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Nina Warken: Ein Verbot kann aber nur die Ultima Ratio sein

Rede zu Kinderkopfverhüllungen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nichts Neues, dass die AfD versucht, mit dem Thema Kopftuch Aufmerksamkeit zu bekommen. Jetzt muss also die etwas publikumswirksamere Variante „Kinderkopftuch in Kitas und Schulen“ auf diese Bühne gezerrt werden. Aber auch das ist kein neues Thema; meine Fraktion hat sich damit bereits ausführlich beschäftigt. Aber dazu später mehr.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Eines, meine Damen und Herren, ist tatsächlich neu: Zum ersten Mal lese ich in einem Antrag der AfD die Worte „Dialog“ und „konstruktive Mitarbeit“. Aber warum? Leider nicht aus Überzeugung, sondern ganz einfach aus der Not geboren: Die Gesetzgebungskompetenz für den Schul- und Kultusbereich liegt nämlich bei den Ländern. Und da würde sich ein Antrag auf Beschlüsse der Bundesregierung nicht besonders elegant lesen. Also soll man mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes nun mit den Ländern über ein Verbot diskutieren.

Das tun wir hier doch gleich mal. Es gibt verschiedene Gutachten – das wurde bereits erwähnt –, die geprüft haben, ob ein Kopftuchverbot bei Mädchen unter 14 Jahren mit unserem Grundgesetz vereinbar ist. Die muss ich im Detail hier nicht ausbreiten. Nur so viel: Während die einen Verfassungsrechtler zu dem Schluss kommen, ein Verbot sei rechtlich möglich, gibt es genauso diejenigen, die das in Zweifel ziehen. Kurzum: Die verfassungsrechtlichen Bedenken lassen sich nicht wegwischen, auch wenn einige Verfassungsrechtler grünes Licht geben. Sie bewerten den Schutz des Kindes und sein Recht auf eine freiheitliche Entwicklung höher als die Religionsfreiheit und das elterliche Erziehungsrecht. Es bleibt aber unstreitig ein Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Grundrechten bestehen.

Kurzum: Das Thema eignet sich nicht für Schnellschüsse und ist auch nicht dafür geeignet, Ängste zu schüren oder parteipolitisch Profit daraus zu schlagen.

Um eines ganz klarzustellen: Auch ich lehne das Tragen von Kopftüchern bei Mädchen im Kita- und Grundschulalter entschieden ab.

(Beifall der Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU] und Martin Hohmann [AfD])

Ein Verbot kann aber nur die Ultima Ratio sein, und das ist auch die Position meiner Partei. Wir müssen zunächst alle anderen Maßnahmen ausschöpfen, die der elterlichen Aufklärung und Überzeugung dienen.

Lassen Sie mich auch noch ein paar Gedanken zur gesellschaftlichen Dimension eines möglichen Verbots ausführen. Wo kleine Mädchen von ihren Eltern dazu angehalten werden, Kopftücher zu tragen, ist es nicht gut um die Integration bestellt. Von einer selbstbestimmten Entscheidung für oder gegen ein Kopftuch kann in diesem Alter nicht die Rede sein.

Zu Recht werden von den Befürwortern eines Verbots auch die weitreichenden Konsequenzen eines Kopftuchs bei Kindern ins Feld geführt. Dabei geht es nicht nur um die Selbstwahrnehmung der Mädchen, sondern eben auch um ganz praktische Probleme, etwa beim Schwimm- und Sportunterricht, oder es kommt zu Ausgrenzung und Diskriminierung der Kinder.

Aber Integration kann man nicht einfach verordnen, man kann sie jedoch erwarten. Sie geschieht aber nicht von oben, sondern sie passiert an der Basis. Natürlich müssen Bildungseinrichtungen und Schulbehörden darin bestärkt werden, das Gespräch mit den Eltern zu suchen. Dazu braucht es professionelle Strukturen und die Zusammenarbeit von allen Beteiligten. Bei einem Verbot bestünde die Gefahr, dass genau dieser Gesprächsfaden abgeschnitten wird. Es droht die Gefahr von Protestverhalten oder einer gänzlichen Ablehnung unserer Gesellschaftsordnung. Und diese innere Ablehnung verhindert die Integration eines Kindes mindestens genauso wie die äußerliche Abgrenzung.

Es geht nämlich darum, Mädchen und Frauen den Rücken zu stärken und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Es geht nicht darum, auf ihrem Rücken Symbolpolitik zu betreiben.

Deshalb müssen wir mehr darüber wissen: Wie viele Mädchen in Deutschland tragen überhaupt ein Kopftuch in öffentlichen Schulen? Ab welchem Alter tragen sie es? Aufgrund welcher Hintergründe und mit welchen Auswirkungen auf den Schulfrieden und die persönliche Entfaltung tragen sie es? Und natürlich müssen wir auch wissen: Wie soll eine Sanktion aussehen, wenn alles andere nicht hilft? Wie genau soll die Rechtsdurchsetzung erfolgen?