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Michael Kuffer: "Man kann sich durch Unterlassen an der Demokratie versündigen"

Rede in der Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir können aus Thüringen Lehren ziehen, wir können diese Lehren annehmen und das alles letztlich als eine wenn auch schmerzhafte, aber doch immerhin eine Chance nutzen. Oder wir können es durch Rechthaberei vergeigen – ebenso durch den Versuch, daraus politischen Honig zu saugen. Liebe Kollegin Mohamed Ali, Sie sind heute mit Ihrer Rede zumindest an dieser Aufgabe bereits gescheitert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Thüringen zeigt nicht, dass sich Thomas Kemmerich von Extremisten wählen lassen wollte. Es zeigt, dass bei der FDP für einen Moment die Versuchung größer war als die Klarheit,

(Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Mein Gott!)

und das reicht dann leider bei einem solchen Manöver der AfD eben nicht. Insofern bin ich dem Kollegen Lindner für seine Rede heute dankbar.

Natürlich hat die AfD in Thüringen getäuscht und manipuliert. Sie haben einen Kandidaten zur Wahl gestellt – nicht damit er gewählt wird, sondern gerade, um ihn nicht zu wählen und damit ein taktisches Spiel zu treiben. In Thüringen hat die AfD gezeigt, dass ihr die Täuschung näher liegt als die Wahrhaftigkeit des politischen Angebots.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben mit Herrn Höcke in Thüringen einen Mann an der Spitze Ihrer Partei, der nicht nur faktisch den Holocaust leugnet,

(Zuruf von der AfD: Lüge! – Frank Pasemann [AfD]: Was erzählen Sie denn für einen Unsinn! Beweisen Sie das einmal! Das wird ja immer schlimmer!)

der ein Faschist ist, einen Mann, der öffentlich fordert, Maßnahmen zu ergreifen – ich zitiere –, „die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen“.

(Zuruf von der LINKEN: Pfui!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer nach dieser Aussage noch Zweifel hat, dass damit gewaltsame Maßnahmen gegen Andersdenkende insinuiert werden, der verschließt die Augen vor dem Offensichtlichen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frank Pasemann [AfD]: Das ist für Sie sogar erbärmlich!)

Solche politischen Vorstellungen werden wir als Union weiter bekämpfen, die werden wir immer bekämpfen, weil Sie damit alles infrage stellen, worunter Millionen von Menschen so unsagbar gelitten haben und wofür umgekehrt die Nachkriegsgeneration jahrzehntelang so hart gearbeitet hat, nämlich aus diesem größten Trümmerhaufen der Geschichte wieder dieses wunderbare Land und diese wunderbare Demokratie aufzubauen.

Selbstverständlich kann es keinen Ministerpräsidenten und keine Regierung geben, die auf einem solchen Fundament steht, auf solchen Vorstellungen gründet, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Frank Pasemann [AfD]: Sie laufen vor Ihrer politischen Verantwortung davon! Das ist die Wahrheit! Sie paktieren mit Linken!)

Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas zu Ihrer politischen Verantwortung: Man kann nicht gleichzeitig einerseits Rechtsextremisten und Neonazis ein Angebot machen und andererseits Bürgerlichen; das schafft man nicht.

(Zuruf von der AfD: Frechheit!)

Oder, umgekehrt gesagt: Man schafft es nur, wenn man brutalst täuscht, betrügt oder manipuliert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Lieber Herr Gauland, man kann nicht auf Thüringen den Nazi-Höcke loslassen und sich in Berlin im Sommerinterview hinsetzen, zurücklehnen und sagen: „Ich habe es doch nicht gesagt.“ So geht es nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Das ist ja beschämend!)

Herr Gauland, die Haltung, mit der Sie hier immer in Ihrem Stuhl sitzen – das sage ich Ihnen ganz ehrlich –, steht symbolisch für Ihre Teilnahmslosigkeit gegenüber Leuten wie Herrn Höcke und dem Flügel,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und sie steht symbolisch für Ihre Teilnahmslosigkeit gegenüber diesem Parlament.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Soll ich stehen, wenn Sie reden, Herr Kuffer?)

Ob der Flügel nun im Zentrum Ihrer Partei oder am Rand steht, ist letztlich völlig egal. Entscheidend ist, was Sie dagegen unternehmen und ob Sie ihn bekämpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: So ein Schwachsinn!)

Ich sage Ihnen: Man kann sich hier auch durch Unterlassen an der Demokratie versündigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nun muss ich aber auch in Richtung der Linken sagen: Man ist nicht nur Demokrat, wenn man links wählt oder Die Linke unterstützt.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Hat keiner gesagt! – Frank Pasemann [AfD]: Man ist nur Demokrat, wenn man sie nicht wählt!)

Man kann dem Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht dienen, wenn man ihn gleichzeitig für andere Zwecke ausnutzen will. Davor will ich Sie ausdrücklich warnen.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Was?)

Demokrat ist man vor allem, wenn man sich klar und glaubwürdig von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung abgrenzt, von Gewalt gegen Polizisten und Repräsentanten unseres Staates.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden Die Linke nicht mit dem Rechtsextremismus in einen Topf werfen. Wir sind klar in der Einordnung, dass der Linksextremismus und der Linksterrorismus ein polizeiliches und der Rechtsextremismus darüber hinaus ein gesellschaftliches Problem ist. Wir sind klar in der Differenzierung der verschiedenen Formen des Extremismus und im Erkennen von Faschismus. Aber eines muss ich Ihnen sagen, und das kann ich nicht stark genug betonen: Ich kann Sie nur nachdrücklich auffordern, nicht weiter einen Beitrag zur Geschichtsleugnung der anderen Art zu leisten, sei es vorsätzlich oder auch nur fahrlässig.

Damit komme ich zum Ende.

(Frank Pasemann [AfD]: Das reicht jetzt auch!)

Unter dem Unrechtsregime der DDR haben so viele Menschen so sehr gelitten, sind Menschen gebrochen, Leben zerstört und auch beendet worden. Wir müssen das weiterhin klar benennen, und Sie müssen anfangen, das klar zu benennen. Ein Staat, in dessen Namen solche Verbrechen geschehen sind,

(Zurufe von der LINKEN)

hat keine Legitimation, er hatte nie eine, er ist ein Unrechtsstaat gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gibt an dieser Stelle keine Unterscheidung zwischen undemokratisch und Unrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)