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Michael Kuffer: Inakzeptabel sind Überhöhungen, die die Abschaffung von Grundrechten und jeder persönlichen Freiheit beklagen

Rede in der Aktuellen Stunde zur Whistleblower- Studie aus dem BMI

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Hampel, Sie haben allen Ernstes gesagt – Sie haben das auch nicht zitiert, Sie haben sich das zu eigen gemacht,

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ich habe zitiert, Herr Kollege!)

Sie haben es wiederholt, das ist wirklich Teil Ihrer Aussagen –, Corona wäre Fake News, Corona sei ein Fehlalarm. Sie haben dann noch eins draufgesetzt und gesagt: Der Bundesinnenminister gefährdet Menschenleben.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das stimmt!)

Also, ganz ehrlich, darunter ging es wohl nicht, oder?

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das sagt das Innenministerium, Herr Kuffer!)

Es ist mir völlig klar, dass Sie in Not geraten sind. Weil Sie in der aktuellen Debatte nicht mehr vorkommen, suchen Sie krampfhaft nach Standpunkten, die Sie über ihren YouTube-Kanal oder sonst wo im Netz irgendwie an den Mann bringen können. Dass Sie sich wieder die allerdümmsten Argumente und Meinungen ausgesucht haben, war eigentlich zu erwarten. Das war nicht überraschend, aber es ist für die Debatte trotzdem wieder einmal verheerend.

(Beifall der Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] und René Röspel [SPD])

Festzuhalten ist: Der besagte Mitarbeiter aus dem BMI hat außerhalb seiner fachlichen Zuständigkeit gehandelt, und er hat damit außerhalb seiner Befähigung gehandelt. Wenn man sich das Papier jenseits der formalen Fragen inhaltlich anguckt, kann man zu keinem anderen Ergebnis kommen. Eine saubere und ordentliche Auseinandersetzung mit der Lage hätte das Gegenteil erfordert,

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: 80 Seiten sind sauber!)

nämlich eine faktenbasierte, nicht auf YouTube und anderen zweifelhaften Quellen basierende präzise Analyse. Insofern ist das, was da vorgelegt worden ist, weder eine Analyse noch eine Studie noch sonst irgendetwas, was sich für Whistleblowing eignet, sondern schlicht und ergreifend ein Elaborat, mit dem wir in dieser Krise nicht seriös arbeiten können.

Dass wir die einschneidenden Maßnahmen, die die Coronakrise erforderlich gemacht hat, diskutieren, dass wir sie zunehmend auch kontrovers diskutieren, ist richtig und auch notwendig. Aber ich bitte darum, dass wir das weiterhin situationsangemessen tun und dass wir uns dabei auch darüber im Klaren sind, dass wir es weiterhin mit einer Gefährdung und mit einer Herausforderung zu tun haben, die weiterhin Strukturen und Arbeitsweisen des Krisenmanagements erfordert. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir sind noch nicht wieder in der Normalität.

Das ist auch bedeutend für die Auseinandersetzung mit dem Thema. Drei Dinge sind aus meiner Sicht in diesem Zusammenhang inakzeptabel und der Sache in keiner Weise angemessen:

Erstens: der Vorwurf, die Maßnahmen seien übertrieben. Es ist sogar noch schlimmer, weil er verbunden wird mit aberwitzigen Theorien über angebliche Motive, die mit der Virusbekämpfung gar nichts zu tun haben; so, als habe die Politik, als habe die Bundeskanzlerin, als hätten die Ministerpräsidenten monatelang nur auf eine Gelegenheit gewartet, endlich das Land herunterfahren zu können, endlich die persönlichen Freiheiten beschränken zu können und endlich die Wirtschaft schädigen zu können.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das haben Sie jetzt gesagt! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Einen größeren Unsinn gibt es nicht!)

Also, ganz ehrlich: Glauben Sie das denn wirklich? – Es ist einfach traurig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage es Ihnen als jemand, der andere Meinungen wirklich schätzt, ganz offen und ehrlich: Etwas Dümmeres kann man nicht von sich geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Zweiten. Inakzeptabel sind Überhöhungen, die die Abschaffung von Grundrechten und jeder persönlichen Freiheit beklagen. Besonders „herausragend und intelligent“ ist es – das war in den letzten Tagen leider nicht selten zu hören –, wenn man sich auch noch dazu versteigt, Parallelen zu 1933 zu ziehen. Also, ganz ehrlich, die Meinungsfreiheit schützt auch ungewöhnliche Meinungen. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es gibt eine Grenze dessen, was wir noch ernst nehmen müssen, und die ist in diesen Fällen eindeutig überschritten.

Ich will Ihnen gerade mit Blick auf die Demonstrationsfreiheit, aber auch mit Blick auf andere Freiheitsgrundrechte Folgendes sagen: Die Freiheitsgrundrechte sind ein hohes Gut unserer Verfassung; aber das Grundrecht auf Leben und Unversehrtheit der Gesundheit ist es ebenso. Deshalb sage ich Ihnen: Demonstrationen, die so ablaufen, dass Schutzmaßnahmen missachtet, Mindestabstände verletzt und am Ende auch noch zum Ablegen des Mund-Nase-Schutzes aufgefordert wird, kann es so nicht geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Geradezu grotesk ist es doch, wenn aus dem Umstand, dass die Maßnahmen, die wir zur Prävention ergriffen haben, gewirkt haben, wir beispielsweise erhebliche freie Behandlungs- und Intensivkapazitäten haben, schlussgefolgert wird, dass die Maßnahmen nicht erforderlich gewesen seien. Der Begriff des Präventionsparadoxon, der hier in den letzten Tagen öfter zu hören war, ist meines Erachtens wirklich noch zurückhaltend und freundlich. Ich nenne eine solche Argumentation schlicht „Quatsch“.

Ich frage mich ganz ehrlich, wie kurz das Gedächtnis an dieser Stelle ist. Manche scheinen die Bilder aus Italien vergessen zu haben. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich kurz

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Es ist eine Präsidentin!)

aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 18. März 2020 zur Lage in Norditalien: „… die Bestatter kommen nicht nach mit der Arbeit … Die Särge stauen sich in den Spitälern, die Leichenhallen sind voll, und man nutzt Kirchen als Zwischenlager. Das Krematorium arbeitet rund um die Uhr, aber die Kapazität reicht nicht aus“, usw. Zehn Seiten in der Zeitung nur Todesanzeigen, an einem einzigen Tag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitbürger draußen im Land, Deutschland ist bisher besser und sicherer durch die Krise gekommen als die meisten Länder. Es gibt viele, die in dieser Lage gerne mit uns tauschen würden, und das liegt nicht daran, dass sich das Virus auf deutschem Boden anders oder freundlicher verhalten hat als anderswo. Es liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir schnell und entschlossen gehandelt haben, dass wir auf gefährliche Experimente verzichtet haben, dass wir ein leistungsfähiges Gesundheitswesen haben und dass wir – von wirklich ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – eine umsichtige, disziplinierte und solidarische Gesellschaft haben.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Kuffer, auch Sie müssen zum Schluss kommen.

 

Michael Kuffer (CDU/CSU):

Frau Präsidentin, ich komme damit auch zum Schluss. – Dafür danke ich allen Menschen in unserem Land und besonders denen, die jeden Tag den Laden hier am Laufen halten. Das kann uns ein bisschen stolz machen, aber vor allem sollte es uns Mut machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)