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Nadine Schön: Die Vorratsdaten-speicherung ist ein ganz wichtiges Instrument

Redebeitrag zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Ende dieser doch sehr emotionalen Debatte möchte ich mich erst mal bedanken: bei meinen Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsgruppen Recht und Familie aus unserer Fraktion und auch der SPD-Fraktion, die sich in den letzten Monaten und eigentlich auch in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben unglaublich viele Gespräche geführt: mit Polizei, mit Staatsanwaltschaft, mit Opferschutzgruppen, mit Hilfsorganisationen, mit Psychotherapeuten – mit allen, die in diesem Bereich tätig sind. Liebe Kollegen, bei manchem Redner, der heute hier gesprochen hat, hat man gemerkt, dass Sie das nicht getan haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da hätte ich mir gewünscht, dass das eine oder andere Gespräch mal geführt worden wäre. Dann wären viele dieser Aussagen heute so nicht gefallen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch echt albern! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wen meinen Sie? Herrn Luczak? Oder Herrn Hoffmann? – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten sich schämen!)

Herr Dr. Hahn, von Symbolpolitik bei diesem Gesetz zu sprechen, das uns in vielen Bereichen voranbringt, wofür wir lange gekämpft haben, das ist wirklich infam. Und es stimmt: Politisiert und auf die parteipolitische Schiene gehoben hat das Frau Baerbock. Darüber haben wir uns zu Recht geärgert; denn wir kämpfen seit Jahren dafür, dass es bei diesem Thema vorangeht, und zwar längst nicht nur beim Thema Strafen, sondern auch beim Thema Hilfe, beim Thema Prävention und beim richtigen Umgang mit den betroffenen Kindern. Dafür haben wir uns eingesetzt, und das werden wir weiterhin machen. Vieles, was in den letzten Jahren bewegt worden ist, ist auf unser Engagement zurückzuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin Schön, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

 

Nadine Schön (CDU/CSU):

Ja, gerne.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bitte sehr, Frau Kollegin.

 

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Kollegin Schön, wenn Sie mit dem, was Sie hier sagen, meine Fraktion meinen, weise ich das wirklich zurück. Ich möchte Sie darauf hinweisen – und das wissen Sie sehr genau –, dass ich mich für unsere Fraktion sehr intensiv mit diesem Thema befasst habe, sehr viele Gespräche geführt habe, auch sehr viele Gespräche mit Opfern an der Stelle geführt habe. Und mich trifft das persönlich, wenn Sie diesen Vorwurf an meine Fraktion richten. Das weise ich unbedingt zurück. Das trifft nicht zu. Ganz im Gegenteil: Wenn es eine Fraktion in diesem Parlament gibt, die sich intensiv mit dem Thema befasst und in der Konsequenz auch die Rechte der Kinder einfordert, dann ist das meine Fraktion.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wunderbar!)

Deshalb weise ich das zurück. Das stimmt so nicht, und ich bitte Sie, das in Ihrer weiteren Rede auch zu berücksichtigen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schauen Sie einmal in die Vergangenheit! – Gegenruf der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin, es gehört zu unseren Gewohnheiten, dass man zur Antwort stehen bleibt. – Danke.

 

Nadine Schön (CDU/CSU):

Liebe Kollegin, ich weiß das. Ich weiß, dass Sie sich selbst ganz engagiert um dieses Thema kümmern, so wie viele Kolleginnen und Kollegen der Grünen das in den unterschiedlichsten Bereichen machen. Das will ich Ihnen nicht absprechen, und so wollte ich meine Aussage nicht verstanden wissen.

Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass uns Ermittler, mit denen wir uns unterhalten haben, gesagt haben: Es ist gut, dass wir endlich in diese Foren, diese Chatforen reinkommen, wo das Material getauscht wird und man sich darüber unterhält, wie man sich einem Kind am besten nähern kann. – Die Ermittler haben durch unsere Gesetzesänderung vom letzten Jahr endlich den Zugang dazu. Wir erlauben ihnen heute, mit computergeneriertem Material selbst in diese Foren reinzukommen, damit sie dort ermitteln können. Das ist ein Riesenfortschritt, sagen die Ermittler.

Das Problem ist nur, was dann passiert: Die Ermittler sehen, dass sich zum Kindesmissbrauch verabredet wird. Die sehen, dass Täter ankündigen, dass sie bald ein Kind missbrauchen werden. Und die sagen: Wir kommen nicht an die Daten. Wir wissen nicht, wo das ist und wer das ist, weil die Verbindungsdaten nicht da sind. – Deshalb brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ursula Schulte [SPD])

Die ist im Übrigen nicht vom EuGH gekippt worden, sondern vom OVG Münster. Deshalb müssen wir uns an der Stelle ehrlich machen: Die Vorratsdatenspeicherung ist ein ganz wichtiges Instrument,

(Beifall bei der CDU/CSU)

das Ermittler brauchen, damit sie rechtzeitig – rechtzeitig! – an die Täter rankommen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Frau Kollegin Schön, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Künast?

 

Nadine Schön (CDU/CSU):

Ja, gerne.

 

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Jemand sagte: Wir können schon Fehler eingestehen. – Als Fraktion, die hier angibt, sie hätte sich immer darum gekümmert, würde ich die Füße stillhalten.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich komme jetzt zum Punkt, Frau Kollegin. Sie sagten hier gerade, was schon alles in Kraft getreten sei. Wenn ich das richtig sehe, sind die Dinge, von denen Sie reden, bisher gar nicht in Kraft getreten; denn sie befinden sich in dem hier beschlossenen Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität.

Wir als Grüne haben bei der zweiten Lesung und schon vorher immer gesagt: Lassen Sie uns ein zweistufiges Datenübermittlungsverfahren machen. Das haben Sie abgelehnt mit dem trostlosen Ergebnis, dass dieses Gesetz, das bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder auch Datenübermittlung ans BKA vorschreibt und das auch das von Ihnen genannte Ermittlungsinstrument beinhaltet, bis heute nicht in Kraft getreten ist.

Können Sie mir an der Stelle vielleicht sagen – statt sich selber für etwas zu loben, was verfassungswidrig ist und vom Herrn Bundespräsidenten deshalb nicht unterzeichnet wurde –, wann das Bundesinnenministerium endlich so weit ist, zu diesem zweistufigen System der Datenübermittlung eine rechtliche Vorlage zu machen, damit wir das im Bundestag endlich nachbessern können und die Meldepflichten und die Ermittlungstools, die Sie hier nennen, endlich auch wirksam sind?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir warten seit weit über einem Jahr darauf.

(Zurufe von der AfD)

Dabei könnten Sie Tempo machen. Wir wären bestimmt zu einem Fristverzicht bereit, wenn Sie eine verfassungsgemäße Lösung vorschlagen.

(Maik Beermann [CDU/CSU]: Es geht um Rückverfolgung!)

– Es geht um alles, wenn es um Kinder geht.

(Zurufe von der CDU/CSU)

 

Nadine Schön (CDU/CSU):

Also, die Regelungen zu den Ermittlungsmöglichkeiten, von denen ich gesprochen habe, sind in Kraft. Man kann computergeneriertes Material erzeugen, und dadurch kommen die Ermittler heute in die Foren, die ihnen vor einigen Jahren noch versperrt gewesen waren. Das zum einen.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Das haben die immer noch nicht mitbekommen!)

Zum anderen. Ja, in dem Gesetz sind wichtige Punkte enthalten, die wir umsetzen wollen, so steht etwa die Providerhaftung in diesem Gesetz. Jetzt müssen wir einen neuen Anlauf unternehmen

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der denn?)

und schauen, wie wir mit dem Gesetz umgehen und die wichtigen Punkte, die wir dort vereinbart haben, in ein neues Gesetzgebungsverfahren einbringen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann können wir denn damit rechnen?)

Da haben wir inhaltlich gar keinen Dissens. Es gibt viele wichtige Punkte, die wir umsetzen wollen und in diesen Gesetzen noch verankert werden. Daran sieht man, dass der Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch mit diesem Gesetz auch nicht erledigt ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt unglaublich viele Facetten.

Wir haben viel Wichtiges erreicht, das in diesem Gesetz steht. Das höhere Strafmaß drückt den erhöhten Unrechtsgehalt aus. Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein Verbrechen und muss auch als solches bestraft werden.

Die Regelungen zum Führungszeugnis sind total wichtig; denn es kann doch nicht sein, dass jemand mit 22 Jahren ein Kind missbraucht und mit 37 Jahren in eine Jugendfreizeit fahren oder sich als Erzieher im Kindergarten bewerben darf.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir verbieten Kindersexpuppen; dazu ist ja einiges gesagt worden. Der Besitz einer Kindersexpuppe hat einen eigenen Unrechtsgehalt; das hat Jan-Marco Luczak wirklich gut auf den Punkt gebracht. Außerdem hat der Umgang mit ihnen einen enthemmenden Charakter. Er ist der Einstieg in echten Missbrauch. Das müssen wir anerkennen, dagegen müssen wir etwas tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und im ganzen Bereich des Verfahrens – bei den Verfahrensbeiständen, den Familienrichtern – brauchen wir wirkliche Experten, die wissen, wie sie bei einer Vernehmung mit den Kindern sprechen können, die psychologische Kenntnisse und Kenntnisse über die Verfahren haben, über all das, was in diesem hochkomplexen Bereich dahintersteht. Deshalb ist auch das ein sehr wichtiger Schritt in diesem Gesetz und eben nicht nur Symbolpolitik.

Frau Baerbock und Frau Harder-Kühnel, wenn man sich mit Experten unterhält,

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, tun wir!)

mit denjenigen, die mit den Betroffenen arbeiten, hört man, dass diese sagen: Man sollte nicht – wie Sie das gemacht haben, Frau Baerbock – von einem „zerstörten Leben“ oder von einem „Mord an Kinderseelen“ sprechen.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben ich nicht gesagt! Das hat Ihr Innenminister gesagt!)

– Doch, Sie haben gesagt: „zerstörtes Leben“; ich habe es mir aufgeschrieben. Wir können im Protokoll gerne nachschauen.

(Widerspruch der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es gibt auch nach diesen abscheulichen Taten immer noch die Chance auf ein gelingendes Leben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und unsere Aufgabe ist doch, dieses gelingende Leben zu ermöglichen und ihnen zu helfen. Deshalb arbeiten wir nicht nur mit Strafbarkeit.

Sie haben wichtige Punkte angesprochen. Das Thema Traumaambulanzen haben wir im Sozialen Entschädigungsrecht verankert. Wenn die Länder im nächsten Jahr flächendeckend Traumaambulanzen auf den Weg bringen, dann erwarte auch ich, dass dort speziell auf die Bedürfnisse von Kindern geachtet wird, dass dort Kinderpsychologen zum Einsatz kommen. Das erwarte auch ich, da sind wir einer Meinung. Deshalb ist auch das ein wichtiger Punkt, den wir ins Gesetz geschrieben haben, den wir im vergangenen Jahr bereits umgesetzt haben.

Wir haben vieles auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Kinderschutzhotline. Heute können sich Kinderärzte, wenn sie einen solchen Fall haben, sich aber nicht ganz sicher sind, an die Hotline wenden und sich beraten lassen. Sie bekommen dort eine ganz qualifizierte Auskunft. Diese Kinderschutzhotline für die Ärzte haben wir als Union auf den Weg gebracht. So viel zum Thema, wir wollen nur die Strafen erhöhen.

Wir haben diese Hotline auf den Weg gebracht. Sie ist mittlerweile ausgezeichnet worden von der OECD als weltweites Leuchtturmprojekt. Wir planen nicht nur, die Laufzeit dieser Hotline von Professor Fegert zu verlängern, sondern das Projekt zu erweitern, damit auch Mitarbeiter in den Jugendämtern dort anrufen können und qualifizierte, gute Beratung bekommen, wie sie einen solchen Fall bewerten und damit umgehen können.

Ich könnte noch ganz viele weitere Punkte nennen. Leider ist meine Redezeit jetzt vorbei. Aber ich empfehle Ihnen einen Blick in unsere zwei Positionspapiere: das eine vom letzten Jahr, das andere von diesem Jahr. Da kommen die Themen Prävention und Hilfe genauso vor wie das Thema Strafbarkeit. Ich kann Ihnen sagen: Etliche Punkte, die wir letztes Jahr gefordert haben, haben wir bis heute schon umgesetzt, in allen Bereichen. – Deshalb sind zahlreiche Unterstellungen des heutigen Tages wirklich infam. Das weise ich von mir. Wir sind die Fraktion, die sich diesem Thema ganzheitlich widmet – mit Erfolg und mit konkreten Ergebnissen.

(Beifall bei der CDU/CSU)