die Retter des christlichen Abendlandes noch eine Rechtsstaatspartei. Machen Sie Ihre Arbeit ordentlich! Dann können wir im Innenausschuss darüber diskutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)