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Paul Lehrieder: Es bestehen jetzt schon alle Möglichkeiten Planungssicherheit zu schaffen

Rede zu Gewerbemieten

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Mitleid der Grünen mit der Parteizentrale der CDU in Berlin ehrt Sie; aber es ist scheinheilig.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Sie können auch in den Tunnel ziehen!)

Wir haben heute einen schwarzen Tag für den Wohnungsbau, zumindest in Berlin, lieber Matthias Birkwald. Heute hat die rot-rot-grüne Koalition in Berlin einen Mietpreisdeckel auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Da gibt es keinen Grund zum Klatschen.

Lieber Herr Birkwald, glauben Sie im Ernst, dass durch den Mietpreisdeckel auch nur eine Wohnung geschaffen wird?

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Endlich passiert was!)

– Ja, habe ich schon verstanden; es wird aber auch keine Wohnung saniert.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Neubau ist doch ausgenommen! Nehmen Sie das doch mal zur Kenntnis!)

– Jetzt höre ich von den Grünen den Zwischenruf: „Der Neubau ist doch ausgenommen.“ Gleichzeitig mit dem Mietendeckel ist aber auch geregelt – auch das gehört zur Wahrheit –, dass nach einer Sanierung die Miete nur maximal um 1 Euro pro Quadratmeter erhöht werden kann. Jetzt frage ich euch von den Grünen: Kann man mit 1 Euro Mietsteigerung

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Pro Quadratmeter und Monat!)

eine vernünftige energetische Sanierung in vielen Altbauten durchführen? Sicherlich nicht! Da fällt sogar bei den Grünen die Kinnlade runter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das ist ein schlechter Tag.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

– Matthias, entweder stellst du eine Frage, dann kriege ich mehr Zeit, oder du störst mich nicht.

Der Antrag von den Grünen, den wir heute behandeln, wurde offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt. Er soll das verfassungsrechtlich höchst fragwürdige Vorhaben des rot-rot-grünen Berliner Senats, einen Mietendeckel zu schaffen, flankieren. Ihr anderthalbseitiger Antrag ist dabei aber inhaltlich nicht ansatzweise in der Lage, die vielschichtigen Probleme in Ballungsräumen oder Großstädten zu lösen. Im Gegenteil: Käme man ihm nach, so würde er in einer ohnehin schon angespannten Situation zusätzliche Rechtsunsicherheit auslösen.

Sie lassen dabei auch weiterhin außer Acht, dass der rasante Anstieg der Wohnungsmieten, also den persönlichen Rückzugsbereich einer Person oder eine Familie betreffend, durchaus schutzwürdig ist. Die Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass durchaus eine Differenzierung angebracht ist zwischen Schutz von Wohnraum, weil jeder eine Unterkunftsmöglichkeit braucht, und Gewerberaum, weil die Partner hier stärker auf Augenhöhe sind.

Ich verkenne nicht, dass es in Innenstädten, in Kleinstädten, natürlich auch in Berlin, mit Verlaub, Leerstand gibt und Läden zum Teil leer stehen; darauf wurde schon von Vorrednern hingewiesen. Wir müssen schauen: Was sind die Ursachen? Nicht immer ist es die überhöhte Miete, sondern oft ist es auch unser Freizeitverhalten.

Wir diskutieren das Gaststättensterben, und zwar nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern, weil wir abends nicht mehr so oft ausgehen. Auf der anderen Seite weiß ich auch um die Problematik von Klubs in Berlin.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Also, an mir liegt das nicht!)

– Ich weiß nicht, wie oft der Kollege Birkwald in die Kneipe geht. Aber ich gehe davon aus, dass es ausreichend ist. – Also, in aller Regel ist es natürlich schlichtweg multikausal.

Wie kann man den Gewerbetreibenden helfen? Es gibt einen ganz tollen Bereich, bei dem man ansetzen kann: Das ist das Planungsrecht. Wir haben Artikel 30 Absatz 1 Baugesetzbuch. Vielleicht hilft mal ein Blick ins Gesetz, bevor man so einen Antrag schreibt. In einem Bebauungsplan kann man festsetzen, was in Zukunft auf einem Areal passieren soll: Kita, öffentliche Bedarfsfläche, kulturelle Einrichtungen. Das kann man natürlich auch berücksichtigen.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit dem Bestand?)

Ich kenne es auch, dass viele soziale Einrichtungen im Besitz der Kommune sind. Da kann die Kommune mitgestalten, und die verlangt von sich aus keine überhöhte Miete. Da muss man auch ein bisschen die Kirche im Dorf lassen. Ja, es gibt auch private soziale Einrichtungen, die angemietet sind und sicherlich diese Probleme haben.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Schauen Sie sich doch mal die großen Städte an, um zu sehen, ob das funktioniert, was Sie da sagen!)

Auch darauf wurde hingewiesen: Wir haben in Deutschland – im Übrigen anders als Sie in Ihrem Antrag schreiben und anders als in Frankreich – einen hohen Schutz des Privateigentums. Wir haben Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz, die allgemeine Handlungsfreiheit, und wir haben im gewerblichen Bereich die Möglichkeit, Staffelmieten zu vereinbaren. Wir haben die Möglichkeit, bereits vor Ablauf des Mietvertrages den Mietvertrag zu verlängern. Wenn ich meine Gaststätte oder meine Boutique umbauen will, dann rede ich mit meinem Vermieter und sage: Jawohl, wie schaut es denn aus? Können wir einen Vertrag für 10, 15 Jahre machen und, wenn ja, zu welchen Konditionen? Können wir reinschreiben, dass die Mieten nach dem Lebenshaltungskostenindex steigen? – All die Möglichkeiten bestehen jetzt schon, um sich langfristig beidseitig zu binden, Vertrauen auf beiden Seiten zu schaffen, Planungssicherheit auf beiden Seiten zu schaffen. All dies ist da.

Dies verkennt natürlich Die Linke. Die Linke möchte – auch darauf hat der Kollege Luczak bereits hingewiesen –, wie das zu Zeiten der DDR der Fall war, dass Einraum- und Zweiraumwohnungen zugewiesen werden. Seien wir mal ehrlich: Vor 1989 war der gewerbliche Wohnungsbestand in den Städten in den neuen Ländern nicht viel besser, als er heute ist, mit Verlaub.

(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Sie wissen schon, dass es in der Bundesrepublik Deutschland bis in die 60er-Jahre eine Regelung gab?)

Wir sind froh, dass wir in vielen Bereichen blühende Landschaften sehen. Das ist aber eben auch ein Stück weit die Marktwirtschaft. Das ist die Möglichkeit, dass gewerbetreibende Mieter und Vermieter ihre Konditionen aushandeln. Daran wollen wir nicht rütteln. Deshalb wird es dich nicht wundern, lieber Matthias, dass wir euren Antrag ablehnen. Er ist nicht so toll.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja, was machen Sie denn? Sie stehen doch da mit leeren Händen!)

Ich bin gespannt, was die Grünen in ein paar Wochen bringen werden, wenn wir uns mit dem Thema wieder befassen. Ich freue mich darauf.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Machen Sie es gut!

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Du hast jetzt nur nicht gesagt, was ihr machen wollt!)