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Paul Lehrieder: "Wohl der Kinder im Blick"

Rede zum Adoptionsrecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorredner haben bereits darauf hingewiesen: Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit der Entscheidung vom März 2019 beauftragt, die Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien zu ermöglichen. Seine Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht – hier sollten die Damen und Herren aus den Oppositionsreihen durchaus mal die Ohren spitzen – mit einer unverhältnismäßigen Ungleichbehandlung der Kinder – wohlgemerkt: der Kinder, nicht der adoptionswilligen Eltern – begründet. Dies war notwendig, und daher bin ich froh, im Anschluss für einen Gesetzentwurf zu stimmen, der das Wohl der Kinder im Blick hat. Das ist nicht nur die Grundlage des Urteils, sondern auch die Grundlage, die für das Ergebnis einer jeden Adoption als solcher ausschlaggebend ist: das Kindeswohl, Frau Helling-Plahr.

Folglich muss das Kindeswohl auch der maßgebliche Faktor bei der Frage sein, inwieweit eine Adoption über die gesetzliche, über die höchstrichterliche Grundlage hinaus zugelassen wird. Kontinuität und Stabilität sind dabei das Fundament für eine Lebenssituation, in der sich ein Kind gut entwickeln kann. Das sind wir den Kindern schuldig – nicht den Paaren, wohlgemerkt; das muss man dazu sagen. Es ging dabei absolut nicht um die mögliche Benachteiligung nichtehelicher Lebenspartner und auch nicht um sonstige Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Es gibt nun einmal keinen Rechtsanspruch auf ein Kind.

Die Ehe übrigens – meine Damen und Herren, das können Sie auch schon in den Leitsätzen zum Beschluss des Verfassungsgerichts nachlesen – kann dabei sehr wohl – –

(Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Frau Kollegin Helling-Plahr hätte eine Frage.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Danke, dass Sie mich darauf aufmerksam machen. Wollen Sie denn eine Zwischenfrage zulassen?

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Ja, selbstverständlich.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Bitte schön, Frau Helling-Plahr.

 

Katrin Helling-Plahr (FDP):

Das ist sehr freundlich. – Das Bundesverfassungsgericht hat, wie Sie ja schon gesagt haben, festgestellt, dass es nicht mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar sein kann, dass Kinder in nichtehelichen Stieffamilien gegenüber Kindern in ehelichen Stieffamilien ungleich behandelt werden. Warum soll es aus Ihrer Sicht dann mit der Verfassung vereinbar sein, wenn Kinder in nichtehelichen Pflegefamilien gegenüber Kindern in ehelichen Pflegefamilien ungleich behandelt werden?

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Weil in dem Gesetzentwurf, den wir jetzt haben, natürlich eine bestimmte Zeitdauer vorgesehen ist als Maß für eine gewisse Stabilität. Anders als Sie es in Ihrem Antrag vorgesehen haben, soll gerade nicht willkürlich alle paar Monate das Kind mit einem neuen Partner verwirrt bzw. in eine bestimmte Turbulenz gebracht werden. Damit eine stabile Entwicklung des Kindes möglich ist, haben wir auch die Dauer von vier Jahren – Frau Kollegin Steffen hat bereits darauf hingewiesen – hineingeschrieben. Wir wollen eine nachhaltige, eine stabile Familienkonstruktion voraussetzen und schaffen. Die Alternative ist: Wenn beide Partner ein eigenes Kind zusammen gezeugt haben, gibt es eine Gewähr, dass ein gewisser familiärer Verbund besteht.

In Pflegefamilien soll das Zusammenleben auch nachhaltig und auf Dauer angelegt sein, wobei die Situation dort, Frau Helling-Plahr, wieder ein bisschen anders ist. Wir wissen sehr wohl, dass zwei Drittel der Familien, die ihre Kinder in Pflegefamilien geben, das freiwillig tun, weil sie persönliche Probleme haben: Drogenprobleme, vielleicht irgendwelche beruflichen Probleme, die sie einfach nicht auf die Reihe bekommen. Deshalb haben wir uns im Übrigen auch in der letzten Legislaturperiode, bevor Sie im Bundestag waren, gegen ein Recht von Pflegefamilien auf schnelle Adoption ausgesprochen – das wurde diskutiert –, um zu verhindern, dass die freiwillige Überlassung zur Inobhutnahme – Sie müssen schon aufpassen –

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

durch Eltern, die Schwierigkeiten haben, in Zukunft eben nicht mehr möglich sein wird. – Hallo!

(Heiterkeit)

Frau Kollegin, Sie können doch nicht mit dem Kollegen schwätzen, wenn ich Ihnen etwas erkläre. Also, alles, was recht ist, Herr Präsident.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Fahren Sie jetzt mal fort mit Ihrer Antwort.

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Es wird kein problembehaftetes Paar sein Kind in eine Pflegefamilie geben, wenn es damit rechnen muss, dass es durch eine relativ schnelle Adoption durch die Pflegefamilie das Kind dauerhaft verliert. Das war der Grund, warum wir gesagt haben: Okay, wir können das bei den Pflegefamilien so nicht machen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Ich hoffe, sie hat es verstanden.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Jedenfalls ist die Beantwortung der Frage jetzt beendet.

 

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Danke. – Wenn Sie noch eine Frage haben, Frau Helling-Plahr, ich stehe gern bereit.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Eine Adoption ist eine grundlegende, dauerhafte Statusentscheidung; darauf habe ich bereits hingewiesen. Sie ist ein gewisses Bekenntnis. Sie kann nicht ohne Weiteres einfach rückgängig gemacht werden, im Gegensatz zur Ehe, deren Aushöhlung die Opposition offensichtlich zeitweilig betreibt. Jeder, der zur Annahme eines nicht leiblichen Kindes bereit ist, sollte die Zeit erhalten, gut zu überlegen, ob er diese Verantwortung tragen möchte. Ich finde, eine Dauer von zwei Jahren, wie sie von der Opposition gefordert wird, ist kein geeignetes Kriterium, um sich ein verlässliches Bild einer dauerhaften, stabilen Lebensgemeinschaft zu machen.

Schauen Sie sich, Frau Helling-Plahr, beispielsweise mal die Norm des § 1579 Nummer 2 BGB an. Hier geht es um die Beschränkung oder Versagung von Unterhalt, da geht es nur ums Geld. Hier fordert die Rechtsprechung bereits, dass die Zahlung des Unterhalts für einen Ehegatten unzumutbar ist, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mindestens zwei Jahre gedauert hat. Sie müssen hier grundsätzlich Maß und Mitte im Auge behalten.

Jetzt zu Ihrem Antrag, Frau Helling-Plahr: Ihnen selbst war es wohl zu gewagt, aber Sie zitieren in Ihrem Antrag die Stellungnahme eines Verbandes und machen sich damit die Auffassung zu eigen, dass die Ehe als Vision offensichtlich teilweise obsolet sein soll. Ich kann Sie beruhigen, liebe Frau Helling-Plahr: Die Anzahl der Eheschließungen in Bayern ist entgegen Ihrer Mutmaßung die letzten Jahre gewachsen. Wir haben beispielsweise momentan die Situation –

(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zahl der Scheidungen auch!)

– Bitte? Stellen Sie eine Frage, dann habe ich mehr Zeit, Frau Kollegin –, dass knapp drei Viertel der minderjährigen Kinder im Jahr 2017 bei Ehepaaren groß wurden. Die Zahl der Eheschließungen lag in den Jahren 2001 bis 2014 auf relativ konstanter Höhe zwischen 368 922 und 389 591. Seit dem Jahr 2015 ist ein Anstieg auf 400 115 bis zuletzt 2018 449 466 Eheschließungen zu verzeichnen, die sich im Jahr 2018 auf folgende Paarkonstellationen verteilten: In 416 562 Fällen handelte es sich um Ehen zwischen Mann und Frau, 16 700 waren Ehen zwischen Mann und Mann, und 16 138 waren Ehen zwischen Frau und Frau.

Ich bin all denen dankbar, die sich im wahrsten Sinne des Wortes trauen – Frau Kollegin Rüthrich, das kommt bei Ihnen möglicherweise in den nächsten Jahren auch noch – und sagen: Jawohl, ich sage nicht nur Ja zum Kind, ich sage auch Ja zu dem Partner, ich sage Ja zur Kindesmutter, ich sage Ja zum Kindesvater. – Ich glaube, das ist eine gute, stabile Situation, die geeignet ist, um dem Kind ein gutes Heranwachsen zu ermöglichen.

Frau Rüthrich, ich war in meinem früheren Leben Standesbeamter, kann dieses Amt jetzt leider nicht mehr ausüben. Ich hätte Sie auch verheiratet, wenn es darauf angekommen wäre.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch mal, ich habe es eingangs ausgeführt: Es geht um das Kindeswohl, und ein verantwortlicher Umgang mit dem Kindeswohl bedingt eine stabile, dauerhafte Beziehung,

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie unserem Gesetzentwurf doch zu, Herr Kollege!)

und die halten wir, mit Verlaub, in der Ehe für ideal gegeben. Wir verkennen nicht, dass auch in anderen Situationen junge Menschen Schutz brauchen, aber der Idealfall für das Heranwachsen der Kinder ist nach wie vor eine bestehende Ehe. Daher bitte ich all die Paare, die sich mit dem Gedanken tragen, sich im wahrsten Sinne des Wortes zu trauen, sich in eine verbindliche Partnerschaft zu begeben, um dem Kind ein möglichst gutes Heranwachsen zu ermöglichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)